Kriegspredigten von 1933 bis 1945

Auf in den Tod!

Die NS-Bewegung setze laut Schmaus auf den Urtrieb des Lebens, sie kämpfe gegen ein Zuviel an Rationalität und gegen die Ziele der rationalen Aufklärung, denn sie ziele auf Kommendes und Großes in der Zukunft. Der Glaube müsse immer auf dem Volk aufbauen, daher müssten die Christen mutig am Bau des neuen Reiches mitwirken.

Ganz ähnlich schrieb der Jesuit Joseph Lortz, auch er wollte den Katholiken einen Zugang zur NS-Ideologie zeigen. Er war überzeugt, dass die nationale Bewegung die schon ermüdete Kirche neu beleben werde. Die Katholiken sollten im Vater-unser-Gebet für das neue deutsche Reich beten, das nun im Entstehen sei. Die NS-Bewegung passe wunderbar mit dem katholischen Denken und Leben zusammen, beide seien tief mit einander verwandt. Daher müsse die Kirche jetzt mit der lebendigen Wirklichkeit des "nationalen Volkes" eng zusammenwachsen.15

Der Tübinger Theologe und Priester Karl Adam schrieb 1933, der Führer A. Hitler sei mit Johannes dem Täufer, dem Vorläufer Jesu zu vergleichen, denn er kündige eine große neue Zeit an. Im germanischen Christentum werde die Blutreinheit des deutschen Volkes bewahrt, alles Artfremde müsse daher aus der katholischen Kirche ausgemerzt werden. Jesus sei gar kein "Judenstämmling" gewesen, denn er sei eine überirdische Gestalt. Die Kirche könne durch die NS- Bewegung neu belebt, und diese politische Bewegung durch die Theologie moralisch geläutert werden. Die Mütter müssten nun wieder zu den Urmächten des deutschen Volkes zurückkehren, denn A. Hitler habe Zugang zu den geheimen Mächten und Kräften des ganzen Volkes. Daher könne die NS-Bewegung auch die müde gewordene Kirche wieder mit Leben und Kraft erfüllen. Das germanische Denken führe auch die Theologie wieder zu den Tiefen und Abgründen des Lebens zurück. Nun habe der Führer zum Nutzen für die Kirche die Kraftquellen des Volkes wieder angebohrt.16

Ein begeisterter Brückendenker war der österreichische Bischof Alois Hudal, der in Rom an einem deutschen Priesterkolleg wirkte. Er verfasste 1937 ein Buch, "Die Grundlagen des Nationalsozialismus", in dem er für einen katholischen Nationalsozialismus warb. Darin beschimpfte er Sozialdemokraten und Pazifisten als "vaterlandslose Gesellen", denn sie seien im Herbst 1918 den deutschen Kriegsheeren in den Rücken gefallen und hätten die Niederlage im Krieg zu verantworten. Durch die Revolution sei "Unrat" über das deutsche Vaterland gekommen, nun müssten alle Gutgesinnten am neuen deutschen Reich mitbauen. Der Führer A. Hitler habe richtig erkannt, dass jetzt der Bolschewismus von Russland aus die ganze Welt bedrohe. Doch der deutsche Kampf gelte auch der slawischen Tücke, den Zielen des Marxismus und den Lehren des Liberalismus. A. Rosenberg habe mit seinem Buch, "Der Mythus des 20. Jahrhunderts", einen Katechismus für das neue Deutsche Reich vorgelegt, die Germanen seien jetzt die Gestalter einer neuen Weltordnung geworden. Die neue germanische Ethik werde auf Blut und Rasse aufgebaut.17

Die Juden, so Hudal, hätten in Europa zu viel Macht bekommen, vor allem als Ärzte und Rechtsanwälte. Daher müsse ihr schädlicher Einfluss beendet werden, das sei das Ziel der Nürnberger Rassengesetze (1935). Von nun an seien die Arier die von Gott auserwählte Rasse. Eine völkische Menschheitslehre und eine nationale Bevölkerungspolitik seien zu begrüßen, die Kirche lehne auch die medizinische Forschung nicht ab, die auf den Aufbau eines gesunden "Volkskörpers" ziele. Nur im Programm der Eugenik und der Euthanasie ziehe die katholische Kirche andere Grenzen. Das Ziel der NS-Bewegung sei ein geschlossenes Volkstum, daher müsse auch im Staatsrecht die Rasse im Mittelpunkt stehen. Der Jurist Carl Schmitt habe daher das Staatsrecht in ein Rassenrecht umgeformt. Die Kirche kämpfe wie die NS-Bewegung gegen den Liberalismus im Denken und gegen die Freimaurer, gegen den Individualismus und Partikularismus. Im starken Staat stehe die Politik immer über der Moral (N. Machiavelli). Von nun an kämpften ein germanisches Christentum und ein christlicher Nationalismus gemeinsam gegen den gottlosen Bolschewismus im Osten. Das Deutschtum und das Christentum müssten nun gemeinsam die abendländische Kultur verteidigen. Daher werde die katholische Kirche der NS-Bewegung die besten Kräfte zuführen.18

