Es sind Sommerferien in Niedersachsen. Für Lehrer ist damit nicht nur eine Zeit der inneren Einkehr, sondern auch eine Zeit des Aufräumens und Ausmistens angebrochen. Wer diesen Job gut macht, bewahrt dabei Brauchbares und lässt manches andere, wie zum Beispiel Sitzpläne, Notenlisten und Klassenarbeiten im Reißwolf verschwinden. Aufgeräumt werden muss auch das dienstliche E-Mail-Postfach, wo unser Autor jetzt noch einen Gottesbeweis gefunden hat.
Es hatte sich im zurückliegenden Schuljahr kurz vor den Osterferien folgendes zugetragen: Am Rande einer Erdkundestunde wurde ich Ohrenzeuge eines Gesprächs zwischen einigen Schülern einer zehnten Klasse. Während einer von ihnen lässig seine Gottlosigkeit bekundete, konfrontierte ihn seine Mitschülerin mit der Aussage, dass im Islam die Existenz Gottes, also Allahs, wissenschaftlich bewiesen sei. So wäre bereits im Koran von Radiopulsaren die Rede gewesen, als der Rest der Menschheit von diesem astronomischen Phänomen noch nichts wissen konnte. Vor 1.400 Jahren habe nur ein Gott diese Kenntnis haben können.
Es war gerade Pause und ich schaltete mich neugierig ins Gespräch ein. Ich wollte mehr wissen und bat um genauere Informationen. In einer E-Mail, die mich schließlich in den Osterferien erreichte, zitierte meine Schülerin aus dem Koran. Es handelt sich um Sure 86 mit den Versen 1 bis 3, hier zitiert aus einer online verfügbaren Koran-Übersetzung:
"Im Namen Allahs, des Allerbarmers, des Barmherzigen.
Beim Himmel und dem Pochenden!
Und was lässt dich wissen, was der Pochende ist?
Es ist der durchbohrend helle Stern."
Meine Schülerin lieferte mir auch eine Übersetzung der zentralen Begriffe, die im arabischen Original vorkommen: "Tarek" – الطَّارِقُ – sei derjenige, der anklopft. Das arabische Wort "Thukb" – ثقب – stünde für ein Loch und "Thakeb" – ثَّاقِبُ – sei derjenige, der ein Loch macht. Der Koran, schlussfolgert meine Schülerin, würde auf Arabisch einen klopfenden Stern beschreiben, der ein Loch macht.
Dann zitierte sie aus einer nicht offengelegten Quelle astronomisches Fachwissen, das an unserer Schule leider nicht unterrichtet wird. Pulsare seien rotierende Neutronensterne, die in ihrer Masse zunehmen und dadurch die Raumzeit krümmen – solange bis ein Punkt erreicht sei, an dem die Verzerrung ein Loch in der Raumzeit verursacht. Durch eine kleine Google-Suche, so meine Schülerin, hätte sie in Erfahrung gebracht, dass der nächste Pulsar etwa 280 Lichtjahre von uns entfernt ist und demnach viel zu weit weg, um ihn mit bloßem Auge sehen zu können. Außerdem sei er nicht im optischen Bereich sichtbar und könne nur mittels Röntgen oder im Radiobereich gefunden werden.
Das ist Astronomen freilich erst in der Gegenwart möglich. Diese hätten ein von besagtem Pulsar ausgehendes Klopfgeräusch aufgezeichnet. Und es sei schon ein großer Zufall, schrieb meine Schülerin, wenn die oben zitierte Koransure nicht einen solchen Pulsar meinen würde. Der Pulsar, war sie überzeugt, ist "At tariq", der Klopfende. Denn wie habe jemand, der vor 1.400 Jahren lebte, wissen können, dass Pulsare Löcher in die Raumzeit bohren? Das könnte nur ein Gott. Demnach müsse er existieren. Quod erat demonstrandum, was zu beweisen war.
