Der schöne Schein

Wo der Geist des Herrn ist, ist Freiheit

So lautet der Wahlspruch, den sich Marx 1996 bei seiner Bischofsweihe als Motto für den Dienst als Bischof aussuchte.[1] Ein Spruch, der – wie Marx selbst – zunächst ganz nett und keiner Aufregung wert scheint. Aber Marx’ Auslegung dieses Lebensmottos hat es in sich: “Freiheit heißt nicht: Ich kann machen, was ich will. Sondern es bedeutet, dass sich jemand in Freiheit in die Arme Gottes hineinwirft. Dadurch kann der Mensch Vollendung erreichen.” Da die Vollendung des Menschen nur in Gott möglich ist, ist Religion für Marx eben auch keine Privatsache. Vielmehr sei sie eine öffentliche Angelegenheit, weil Religion zu den Grundlagen von Staat und Gesellschaft beitrüge, sagte Marx 2009 im Bayerischen Landtag.

Proteste während der Bischofskonferenz

Dass die neue Weltoffenheit und Freundlichkeit der katholischen Kirche in der Tat nur eine Fassade ist, hinter der es nach wie vor mittelalterlich zugeht, zeigte sich denn auch anschaulich während der Bischofskonferenz in Münster.

Die Sterbehilfe wurde – wieder einmal – kategorisch abgelehnt, der Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen in der Gemeinde sowie im kirchlichen Arbeitsrecht wurde – wieder einmal – vertagt und zudem hatte man als Gast den nigerianischen Kardinal John Onaiyekan eingeladen. Erst im Januar hatte die nigerianische Regierung ein Gesetz beschlossen, das homosexuelle Handlungen, ihre Unterstützung sowie gleichgeschlechtliche Ehen unter Strafe stellt. Bis zu 14 Jahre Gefängnishaft sind in dem afrikanischen Land nun für gelebte Homosexualität möglich.

Nigerianischen Zeitungen zufolge hatte Kardinal Onaiyekan dieses Gesetzesvorhaben unterstützt und war dafür in westlichen Medien scharf kritisiert worden. Gegen die Haltung des nigerianischen Kardinals und seine Einladung zur Bischofskonferenz demonstrierten am 13. März rund 100 Menschen mit einem schwul-lesbischen Kiss-in vor dem Veranstaltungsort der Konferenz. “Dieser Bischof trägt maßgeblich dazu bei, dass die Situation von Lesben und Schwulen in Nigeria noch unerträglicher ist”, erklärte Ulrich Besting von der münsterschen Aids-Hilfe hierzu. “Es gib regelrechte Hetzjagden, Inhaftierungen und Folterungen.”

“Viel zu lange haben Homosexuelle mit ihrem üblen Glauben die Welt als Geisel genommen”, sagte Onaiyekan noch im Januar der nigerianischen Zeitung PM News. Angesichts des medialen Gegenwinds in Deutschland dementierte er auf der Pressekonferenz während der Demonstration in Münster, dass er für eine Strafverfolgung von Homosexuellen sei. Gutheißen wolle er gelebte Homosexualität allerdings nicht und auch seine Ansicht zur gleichgeschlechtlichen Ehe ist unmissverständlich: “Von Beginn an hat Gott Mann und Frau erschaffen, um Kinder zu zeugen. Kein Gesetz kann das ändern. Wenn es zwei Männern jetzt erlaubt ist, einander zu heiraten, soll keiner erwarten, dass die Kirche das akzeptiert.” Im Übrigen sei es zu dem diskriminierenden Gesetz gegen Homosexuelle in Nigeria sowieso nur gekommen, weil das Land “von internationalen Homo-Gruppen genötigt worden sei, die gleichgeschlechtliche Ehe zu erlauben”.

Wo der Geist des Herrn ist, ist eben Freiheit.

 

Daniela Wakonigg

 

Dieser Artikel erschien zuerst in der Zeitschrift MIZ 1/14.


  1. Marx wählte die lateinische Version als Bischofsspruch: Ubi spiritus domini ibi libertas (2 Kor 3,17).  ↩