Eine neue "Mitte-Studie" der Friedrich-Ebert-Stiftung zeigt: Jede zwölfte Person in Deutschland hat ein rechtsextremes Weltbild. Sechs Prozent wünschen sich sogar eine Diktatur mit Führer.
Die Rechtaußenpartei "Alternative für Deutschland" (AfD) verzeichnet derzeit in Umfragen landesweit historisch hohe Werte, besonders in den östlichen Bundesländern, in Thüringen und Sachsen. In Bayern füllt der Rechtspopulist Hubert Aiwanger Plätze und Bierzelte – und es gilt als ausgemacht, dass er auch über Süddeutschland hinaus viele, sehr viele Bewunderer hat. Eine aktuelle Erhebung der Universität Bielefeld im Auftrag der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) zeigt nun: Die Republik wird insgesamt rechtsextremer und demokratiefeindlicher.
Demnach vertreten acht Prozent der Befragten ein klar rechtsextremes Weltbild – in den Jahren zuvor hatte dieser Wert noch zwischen knapp zwei und maximal drei Prozent gelegen. Zudem haben fast sechs Prozent der Befragten sozialdarwinistische Ansichten und stimmen etwa der Aussage "Es gibt wertvolles und unwertes Leben" zu (2014 bis 2021: zwei bis drei Prozent).
Zur Studie:
Die Forscher haben bundesweit 2.027 Menschen in einer repräsentativen Telefonumfrage befragen lassen. Diese Befragung fand im Zeitraum vom 2. Januar bis 28. Februar 2023 statt. Die Befragten waren zwischen 18 und 94 Jahre und im Durchschnitt 50 Jahre alt. Die Umfrage ist den Angaben zufolge repräsentativ für die erwachsene deutsche Wohnbevölkerung.
Insgesamt verorten sich mit 15,5 Prozent deutlich mehr Menschen politisch selbst "rechts der Mitte" als zuvor. Politisch "genau in der Mitte" sehen sich indes nur noch 55 Prozent der Menschen in Deutschland; in den vier vorangegangenen Erhebungen (die Studie wird alle zwei Jahre durchgeführt) hatte dieser Wert stets bei über 60 Prozent gelegen.
Mehr als 16 Prozent der Befragten behaupten der neuen Studie zufolge eine nationale Überlegenheit Deutschlands. Sie fordern "endlich wieder" Mut zu einem starken Nationalgefühl und eine Politik, deren oberstes Ziel es sein sollte, dem Land die Macht und Geltung zu verschaffen, die ihm zustehe.
16 Prozent sind negativ gegenüber "Ausländern" eingestellt. Rund ein Drittel der Befragten – 34 Prozent – meint zudem, Geflüchtete kämen nur nach Deutschland, um das Sozialsystem auszunutzen.
Dass Deutschland mittlerweile mehr einer Diktatur als einer Demokratie gleiche, meinen 20 Prozent. Und sechs Prozent können sich eine Diktatur mit einem Führer wieder vorstellen. Gleichzeitig sinkt das Vertrauen in die Institutionen und das Funktionieren der Demokratie auf unter 60 Prozent. Mit 38 Prozent vertritt ein erheblicher Teil der Befragten verschwörungsgläubige Positionen. Populistische und völkisch-autoritär-rebellische sind ebenfalls verbreitet – bei 33 Prozent beziehungsweise 29 Prozent der Teilnehmenden der Erhebung.
"Populismus und antidemokratische und völkische Positionen sind auf dem Vormarsch", kommentiert der Vorsitzende der SPD-nahen Stiftung, Martin Schulz, die Ergebnisse der Studie. Keine Frage: die Ergebnisse sind irritierend, ja beängstigend. Laut der Studie (Titel "Die distanzierte Mitte") sehen sich immer mehr Deutsche rechts der Mitte – und so wählen sie auch. Die rechtsradikale AfD profitiert von der Grundstimmung im Land. Die Partei erhielt zuletzt in den Umfragen mehrerer Institute bundesweit eine Zustimmung von 22 Prozent. Keine guten Aussichten.
Europaweit zeigt sich ebenfalls eine Tendenz nach rechts. Der britische Guardian berichtete – am selben Tag, als die FES-Studie in Berlin vorgestellt wurde –, dass fast ein Drittel der Europäer mittlerweile populistische, rechtsextreme oder linksextreme Parteien wählt. Analysen von mehr als 100 Politikwissenschaftlern in 31 Ländern ergaben demnach, dass bei den nationalen Wahlen im Jahr 2022 eine Rekordzahl von 32 Prozent der Wähler ihre Stimme für Anti-Establishment-Parteien abgaben, verglichen mit 20 Prozent in den frühen 2000er Jahren und 12 Prozent in den frühen 1990er Jahren.