Angehängt an ihre E-Mail hatte meine Schülerin eine Audiodatei des klopfenden Pulsars und die schematische Darstellung der Raumzeitverzerrung eines Neutronensterns. Beides habe ich nach kurzer Suche auf einer Website gefunden, die auch die Quelle ihrer Erklärungen ist. Die Seite trägt in der deutschen Variante den Titel "Wunder des Koran", auf Englisch "Miracles of Quran". Es handelt sich um eine wahre Fundgrube putziger Verknüpfungen zwischen wissenschaftlichen Erkenntnissen und ausgesuchten Stellen im Koran. So sei im Koran (Sure 27:88) beispielsweise schon viele Jahrhunderte vor Alfred Wegener die Kontinentaldrift präzise beschrieben worden:
"Du siehst die Berge und denkst, sie seien fest verankert: aber sie entfernen sich, genau wie die Wolken sich entfernen: (das ist) die Kunstfertigkeit Allahs, Der alle Dinge in perfekter Ordnung anordnet: denn Er weiß alles, was du tust."
By the way: Hätte demnach Udo Pollmer mal gründlich den Koran gelesen, hätte er sich nicht die Mühe machen müssen, die Verteilung der Kontinente und Ozeane dadurch zu erklären, dass die Erde aufgegangen wäre wie eine Dampfnudel durch die Hefe. Doch was meint hier der Koran mit den wandernden Bergen? Geographisch liegt es nahe zu vermuten, dass im heiligen Buch einer Religion, die in der Wüste ihren Ursprung hat, von riesigen Sanddünen gesprochen wird, die bekanntlich wandern können.
Aber was antwortet man als Pädagoge einer Schülerin, die mit ehrlichem Erkenntnisinteresse nach Beweisen für die Existenz des Gottes sucht, an den zu glauben man ihr seit früher Kindheit an beigebracht hat? Einer Schülerin, die weit davon entfernt ist, eine gefährliche Lesart des Islams zu vertreten, wie sie etwa von sogenannten TikTok-Imamen gepredigt wird? Einer Schülerin, die einfach nur einer außergewöhnlichen Behauptung auf den Leim gegangen ist, so wie es auch Leuten ergeht, die Globuli für wirksam halten oder während einer Schlaflähmung eine Entführung durch Aliens herbeiphantasieren?
Die Antwort des Lehrers
Erstens: Können die Astronomen der NASA ein Klopfen hören? Im Vakuum können keine Schallwellen übertragen werden. Im Weltraum hört man nichts. Die Geräusche sind Ergebnis einer akustischen Übersetzung der Radiowellen in von Menschen hörbare Schallwellen. Das vermeintliche Klopfen des Radiopulsars ist menschlich erzeugt und man könnte es sicherlich auch anders klingen lassen. Von einem Pulsar wird im Koran eher nicht die Rede sein. Falls in der zitierten Sure aber dennoch ein Stern gemeint sein sollte, dann wäre denkbar, dass die Verfasser des Korans ganz einfach den Nachthimmel beobachtet haben. Der Stern Omikron Ceti zum Beispiel (genannt Mira, "die Wundersame") verändert seine Helligkeit in regelmäßigen Abständen und ist zeitweise mit bloßem Auge sichtbar.
Zweitens: Ist in der Sure überhaupt von einem Stern die Rede? Oder ist der "helle Stern" metaphorisch gemeint und steht für eine Person, die weise ist, die die Lehre kennt, die erleuchtet ist, die also im übertragenen Sinne hell leuchtet und den Weg weist? Licht, Leuchten und Erleuchtung sind in den Religionen kein ungewöhnliches Motiv. Es geht vielleicht um Weisheit. Was ist, wenn ein weiser Mann an die Tür klopft? Was ist, wenn ein weiser Mann, der einen Ort besucht hat, wieder aufbricht? Hinterlässt er dann nicht eine Leere, gewissermaßen ein Loch? Und reden wir nicht auch heute von Stars und Sternchen, meinen damit aber Hollywood-Schaupieler und Dschungelcamp-Bewohner?
