Europawahl 2014

Warum ist Europa wichtig? (6)

Die Niederlande haben sich dagegen gewehrt und der HV hat deutlich gemacht, dass eine solche Verdrehung unsinnig und unmoralisch ist. Wir probieren, niederländische VertreterInnen in europäischen und weiteren internationelen Organisationen und Gremien aufzufordern, sich für die Freiheit der Meinungsäußerung einzusetzen, auch wenn es um die Kritik an religiösen Praktiven und Überzeugungen geht.

Aktive Sterbehilfe ist in den Niederlanden unter anderem durch unsere Aktivitäten unter bestimmten Bedingungen und mit hohen Sorgfaltspflichten erlaubt. Momentan wird diskutiert, ob auch Personen ohne Gesundheitsprobleme, die nicht mehr leben wollen, sowie Jugendliche und Kinder dazu Zugang erhalten sollten.

Der HV findet Selbstbestimmung so wichtig, dass auch Erwachsene ohne ernste Krankheiten auf Wunsch ihr Leben würdevoll beenden können sollen. Die Diskussion zum selbstbestimmten Lebensende von Minderjährigen regen wir zwar an, sind aber noch zurückhaltend dabei, dies ein Recht zu nennen.

Das ganze Thema selbstbestimmtes Sterben ist für viele europäische Humanisten sehr wichtig, da es in ihren Länden dazu keine Möglichkeiten, sondern Strafen gibt. Der HV arbeitet innerhalb der EHF mit den entsprechenden humanistischen Orgsanisationen zusammen, um die Diskussionen in ihren Ländern voranzubringen.

 

Welche Möglichkeiten nutzen Sie, sich für ein säkulares Europa einzusetzen?

Wir betrachten die Gleichbehandlung von religiösen und weltanschaulichen Organisationen als einen wichtigen humanistischen Wert in einem neutralen Europa und seinen neutralen Mitgliedsstaaten. Wir nutzen unsere politischen Kontakte in den Niederlanden und in Europa, um sie für den Einsatz für ein säkulares Europa zu überzeugen. Dabei geht es natürlich auch um Kontakte zu Gleichgesinnten, wie beispielsweise mit der Europa-Abgeordneten Sophie in ’t Veld von der Europäischen Plattform für Säkularismus in der Politik (EPPSP).

 

Wer unterstützt Ihre Aktivitäten; bestimmte Gremien, Netzwerke oder Parteien?

Für den HV ist der Europarat in Straßburg recht wichtig. Dort versteht man sich als Hüterin europäischer Werte und entwirft Verträge zu Menschenrechten, beispielsweise den Europäischen Vertrag für Menschenrechte und das Europäische Sozialcharta. In diesem Vertrag des Europarates geht es zum Beispiel um das Recht auf Arbeit und auf menschenwürdige Arbeitsbedingungen.

Bemerkenswerterweise hat die EU beide noch nicht unterschrieben, sondern nur ihre Mitgliedsstaaten. Zum Glück hat der Europarat die Charta der Grundrechts der EU beschlossen und sich vorgenommen, den Europäischen Vertrag für Menschenrechte zu unterzeichnen.

Da der HV findet, dass die EU an Menschenrechtsverträge gebunden sein sollte, verfolgt er diese Entwicklungen sehr genau. Wir pflegen hierzu engen Kontakt mit der International Humanist and Ethical Union (IHEU), die vom Europarat und von der UNO als NGO anerkannt wird.

 

Und auf der Gegenseite, wer behindert Ihre Arbeit? Hauptsächlich Kirchenvertreter, die sich europaweit organiseren?

Die Gegenseite besteht meist aus den Kirchen. Wenn sie eine Politik anregen, die die Menschenwürde bedroht oder wenn sie Regelungen initiieren oder bekräftigen, die das individuelle Selbstbestimmungsrecht einschränken, wird der HV diese mit aller Kraft verteidigen. Das gilt aber auch für die Aktivitäten nicht-konfessioneller Organisationen insachen Menschenrechtsverletzungen und Diskriminierung.

Die Römisch-katholische Kirche hat sein sehr aktives European Centre for Law and Justice, das den Europarat beeinflusst. Dagegen müssen auch wir lauter werden.
Um die humanstische Stimme europaweit zu kräftigen, ist eine verstärkte Zusammenarbeit humanistischer Organisationen nötig.

 

Wie schätzen Sie die aktuellen Entwicklungen für ein selbstbestimmtes Europa ein?

Ich bin optimistisch und erwarte eine Form des Zusammenlebens, die immer mehr auf humanistischen Werten beruht. Aber ich erwarte nicht, dass das schnell passieren wird. Es wird Millimeterarbeit sein. Aber jeder Millimeter in Richtung zu mehr Menschenwürde ist wichtig.

 

Warum ist es wichtig, bei der Europawahl am 25. Mai abstimmen zu gehen?

Die EU bestimmt unser Leben in zunehmendem Maße. Sie verabschiedet Richtlinien, an die wir uns halten müsssen und viele Maßnahmen der EU-Länder geschehen zur Umsetzung von Beschlüssen aus “Brüssel”. Bei der Entscheidungsfindung in Brüssel spielt das Europäische Parlament in Straßburg aber eine wichtige Rolle. Wir müssen uns deshalb für die Wahl von Abgeordneten einsetzen, die unsere Auffasungen teilen und ihnen Gehör verschaffen können.

Wenn wir nicht zur Wahl gehen, wird unsere Stimme nicht gehört und kann auch nicht bis zu europäischen Entscheidungen durchdringen.

 

Außer zur Wahl zu gehen, wie kann man sich sonst für ein säkulkares Europa einsetzen?

Aktives Mitglied einer humanistischen Organisation werden.

 

Das Interview führte Corinna Gekeler

 
Bislang in der Interview-Serie zur Europawahl erschienen:

Sophie in ´t Veld: Europa-Abgeordnete der niederländischen linksliberalen D66 und Vorsitzende der Europäischen Plattform für Säkularismus in der Politik (EPPSP)

Dr. Margret Steffen: Gewerkschaftssekretärin für Gesundheitspolitik in der ver.di-Bundesverwaltung und Expertin für gewerkschaftliche Europapolitik

Werner Hager: Sprecher der Säkularen Grünen NRW, der sich insbesondere mit Europapolitik befasst

Elfriede Harth: Katholische Feministin, die sich für sexuelle und reproduktive Selbstbestimmung engagiert

Conny Reuter: Generalsekretär von SOLIDAR, Co-Präsident der Liasion-Gruppe der europäischen Netzwerke beim Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss  und bis 2013 Präsident der Europäischen Sozialplattform.