Kriegspredigten von 1933 bis 1945

Auf in den Tod!

Auch die katholischen Theologen riefen zum großen Krieg auf. So schrieb der Moraltheologe und Priester Joseph Mausbach, die Deutschen führten einen gerechten und heiligen Krieg, jetzt komme der "Tag des Herrn" und es beginne das große göttliche Weltgericht. Ab sofort würden alle segnenden und opfernden Kräfte aus dem Volk hervorbrechen, sich zu einem unbesiegbaren Strom vereinigen. Die Feinde der Deutschen müssten wieder zu Gottesfurcht und Gerechtigkeit gezwungen werden, dies geschehe zu deren eigenem Seelenheil. Die Liebe zur Menschheit müsse auch wehtun und strafen, ja sie müsse auch Wunden schlagen, der Friede Jesu gelte nur den Menschen guten Willens. Die Deutschen und die Österreicher würden nun mit reinen Händen das Schwert ergreifen, das christliche und das germanische Erbe verteidigen. Der Krieg habe positive Auswirkungen auf die Moral der Menschen, denn er zerreiße das Lügengewebe der Selbstliebe. Von nun an sei das Tötungsverbot im Krieg aufgehoben, es gelte eine Moral im höheren Licht. Den Soldaten sei alles erlaubt, was ihnen Nutzen bringt (Machiavelli).7

Diese Sätze stammen nicht erst von den NS-Anhängern, sondern von den Theologen 1914. J. Mausbach fährt fort, die Soldaten wüssten um den "Adel des Todes!, denn sie dürften für das Vaterland sterben. Sie würden von den Frauen beneidet, denn diese könnten nicht den Heldentod erlangen. Die Soldaten würden nicht am körperlichen Leben hängen, weil sie an die Auferstehung bei Gott glauben. Sie hätten die göttliche Vollmacht bekommen, zu segnen und zu strafen, über den Tod und das Leben der Feinde zu entscheiden.8

Heinrich Himmler hatte dies ab 1936 für seine "Schutzstaffel" (SS) genau so formuliert, sie hätten nun die Vollmacht und die Verpflichtung, "den Tod zu geben und den Tod zu nehmen". Mit den uralten Kriegslehren, die die Theologen beider Konfessionen in ihren heiligen Büchern hatten, betrieben sie bei den Soldaten die Zerstörung des persönlichen Gewissens. Alle frühen Mitglieder der NS-Partei kannten diese Lehren aus dem 1. Weltkrieg, und A. Hitler übernahm 1925 viele dieser Lehren direkt in sein Programmbuch "Mein Kampf". Folglich können wir heute nicht mehr sagen, diese menschenverachtenden Lehren seien Erfindungen der NS-Partei. Wir müssen heute erkennen, dass die Eliten der Gesellschaft, vor allem aber die Theologen, diese Zerstörung des Gewissens der Soldaten vorbereitet und betrieben haben. Diese Kriegslehren fielen aber nicht plötzlich vom Himmel, sie waren seit vielen Jahrhunderten Bestandteil des Herrschaftschristentums.9

Ähnlich schrieben zu Beginn des großen Krieges von 1914 die geistigen Eliten der Gesellschaft, neben den Theologen und Philosophen auch Schriftsteller und Künstler, Juristen und Mediziner. Den "Genius" des deutschen Krieges lobten vor allem Rudolf Eucken und Max Scheler, sie haben den Krieg auf eine metaphysische Ebene gehoben, dort blieb er bis 1945. Martin Heidegger hat ihn bis zu seinem Tod (1976) auf der Ebene der Metaphysik gehalten.10

Die NS-Ideologie baute sich ab 1919 aus den Grundlehren der großen Ideologien des 19. Jh. auf, aus den Grundannahmen des Traditionalismus, aus den Lehren des Nationalismus, aus den Ideen des Imperialismus und des Militarismus, vor allem aus den alten Kampflehren des Antisemitismus, bzw. Antijudaismus. Die vielen begeisterten Anhänger waren davon überzeugt, dass ein neuer Krieg sicher zu gewinnen sei. Es durfte keine Parteien mehr geben (Diktatur) und eine Parteiarmee (Waffen-SS) sollte die reguläre Armee am Zurückweichen vor dem Feind hindern. Mit dem festen Glauben an diese neue Ideologie, die sich aus religiösen, philosophischen und theologischen Lehren nährte, würde das Volk unbesiegbar sein. Ohne die breite geistige Vorarbeit ist die schnelle Rezeption der NS-Ideologie im ganzen Volk nicht zu erklären.11

Nun hatte die NS-Partei die Öffentlichkeit gar nicht getäuscht, sie hatte ihr Programm vorgelegt.12

Hitler hatte mit offenen Karten gespielt, wie er sagte. Die Kirchenleitungen schlossen bereits im Sommer 1933 große Kirchenverträge mit der NS-Regierung, für die katholische Kirche das Reichskonkordat mit dem Vatikan. Die Kirchen versprachen die Kooperation mit der neuen Regierung, ihre Priester und Prediger mussten sich aus der Politik heraushalten. Die kirchlichen Verbände wurden aufgelöst und weitgehend mit der NS-Partei gleichgeschaltet.

Sofort im Sommer 1933 meldeten sich die führenden Theologen zu Wort, sie wollten die Katholiken und die Protestanten dazu anleiten, sich der neuen Politik anzuschließen. Der katholische Priester und Theologe Michael Schmaus, Lehrer von Papst Benedikt XVI., schrieb in Münster, die NS-Partei erhebe sich mit Recht gegen den versinkenden Liberalismus im Denken und Glauben, gegen die Willkür der freien Vernunft, gegen das wirklichkeitsferne Denken Immanuel Kants, vor allem aber gegen die Ideen der Französischen Revolution und die Vorstellung der allgemeinen Menschenrechte. Der Liberalismus der Engländer und Franzosen führe in den Nihilismus und in die Entwurzelung der Menschen.13

Der neue Staat, so Schmaus, sei ein lebendiger Organismus, denn er baue auf Ordnung und Gemeinschaft. Der "Ungeist" des 19. Jh. mit Sozialismus und Kommunismus müsse nun überwunden werden. Das Opfer gehöre zum Ideenschatz sowohl der Kirche als auch der NS-Bewegung, das Volk habe immer den Vorrang vor dem Einzelnen. Der nationale Sozialismus betone die Bindung an die Gemeinschaft, lehne aber die Egalität der Menschen ab. Auch die Päpste hätten den Liberalismus im Denken und Glauben, den Individualismus, den Sozialismus, den Kommunismus und die Demokratie hart bekämpft. Daher seien die Kirche und die NS-Bewegung eine Opfergemeinschaft für Volk und Vaterland. Christus sei zugleich Opferer und Geopferter, er müsse für alle Deutschen als Vorbild gelten. Nun würde ein germanisches Christentum aufgebaut, der Führer A. Hitler habe sein Programm (Mein Kampf) offen dargelegt. Alle Deutschen müssten Opfermut zeigen und dem Willen der göttlichen Vorsehung folgen.14