Drittens: Ich habe in meiner langjährigen Beschäftigung mit den Religionen verstanden, dass man die heiligen Texte in weiten Strecken nicht wörtlich nehmen kann. Das tun nur zwei Gruppen von Menschen. Zum einen sind das religiöse Fundamentalisten, die zum Beispiel meinen, die Evolutionstheorie sei falsch (Kreationismus) oder die mit ihren heiligen Schriften Mord und Totschlag rechtfertigen. Und zum anderen sind das Religionskritiker und Atheisten, die den Gläubigen vorführen wollen, welchen Blödsinn sie eigentlich glauben. Ich kann mich davon auch nicht ganz freisprechen.
Viertens: Dabei wurde die Bibel selbst im als finster geltenden Mittelalter nicht wörtlich verstanden, sondern allegorisch. Der frühere Verfechter und spätere Kritiker eines naturalistischen Weltbildes Andreas Müller, der zur Zeit des Neuen Atheismus auch für den Humanistischen Pressedienst aktiv war, beschäftigt sich seit einiger Zeit unter anderem mit historischen Mythen. Er hat die Erzählung von der Finsternis des Mittelalters sehr überzeugend in einem Video auseinandergenommen. Ich bin bereit zu glauben, dass das im Islam, so wie ihn die meisten Muslime leben, nicht viel anders ist. Ich kann nur dafür plädieren, religiöse Schriften nicht wörtlich zu nehmen. Das gilt nicht nur für Passagen, die zu Gewalt aufrufen, sondern auch für vermeintlich wissenschaftliche Aussagen.
Ich habe die Antwort an meine Schülerin für diesen Artikel noch etwas angereichert. Sie sagte mir nach den Osterferien übrigens, dass sie meine Überlegungen für plausibel hält. Wenn Schüler die Ausführungen ihrer Lehrer für plausibel halten, dann darf man sich auf die Schulter klopfen. Das heißt nämlich, dass sie prüfen, was man ihnen erzählt. Auf Plausibilität sollten sie aber auch das checken, was sie im Internet so alles finden. Denn dort gibt es mächtig viel Bullshit.
18 Kommentare
Kommentare
A.S. am Permanenter Link
Bei Religion geht es, wie eigentlich immer, um Macht und Geld. Entsprechend viel Aufwand wird getrieben, pro-religiöse Falschinformation zu kreieren.
Wo Menschen zusammen leben, geht es so gut wie immer um Macht und Geld. Interessant sind die Verkleidungen, in denen uns Macht- und Geldgier begegnen.
Die eine Verkleidung ist "für Gott", aber in Wirklichkeit geht es um diesseitige Macht und diesseitiges Geld für die Gottesverkünder.
Aus aktuellem Anlass: Auch bei Fußball geht es um Macht und Geld. Zum einen für die Spieler (Gehälter, Macht über den Gegner auf dem Platz) und zum anderen für die Fußballfunktionäre (Gehälter, Macht über den Apparat FIFA und UEFA).
Das Beispiel aus dem Artikel zeigt, wie um religiöser Macht willen wild in "heilige" Texte hinein interpretiert wird.
Klaus Bernd am Permanenter Link
auch von mir ein klopf klopf auf Schulter !-)
Lutz Hertel am Permanenter Link
Lieber Andreas Dietz,
ich möchte mich bei Ihnen für diesen schönen Beitrag bedanken und dafür, dass Sie im Lehrdienst sind und so denken, fühlen und handeln, wie es an dieser kleinen Begebenheit aus Ihrem beruflichen Alltag erkennbar ist. Danke!