Vom Autor ist erhältlich:
Helmut Ortner: "Volk im Wahn; Hitlers Deutsche oder: Von der Gegenwart der Vergangenheit", Edition Faust, 296 Seiten, 22 Euro
27 Kommentare
Kommentare
wolfgang am Permanenter Link
So ein Blödsinn, das deutsche Volk hat ein rechtsextremes Weltbild: Eher, würde ich sagen,
A.S. am Permanenter Link
Das ist so eine Sache mit den Bezugssystemen: Wenn die Regierung schneller nach links rückt als das Volk, vermeint die Regierung einen Rechtsruck beim Volk zu sehen.
Mal im Ernst: Die Politik macht ihren Job nicht. Die Infrastruktur marode, die Schulen schlecht, Wohnraum knapp, Energie teuer. Die Unzufriedenheit des Volkes mit der Regierung ist begründet und sucht sich ein Ventil.
malte am Permanenter Link
Also zunächst einmal ist das nicht die Sichtweise der Regierung. Es sind die Ergebnisse einer empirischen Studie.
In der Studie ist klar definiert, was ein klar rechtsextremes Weltbild ausmacht: Die Zustimmung zu gleich mehreren klar menschenfeindlichen und diskriminierenden Aussagen. Außerdem verorten sich mehr Befragte SELBST rechts der Mitte - wie kann das ein Rechtsruck sein, den jemand "vermeint zu sehen"? Schauen sie doch mal in die Studie oder zumindest in die Zusammenfassung.
David Z am Permanenter Link
Ich habe mir die Studie angeschaut. Komplett irre.
Die einzige Erwähnung, die eine solch schlecht gemachte "Studie" erfahren dürfte, wäre die Erwähnung als Negativbeispiel. Alleine die so offensichtlich tendenziös geframten Fragen lassen jedem redlichen Sozialwissenschaftler die Haare zu Berge stehen.
Dass die "Ergebnisse" der "Studie" dennoch völlig unkritisch nahezu überall verbreitet werden, spricht Bände über den derzeitigen Zustand unserer Medienlandschaft.
Und schliesslich: nur weil jemand sich selbst als "rechts" bezeichnet, muss das noch lange nicht mit der Definition des Fragers übereinstimmen, der glaubt, daraus dann einen "Rechtsruck" ableiten zu können. Im übrigen erscheint mir ein Rechtsruck per se nicht notwendigerweise verwerflich, zB wenn eine linksextreme Gesellschaft einen Rechtsruck erführe, denn sie würde damit womöglich wieder in der gesunden Mitte ankommen.
Davon abgesehen: Die Definition von "rechts" bis "Nazi" ist heutzutage so aufgeweicht und vielfältig, dass die Begriffe kaum noch Inhalt haben.
malte am Permanenter Link
Nur leben wir eben nicht in einer linksextremen Gesellschaft. Und es haben auch nicht mehr Studienteilnehmer angegeben, dass sie sich in der Mitte verorten - die Selbstbezeichnung "RECHTS" hat zugenommen.
Was genau ist Ihrer Meinung nach an der Studie schlecht gemacht? Und inwiefern können Sie die Qualität der Studie beurteilen - sind Sie selbst Sozialwissenschaftler?
David Z am Permanenter Link
Das mag sein, dass wir in keiner linksextremen Gesellschaft leben.
Die Selbstbezeichnung "rechts" ist ohne Aussagekraft, weil rein subjektiv und jeder etwas anderes darunter versteht. Dass sich hier die Definitionen decken, ist daher ziemlich unwahrscheinlich.
Dass der Bergriff "rechts" negativ geframt ist, ist leider korrekt und stellt ein eigenes Gesellschaftsproblem dar, übrigens ein weiteres Zeichen dafür, wohin das politische Pendel grade schlägt und dass auf starke Ausschläge üblicherweise ein Reaktionismus folgt. Selbstverständlich ist das politische Spektrum "rechts" an und für sich nicht verwerflich sondern ein elementarer Bestandteil einer funktionierenden Demokratie.
Wenn Sie die offensichtlichen Methodikprobleme der Studie nicht selbst erkennen, lesen Sie bitte die zahlreichen Kritiken.
malte am Permanenter Link
Na klar: "Such' dir die Quellen doch selbst!" Nicht sehr überzeugend.
Wenn die hohe Zahl an Rechtsextremen angeblich auf eine falsche Methodik der Studie zurückzuführen ist: Warum ist die Zahl dann gerade jetzt so gestiegen? Die Studie wird seit Jahren regelmäßig durchgeführt.
Dass es auch unter SPD-Wählern Rechtsextreme gibt, ist nicht so überraschend, wie Sie das darstellen. Thilo Sarrazin war schließlich auch SPD-Mitglied.
