Hessen

Gericht erlaubt "Lebensschützer"-Demos vor Beratungsstelle

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Sogenannte "Lebensschützer" demonstrieren mit solchen und ähnlichen Bildern regelmäßig überall in Deutschland.

Ein Rückschlag für das Selbstbestimmungsrecht von Frauen: In Hessen dürfen selbsternannte Lebensschützer wieder Mahnwachen und andere Kundgebungen im nahen Umfeld von Beratungsstellen für ungewollt Schwangere abhalten. Dies entschied der Hessische Verwaltungsgerichtshof (VGH).

Der Hessische Verwaltungsgerichtshof (VGH) verwies zur Begründung seiner Entscheidung vom 18. März 2022 auf die Versammlungsfreiheit, obwohl Beratungsstellen solche "Gebetsmahnwachen" aufgrund des psychischen Drucks auf die Ratsuchenden scharf kritisieren. Im vorliegenden Fall wollte die Stadt Frankfurt eine 40-tägige Demonstration während der Öffnungszeiten der Beratungsstelle an einen anderen Ort verlegen, hatte damit jedoch bereits Anfang März vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt eine Niederlage erlitten.

Der Ort des Geschehens, eine Schwangeren-Konfliktberatung der Einrichtung pro familia, ist seit Jahren Zielscheibe von Gebetsmahnwachen christlich motivierter Abtreibungsgegner. Bereits 2018 hatte die Geschäftsführerin Claudia Hohmann die Störungen gegenüber der Frankfurter Neuen Presse als"entsetzlich" und "nicht lustig" beschrieben. Zwischen vier und vierzehn Protestierende stünden täglich zwischen 9 und 15 Uhr in 15 Metern Entfernung von dem Gebäude, zeigten Plakate mit Bildern von Föten und Sprüchen wie "Ich bin für das Leben". Ihre Gesänge und Gebetslieder seien auch in den Beratungsgesprächen zu hören – störend, bisweilen traumatisierend für die ratsuchenden Frauen, so Hohmann. Deshalb hatte pro-familia-Landesgeschäftsführerin Brigitte Ott bereits damals eine Verlegung der Demonstrationen aus dem Umfeld der Beratungsstelle gefordert.

Einen Fortschritt gab es im Jahr 2019, als das Hessische Innenministerium Mahnwachen und Demonstrationen im Umfeld von Schwangeren-Beratungsstellen verbot. Die schwammigen Formulierungen ließen jedoch viel Raum für eine großzügige Auslegung des Verbots.

Aktuell hatte eine Gruppierung eine 40-tägige "Gebetsmahnwache" mit täglich zwei bis zehn Personen in einer Entfernung von 30 bis 35 Metern von der Beratungsstelle angemeldet – nach Ansicht des VGH ein durchaus legitimer Ort für die Demonstration, denn das Recht auf Versammlungsfreiheit schließe die freie Wahl des Versammlungsortes ein. Doch wie ist es in diesem Szenario um den Schutz der ratsuchenden Frauen bestellt, mag man fragen. Der VGH sieht da keine Probleme. Durch den Abstand zwischen den Demonstrierenden und dem Eingang der Beratungsstelle sowie "die bestehenden Sichtbehinderungen durch Büsche, Bäume und parkende Fahrzeuge" werde die Privatsphäre der Schwangeren ausreichend geschützt, ist das Gericht überzeugt. Außerdem seien die Gebete und Gesänge der Demonstrierenden in der Geräuschkulisse von Verkehrsgeräuschen und einem Springbrunnen vor dem Gebäude kaum vernehmbar. Nicht erkannt werden und wenig hören: Damit seien die allgemeinen Persönlichkeitsrechte der Frauen in diesem Fall gewährleistet.

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