adam sedgwick am Permanenter Link
Hpd Religion und Erkenntnis vom 1.7.2024
Nun zur Schülerin und ihrem Glauben. Man darf ihr den Glauben nicht ausreden, wenn sie sich darin aufgehoben fühlt, kann man das vollkommen in Ordnung finden. Auch im Christentum gibt es in der Bibel Betrachtungen zur Entstehung des Lebens und der besonderen Rolle des Menschen. Die modernen Astrophysiker bestätigen ja die Beschreibung zur Entstehung des Universums, und der Erde in vielen Punkten. Dabei sollte man gelassen sein und mehr den positiven Aspekt der Schöpfungsgeschichte sehen. Da haben sich Menschen vor circa 3000 Jahren intuitiv Gedanken zur Entwicklung des Universums gemacht, die gar nicht so falsch sind, und in eine Schöpfungsgeschichte gepackt, auch literarisch gesehen ist es eine schöne Geschichte. Später gab es ja weitere solche intuitiven, heute als vernünftige deduktive Betrachtungen bewertet, zu diesem Thema von Giordano Bruno (1548-1600) und William Herschel (1738-1822).
Ich denke, dass die Religion, welche auch immer, in erster Linie Gefühle des Menschen akzeptiert und auch diese auch bedient. Nun leben wir in einer rationalen und technischen Welt, und die Lücke, die die „gefühlsfreie“ Welt hinterlässt, füllt sich zum großen Teil mit rechtsextremen Gedanken und gefühlsbeladenen Ideologien auf. Die weltweit um sich greifende faschistoide Gedankenwelt ist nun „weiß Gott“ (wenn ich das mal so sagen darf) keine, auf jeden Fall die falsche, Alternative zu einer fehlenden Religion. Interessant ist ja die weltweite Ausbreitung erzkonservativer, vor allem gefühlsbetonter Weltanschauungen. Die Kantsche Aufforderung, seinen Mut zusammenzureißen und sich seines eigenen Verstandes zu bedienen, kommt nicht mehr bei den meisten Menschen an, sie sind somit recht mutlos geworden, schade.
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
@ adam sedgwick: was Giordano Bruno betrifft, so wurde dieser von der heiligen Inquisition
als Ketzer auf dem Scheiterhaufen verbrannt.
Als Alternative zu Religion und Rechtsradikalismus sehe ich nur, gelebten Humanismus und
damit die Erkenntnis der Realität auf unserem Planeten und das endliche Leben aller Lebewesens, ob Pflanze, Tier oder Mensch, sowie deren ständige Reproduktion, ohne sterben gibt es kein weiterleben, alles andere ist wiederum nur Wunschdenken.
Alles was heute lebt, lebt nur weil weil es Nachkommen von verstorbenen Leben sind u.s.w.
adam sedgwick am Permanenter Link
Ja, der gute Giordano Bruno wurde als Ketzer in Rom verbrannt. Eine immer noch unverzeihliche brutale Tat, die bis heute die katholische Kirche ins ethische Abseits gebracht hat.
Ich habe Giordano wegen seiner genialen wissenschaftlichen Intuition erwähnt, ebenso wie Wilhelm Herschel, man Immanuel Kant dazu erwähnen.
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
@ adam sedgwick: Gibt es in meinem Antwortkommentar nicht noch einen weitern, bemerkenswerten Aspekt? ausser den gewaltsamen Tod eines der klügsten Menschen seiner Zeit.
Falk Alexander am Permanenter Link
Als Lehrer sollte er seine Schüler dazu motivieren, ihren Glauben zu hinterfragen und das System dahinter zu erkennen - keinesfalls der Religion überlassen.
Und, ehrlich gesagt, die Schöpfungsgeschichte ist alles andere als eine literarisch schöne Geschichte. Zusammengewürfelt, ideologisch, mehr Fragen als Antworten. In der Bronzezeit vielleicht noch nachvollziehbar, für die Neuzeit unbrauchbar.
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Je mehr WISSEN ein Mensch sich aneignet, desto weniger Religion und GLAUBE braucht er!