David Z am Permanenter Link
Die Zahl ist nicht gestiegen. Die Definitionen und Interpretationen haben sich verändert.
Thilo Sarrazin als rechtsextrem darzustellen ist selbstverständlich eine Falschaussage und, mit Verlaub, eine ziemliche Unverschämtheit. Aber immerhin haben Sie damit wunderbar das Problem dieser Studie offenbart.
Mona Vogelsang am Permanenter Link
Leider ist es so, daß sehr viele sogenannte Studien einer Überprüfung auf Validität, Reliabilität und Objektivität nicht standhalten.
malte am Permanenter Link
Ja, es gibt schlechte Studien. Es könnte auch durchaus sein, dass diese dazugehört. Aber das können nur Fachwissenschaftler beurteilen. Gibt es denn fachlich begründete Kritik an der „Mitte-Studie“?
A.S. am Permanenter Link
Besser fachlich begründete Kritik:
https://www.welt.de/debatte/kommentare/plus247687674/Wenn-Forscher-selbst-SPD-Waehlern-ein-manifest-rechtsextremes-Weltbild-bescheinigen.html
malte am Permanenter Link
Den Artikel kann ich leider nicht lesen (Paywall).
David Z am Permanenter Link
"Mut zu einem starken Nationalgefühl" fließt in die abschliessende Klassifizierung als rechtsextrem ein. Allein daran erkennt man doch schon, wie oberflächlich und vage die Methodik aufgesetzt ist.
libertador am Permanenter Link
Wie Sie dem Artikel entnehmen können wird sich beim Rechtsruck auf vergangene Beantwortung der gleichen Fragen bezogen (2014-2023).
Was soll das mit einem vermeintlichen links rücken der Regierung und dem Bezugssystem zu tun haben?
David Z am Permanenter Link
Wir haben eine linke Regierung, die in zahlreichen Bereichen linke Projekte umsetzt und Sie fragen sich allen ernstes, was das mit einem Rechtsruck zu tun haben kann?
Übrigens sind die Fragen nicht gleich. 2014 lebte man noch in der Realität, in der die menschliche Spezies aus exakt zwei Geschlechtern bestand. In der Studie wird das Unterschreiben dieser wissenschaftlichen Tatsache hingegen als rechts gewertet. Wer hier immer noch glaubt, eine valide "Studie" vor sich zu haben, dem ist nicht mehr zu helfen.
Helmut Lambert am Permanenter Link
An libertator.
Die Antwort ist doch einfach: Es protestieren mit dieser Einstellung mehr Menschen als früher gegen illusionäre Gesetze und Kontrollverlust in der Migrationsfrage.
Helmut Lambert am Permanenter Link
Ich gebe Ihne recht. Grüne und SPD versagen bei wichtigen Fragen (die Sie aufzählen) aufgrund der Realitätsverweigerung in einer erschreckenden Weise und stärken die rechte Seite.
Constantin Huber am Permanenter Link
Die neuen Daten sind für mich ehrlich gesagt nicht sonderlich überraschend.
malte am Permanenter Link
"Siehe allein wie viel Hass und unwissenschaftliche Engstirnigkeit von Teilen der humanistischen Community gegenüber trans* Menschen ausgeht."
Woran machst du das fest? Die Kritik an theoretischen Ansätzen wie Queer Theory oder bestimmten Formen des Aktivismus ist kein "Hass".
David Z am Permanenter Link
Haben Sie sich die sog. "Studie" einmal näher angeschaut? Die Methodik ist leider komplett daneben, was man alleine schon aus den geframten Fragen erkennt.
Und wo bitte werden Rechtsextremen im ÖRR "häufig eine Bühne gegeben"? Das können Sie doch nicht ernst meinen. Eine Bühne im ÖRR haben nachweislich eher linke Ideen bzw deren Vertreter. Das wurde nun doch schon mehrfach wissenschaftlich empirisch untersucht und nachgewiesen.
Welche "Märchen" der Rechtsextremen, auf die angeblich "vernünftige Menschen" leicht hereinfallen, meinen Sie?
Und welchen Rechtsruck meinen Sie? Soweit ich das sehe, haben wir eine linke Regierung und in zahlreichen politischen und gesellschaftlichen Bereichen setzen sich linke Ideen durch. Möglicherweise verwechseln Sie die Kritik an schlechten Ideen mit "Rechtsruck"?
Und warum bezeichnen Sie Kritik an gewissen Aspekten des Transaktivismus, die in der humanistischen Community geäußert wird, regelmässig als "Hass und unwissenschaftliche Engstirnigkeit" und hier im Kontext sogar als rechtsextrem?
