Kein Kruzifix in der Schule

Schon wieder ein Kruzifix-Urteil. Und schon wieder aus Bayern. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat entschieden, dass ein im Eingangsbereich eines Gymnasiums hängendes Kruzifix dort nicht bleiben darf. Die Regierung aus CSU und Freien Wählern bringt das erwartungsgemäß auf die Palme.

Es geht um ein  Kruzifix in einem Gymnasium im oberbayerischen Wolnzach. Dort hängt das 1,50 Meter hohe Kreuz mit einer 30 cm hohen und 25 cm breiten Darstellung des gekreuzigten Christus (Kruzifix) im Haupteingangsbereich der Schule. Zwei Schülerinnen, die mittlerweile das Gymnasium mit dem Abitur verlassen haben, beantragten noch während ihrer Schulzeit die Entfernung des Kruzifix. Nachdem die Schule dem Wunsch nicht nachgekommen war, erhoben die jungen Frauen mit finanzieller und organisatorischer Unterstützung des Bundes für Geistesfreiheit (bfg) Augsburg Klage beim Verwaltungsgericht München. In der zweiten Instanz stellte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof nun jedoch fest, dass die Schule verpflichtet gewesen wäre, das Kruzifix zu entfernen.

Die Richter sahen in der Konfrontation mit dem Kruzifix als religiösem Symbol einen Eingriff in die verfassungsrechtlich verbürgte negative Glaubensfreiheit. Die Schülerinnen seien wegen der Schulpflicht zwangsweise und immer wiederkehrend sowie im Hinblick auf dessen Positionierung ohne (zumutbare) Ausweichmöglichkeit mit dem Kruzifix konfrontiert  gewesen. Das groß dimensionierte Kruzifix sei an einer sehr exponierten Stelle angebracht und "zeichnet sich durch eine figurenhafte Darstellung des Leichnams Jesu aus", so die Richter.

Da es hier um eine Schule ging, konnte der ohnehin umstrittene bayerische Kreuzerlass keine Rechtsgrundlage dafür sein, dass das Kruzifix in dem Gymnasium hing. Nach der Regelung aus dem Jahr 2018 ist in Bayern "im Eingangsbereich eines jeden Dienstgebäudes als Ausdruck der geschichtlichen und kulturellen Prägung Bayerns gut sichtbar ein Kreuz anzubringen".

Das Bundesverwaltungsgericht hatte 2023 entschieden, der Kreuzerlass sei rechtmäßig, jedoch liegt der Fall noch beim Bundesverfassungsgericht. Der hpd hat darüber zuletzt hier berichtet.

Klaus Holetschek, CSU-Fraktionschef im bayerischen Landtag, sagte zu dem aktuellen Richterspruch zwar, Gerichtsentscheidungen seien zu respektieren. Er bedauerte den Richterspruch jedoch, denn "das Kreuz steht nicht nur für den christlichen Glauben, sondern auch für Werte wie Nächstenliebe, Barmherzigkeit und Verantwortung füreinander."

Auch Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) sprach von einem "bedauerlichen" Urteil. Es sei aber keine Grundsatzentscheidung, sondern ein Einzelfallurteil. Den "Kreuzerlass" der Staatsregierung betreffe dies nicht. "Das Kreuz ist ein Zeichen unserer kulturellen und historischen Prägung." Als es kürzlich um das umstrittene Kreuz in der bayerischen Staatskanzlei ging, hatte Herrmann noch anders, nämlich auch religiös, argumentiert und gesagt: "Das Kreuz ist Symbol des Friedens und in der christlichen Theologie eng verknüpft mit Schuld, Sühne und Versöhnung."

Gerade diese christliche Perspektive ist Stein des Anstoßes für den Widerstand gegen Kreuze und Kruzifixe, ob sie nun in Schulen oder Amtsstuben hängen. Kirsten Wiese, Professorin von der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) Hamburg, hat diesen Gedanken mit Blick auf Kreuze in bayerischen Amtsstuben im Grundrechte-Report 2025 so eingeordnet und erklärt: "Indem der bayerische Staat seinen Behörden für alle sichtbare Kreuze verordnet, erweckt er zumindest den Anschein einer Nähe zum Christentum und einer Distanz zu anderen Religionen, Weltanschauungen und Kulturen. Selbst wenn das Christentum Teil der bayerischen Kultur sein sollte, betont die Landesregierung mit dem Kreuz als ursprünglich christlichem Symbol ausschließlich den christlichen Aspekt dieser Kultur. Damit nimmt sie in Kauf, dass Anders- und Nichtgläubige sich im Land weniger willkommen fühlen. Das aber widerspricht dem Gleichbehandlungsgrundsatz gegenüber allen Religionen und Weltanschauungen."