Roland Fakler am Permanenter Link
Dem Allmächtigen würde ich empfehlen, sich überzeugendere Auftritte zu überlegen als in einer Ecke des Weltalls Knackgeräusche zu produzieren, während seine missratenen Geschöpfe sich im Streit um seine Existenz die K
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
So wie Du es sagst, die Dummheit der Menschen ist grenzenlos, sie schlagen sich gegenseitig die Köpfe ein für ein von Menschen erfundenes Geisteswesen und erkennen nicht wie einzigartig das Leben auf unserem wundersch
Wir sitzen alle im gleichen Boot und jeder rudert in eine andere Richtung, so kommen wir NIE
ans Ziel, welches das zusammenleben der gesamten Menschheit in Frieden und Vernunft ohne ein ausgedachtes Überwesen wäre.
Dies wäre der Sinn des Daseins von Leben in unserem Universum in dem Wissen, daß jedes
Lebewesen einmal auch sterben muß um Platz für neues Leben zu machen!
==warrior_of_re... am Permanenter Link
Sie behaupten, die Bibel und folglich auch der Koran würden in der Regel nicht wörtlich verstanden. Handelt es sich hier nicht um eine Überkorrektur?
Im 19. Jahrhundert wurde als Trotzreaktion auf die historisch-kritische Methode die Irrtumslosigkeit der Bibel propagiert. Dies war Teil des sogenannten Fundamentalismus, der in den USA noch für die Vierte Erwechsungsbewegung der 60er und 70er Jahre wichtig war. Dort dürften viele Atheisten noch Prediger erlebt haben, die stolz behaupten: "Ich glaube, dass die Bibel das Wort Gottes ist, und dass jedes einzelne Wort darin wahr ist." Da ist es nicht verwunderlich, dass sie annehmen, mittelalterliche Theologe hätten ähnlich gedacht.
Dies kann man zurecht bemängeln, ohne den folgenden Thesen zuzustimmen:
1) Nicht wörtlich verstanden wurde die Bibel an denselben Stellen und in ähnlichem Außmaß wie heute. (Die wissenschaftliche Erforschung der Bibel war also keine Revolution, bei der unzählige Traditionen infrage gestellt wurden. Auch dass verschiedene Bibelübersetzungen schon in der Reformation eine Bedrohung für alte Dogen darstellten, ist unwichtig. Dass man solche Probleme viel eher übersehen würde, solange einzelne Bibeln Luxusgüter blieben, ist schlicht falsch.)
2) Die Ansichten bekannter Theologen bestimmten die Glaubenspraxis der einfachen Leute. (Die katholische Auseinandersetzung zwischen ultramontaner Volksfrömmigkeit und akademischer orienten liberalen Theologen von ca. 1800-1960 beruhte also auf einem Missverständnis.)
3) Koran und Bibel wurden stets mit vergleichbaren Methoden ausgelegt (obwohl Allah den Koran wörtlich diktiert haben soll).
Andreas Dietz am Permanenter Link
Da ist keine Überkorrektur. Dass Fundamentalisten ihre religiösen Texte wörtlich verstehen (z.B. Kreationismus oder Rechtfertigung von Gewalt), habe ich geschrieben.
==warrior_of_re... am Permanenter Link
Da haben Sie mich wohl falsch verstanden.
An der Überkorrektur-These halte ich fest. Mir missfällt auch, konservative
Gläubige als fundamentalisch abzustempeln und zu suggerieren diese verstünden
ihre heiligen Schriften einfach falsch (die Diskussion gab es im Zusammenhang
mit ISIS schon mal). Der Diskurs entwickelt sich zurück.