Genau diese Auffassung ist der Beweis für die wissenschaftliche Disqualifikation dieser "Studie". Denn wenn Menschen im rechtsextremen Bereich verortet werden, wenn sie das Faktum einer binären Sexualität der menschlichen Spezies für wahr erachten - so wie in der Studie geschehen neben vielen anderen Schnitzern - dann sind wir nicht mehr im Reich der Wissenschaftlichkeit sondern vielmehr im Reich der politischen Propaganda.
David Z am Permanenter Link
Schade, dass sich Herr Ortner nicht die Mühe gemacht hat, in die Details der "Studie" einzutauchen und sich zB die Fragen näher angeschaut hat.
Rüdiger Weida am Permanenter Link
Das Volk rückt nach rechts, wenn es wirtschaftlich bergab geht. Das zeigt die Geschichte deutlich.
Das Volk rückt nach rechts, wenn linke Parteien nur Belehrungen bieten, wie es sich zu verhalten hat, rechte aber seine Probleme aufgreifen. Dabei ist dann erst mal Nebensache, ob die angebotenen Lösungen auch tragbar sind. Man fühlt sich angenommen und gleichberechtigt und nicht als Schüler.
Wenn das Volk nach rechts rückt, ist das also in allererster Linie ein ziemlich komplettes Versagen von links. Nicht nur von den Parteien, sondern auch von den linken Eliten.
Dafür muss man aber Verständnis haben, die sind mit der Durchgenderung der Sprache zur Zeit völlig ausgelastet. Da kann man sich nicht noch um irgendwelche Nebensächlichkeiten kümmern.
In der Studie ging es auch um Demokratiefeindlichkeit. Ausgeblendet wird, die kommt nicht nur von rechts. Die kommt genau so von immer mehr "Aktivisten", die ihre eigene Ansicht so sehr zum alleinigen Maßstab machen, dass sie weder vor Gewalt noch vor Straftraten zurück schrechen, um auch andere zu zwingen, sie als alleinigen Maßstab zu übernehmen.
A.S. am Permanenter Link
Die Religionen sind meiner Meinung nach alle demokratiefeindlich, weil autoritär. "Gott" ist der fiktive Aufhängepunkt aller menschlichen Autorität.
Ich erlaube mir zu reimen:
"Die Kirchen waren noch nie
Freunde von Freiheit und Demokratie."
Die Kirchen sind sehr gut darin, von der eigenen Demokratiefeindlichkeit abzulenken indem sie auf andere zeigen. Haben wir gerade wieder beim Bätzing erlebt.
Rüdiger Weida am Permanenter Link
Das sehe ich auch so.
Erst, wenn sich eine neue Herrschaft ergeben hat, mussten sie dann für den angeblichen Widerstand der Kirchen selbst herhalten.
A.S. am Permanenter Link
Die religiösen Führer haben nicht nur der weltlichen Macht gedient, sondern auch selber nach der Macht gegriffen (Invesiturstreit, Frage nach der Vorherrschaft von Papst oder Kaiser).
Lange Zeit hatte die Kirche die Oberhand und die Kaiser mussten den Päpsten gehorchen. Geändert hat sich das erst durch Martin Luther. Die evangelischen Landeskirchen hatten als Chef den jeweiligen Fürsten. Auch Charles III. ist in Personalunion Oberboss der Anglikanischen Kirche.
In Deutschland ist es bis heute so, dass die gewählten Amtsträger den Kirchen in den Allerwertesten kriechen. In der ländlichen Region, in der ich lebe, braucht der Pfarrer nur mit den Fingern zu schnippen und schon überstürzt sich der politische Gemeinderat (nicht der Pfarrgemeinderat) mit dem Bewilligen von Geldern.
A.S. am Permanenter Link
Ergänzend noch einen andere Meinung:
https://www.welt.de/debatte/kommentare/plus247687674/Wenn-Forscher-selbst-SPD-Waehlern-ein-manifest-rechtsextremes-Weltbild-bescheinigen.html
Leider zeigen sich auch bei "Studien" zunehmend tendenziöse Methoden.
Gilt vielleicht: "Ich glaube nur der Studie, die ich mir selbst zurecht gebogen habe!"?
Michael Fischer am Permanenter Link
Hat Helmut Ortner nun recht oder nicht?
"Ausgeprägt rechte und rechtsextreme Einstellungen sind in der Bundesrepublik seit 2016 nicht stärker oder weniger stark verbreitet." stellt der "DeutschlandTrend extra" fest, den Infratest dimap im Auftrag des WDR durchgeführt hat.
Andererseits passen die Zahlen zu denen Ortners: "Nach dieser Studie sind acht Prozent der Befragten als rechtsextrem einzuordnen (2016 neun Prozent), weitere 14 Prozent als ausgeprägt rechts (2016 13 Prozent)."
https://www.tagesschau.de/inland/deutschlandtrend/deutschlandtrend-extra-afd-100.html