Entsprechend argumentierte auch die Grünen-Landeschefin Gisela Sengl mit Blick auf den aktuellen Richterspruch: "Unsere Verfassung sichert jedem Menschen die Freiheit zu, selbst zu entscheiden, ob und an was er glaubt." Religion sei etwas sehr Persönliches und für viele Menschen sehr Schönes. "Umso schlimmer ist, wie Markus Söder so ein wichtiges Symbol wie das christliche Kreuz für seinen Kulturkampf missbraucht." Statt offen für alle in Bayern zu sein, spalte und provoziere er. "Es ist richtig, dass das Gericht dem jetzt einen Riegel vorgeschoben und eine klare Grenze formuliert hat."

Nun hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in dem aktuellen Fall entschieden, dass die Schule in der Zeit, als die Klägerinnen das Gymnasium besuchten, verpflichtet gewesen wäre, das Kruzifix abzuhängen. Nun besuchen aber die beiden Frauen die Schule längst nicht mehr. So lange es keinen weiteren Widerstand gibt, könnte sich die Schule auf den Standpunkt stellen, das Kruzifix nun weiter dort zu belassen, wo es nun mal hängt. Walter Guggemos, Vorsitzender des Bundes für Geistesfreiheit Augsburg, der die Kosten für Rechtsbeistand und Gerichtsgebühren in dem Fall übernommen hatte, sagt dazu: 

"Den Schülerinnen wurde während ihrer Schulzeit das Abhängen des Kreuzes zu Unrecht verweigert. Daher wäre es unseres Erachtens eine gute menschliche Geste und auch eine Art von Entschuldigung, wenn die Schule sich nun zu einem Abhängen des Kreuzes durchringen würde. Das Urteil hat klar festgestellt, dass das groß und zentral im Eingangsbereich platzierte Kreuz das Grundrecht der Klägerin auf negative Religionsfreiheit verletzt hat. Ein erheblicher Teil der Bevölkerung gehört heute keiner christlichen Kirche mehr an oder ordnet sich keiner Religion zu. Auch am Hallertau-Gymnasium in Wolnzach gibt es zahlreiche Schülerinnen und Schüler, die keiner christlichen Religionsgemeinschaft angehören. Es ist daher davon auszugehen, dass es weiterhin Schülerinnen und Schüler gibt – und künftig geben wird –, deren Recht auf Glaubens- und Gewissensfreiheit durch ein solches Kreuz beeinträchtigt wird. Vor dem Hintergrund der bereits dokumentierten Diskriminierungserfahrungen sowie des sozialen Drucks, der in solchen Fällen entstehen kann, ist es für Betroffene kaum zumutbar, ihre Rechte individuell über Jahre hinweg vor Gericht durchzusetzen – wie es in diesem Fall in einem über neun Jahre dauernden Verfahren notwendig war."

Mit einem zweiten Teil ihrer Klage sind die Schülerinnen allerdings vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof gescheitert. Sie hatten sich gegen die Anordnung des Schulleiters gewehrt, bei Nichtteilnahme an Schulgottesdiensten einen Alternativunterricht besuchen zu müssen, der sich unter anderem mit allgemeinen Themen aus dem Fach Ethik befasste. Die Pflicht zur Teilnahme am Alternativunterricht erachtete der Bayerische Verwaltungsgerichtshof als rechtmäßig. Zwar könne der Besuch von Schulgottesdiensten den Schülerinnen und Schülern nicht vorgeschrieben werden. Dies ergebe sich aus der verfassungsrechtlich gebotenen Freiwilligkeit des Besuchs. Daraus könne jedoch kein Anspruch abgeleitet werden, für die Dauer des Schulgottesdienstes vom Unterricht befreit zu werden. Die Schülerinnen seien auch nicht (indirekt) durch die Pflicht zur Teilnahme am Alternativunterricht zum Besuch des Schulgottesdienstes angehalten worden. Durch den Alternativunterricht werde vielmehr eine Gleichbehandlung aller Schülerinnen und Schüler sichergestellt.„

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