Auch strenggläubige Anhänger verhasster Konfessionen nehmen die Bibel nur
selten wörtlich (weshalb dieser Pauschalvorwurf nicht überzeugt), sie betonen
lediglich Stellen die manchen Leuten nicht passen. Nach Bedarf kann man ja auch
verschiedene Massstäbe kombinieren, wie es z.B. Luther meisterhaft vorgemacht
hat. Er hat selbst im Neuen Testament ganze Bücher als unglaubwürdig oder
sogar wertlos verworfen, was natürlich nicht heißt, dass er die Bibel nicht
ernst nahm. Jedenfalls hat ihn seine große Gelehrsamkeit nicht daran gehindert,
an Adam und Eva, die Existenz von Hexen und ein nahendes Weltende zu glauben.
Andreas Dietz am Permanenter Link
Ich habe konservative Gläubige nicht als Fundamentalisten abgestempelt. So etwas liegt mir fern.
Andreas Dietz am Permanenter Link
Mit Blick auf den Islam schrieb ich: "bin bereit zu glauben". Das ist eine Bereitschaft, denen Glauben zu schenken, die eine liberale Lesart des Islams vertreten und z.B.
Horst Baumgartner am Permanenter Link
Das mit dem nicht wörtlich nehmen ist schwierig, nicht für mich, sondern für Despoten und andere.
Wenn man sich die Geschichte der Menschheit anschaut, kann man drauf kommen, daß Diktatoren die Heiligen Schriften als Betriebsanleitung zur Hand nehmen.
Der Satz: "Dabei wurde die Bibel selbst im als finster geltenden Mittelalter nicht wörtlich verstanden, sondern allegorisch"
Stimmt so nur teilweise.
Gewaltsame Missionierung wie unter Karl dem Grossen, die Kreuzzüge, die Glaubenskriege in Europa, Balkankriege, in Nordirland lodert es auch wieder. Wurde, wird wortwörtlich genommen.
Die Fundis der USA lässt schlimmes erahnen, der aufkommende Faschismus in Europa auch.
Allegorisch kann immer alles verklärt werden, um Kritiker einzulullun, blutrünstige Texte, Befehl zu Genozid zu verharmlosen.
==warrior_of_re... am Permanenter Link
Es besteht gar kein Widerpruch dazwischen, die Bibel allegorischer/symbolisch
zu interpretieren und wörtlich zu nehmen!
Typisch für altmodische katholische Predigten ist z.B., dass nach der Lesung
aus dem Leben Jesu in der folgenden Predigt alle seine Handlungen mit einer
symbolischen Bedeutung versehen werden. Das letzte Abendmahl z.B. wird auch von
liberalen Christen so verstanden. Man kann Allegorien verwenden, Parallelen zum
alten Testament ziehen (z.B. zu Melchisedech, dessen Priestertum auf Jesus
hindeutet), Bezüge zum Alltag herstellen. Und nichts davon setzt voraus, dass
man die Wahrhaftigkeit der jeweiligen Bibelerzählung anzweifelt.
Wenn er nicht danach sucht, werden einem Geistlichem genauso wie den meisten
Gläubigen die Widersprüche der Bibel kaum auffallen. Und warum soll er suchen?
Selbst wenn er etwas findet, wird ihn das nicht beirren, denn der Wert der
Heiligen Schrift steht ja grundsätzlich gar nicht in Frage.
Und so konnte man gut leben, bis man die Geschichtsforschung zu ernst genommen
hat. Man erkannte dann langsam, wie problematisch Übersetzungen sein konnten,
dass die Evangelisten wirklich unterschiedliche Jesusbilder hatten usw. Man
hatte ohnehin eine andere Weltsicht als heute: Die Wunder Jesu waren gar nicht
peinlich, sondern ein Beweis (auch für die Heiden) dass er der Sohn Gottes war.
Und warum sollte man an Adam und Eva zweifeln, ohne Evolutionstheorie und
Genetik? Sie taugen auch als Beispiel für eine wörtliche Interpretation: Ohne
ihre Vertreibung aus dem Paradies gibt es nämlich keine Erbsünde, und Jesus
(der "neue Adam") ist umsonst gestorben, anstatt die Menschheit zu erlösen...