Nach dem verlorenen Krieg schrieb Bischof Hudal in seinen Tagebüchern, dass er stolz darauf sei, dass es ihm ab Sommer 1945 gelungen sei, für viele Nationalsozialisten einen Weg in eine bessere Zukunft in Südamerika zu eröffnen. Er hatte in Rom falsche Pässe ausstellen lassen, mit denen NS-Verbrecher aus Europa ausreisen konnten. Diese Männer seien Idealisten gewesen, sie würden von den christlichen Demokraten verfolgt, seien aber für ihre Taten moralisch völlig unschuldig, denn sie hätten nur höhere Befehle ausgeführt. Niemand dürfe jetzt über sie richten, denn Gott allein sei der Richter der Menschen, der in ihre Herzen schaue. Mehrere NS-Generäle und Offiziere seien in Rom in seinen Armen verstorben.19

Ebenso radikal schrieben ab 1933 viele der führenden protestantischen Theologen, denn auch sie kämpften gegen die Kultur der Moderne, gegen die rationale Aufklärung, gegen den Sozialismus und den Kommunismus. Der Tübinger Bibelexeget Gerhard Kittel wurde bereits 1933 Mitglied der NS-Partei, im selben Jahr verfasste er ein Buch über die "Judenfrage". Darin schrieb er, die Juden seien von Gott abgefallen, sie hätten Jesus Christus verstoßen, daher liege auf ewig ein göttlicher Fluch über ihnen. Die rationale Aufklärung habe den christlichen Glauben verdorben, dadurch sei die Emanzipation der Juden erst möglich geworden. Aber ab sofort müsse im Deutschen Reich die Trennung zwischen Juden und Christen wieder gesetzlich durchgesetzt werden. Alle Mischehen zwischen Juden und Christen müssten verboten werden, so stehe es auch in der jüdischen Bibel. Diese Forderungen wurden mit den Nürnberger Rassengesetzen (1935) erfüllt. Seit 1936 arbeitete dieser Theologe als offizieller Mitarbeiter in der NS-Forschungsabteilung für Judenfragen, gleichzeitig mit Julius Streicher und Alfred Rosenberg im Archiv für Judenfragen bis 1945. Damit war er in die staatliche Judenvernichtung ab 1942 voll eingeweiht, die er als ein göttliches "Strafgericht" beurteilte.20

In seinem Buch von 1933 schrieb er, die physische Ausrottung der Juden werde technisch nicht möglich sein und ihre Aussiedelung nach Palästina nicht durchführbar, weil es politische Konflikte mit den Arabern geben werde. Damit bleibe nur die strikte Trennung der Juden von den Christen, also die Wiedererrichtung von Ghettos für die Juden im Land. Die Juden müssten rechtlich als "Gäste" im Land eingestuft werden, ihre bürgerlichen Rechte müssten ihnen genommen werden. Die Bücher der jüdischen Autoren müssten besonders gekennzeichnet werden, denn sie bedrohten die christliche Moral. Es sei erwiesen, dass die Juden nach der Weltherrschaft strebten, dies müsse mit allen Mitteln verhindert werden. Die Vermischung der Rassen gefährde die christliche Kultur. Von nun an würden die Deutschen wieder offen gegen den Liberalismus der Engländer, gegen die Demokratie und die Menschenrechte der Franzosen kämpfen. Die Juden seien für die "Dekadenz" der deutschen Kultur verantwortlich. Der fanatische Theologe und Judenhasser G. Kittel wurde 1945 von den französischen Besatzungsbehörden in der Burg Hohentübingen eingesperrt, wo er auch verstarb. Auch er hatte nie ein Schulbekenntnis für sein Denken und Handeln abgelegt, obwohl er an der Formulierung der Nürnberger Rassengesetze beteiligt war.21

Ein anderer protestantischer Brückendenker zur NS-Ideologie war der Erlanger Theologe Paul Althaus, auch er kämpfte gegen die Weimarer Republik und gegen den "Schandfrieden" von Versailles. Die Deutschen hätten überhaupt keine Schuld am Ersten Weltkrieg, denn dieser sei ihnen von anderen Völkern aufgezwungen worden. Sozialisten und Kommunisten seien im Herbst 1918 den deutschen Heeren in den Rücken gefallen, deshalb sei es zur Niederlage gekommen. Doch mit dem Führer A. Hitler sei ein "Wunder Gottes" geschehen, das beginnende Dritte Reich folge daher dem Plan der göttlichen Vorsehung. Der Führer sei ein großer Seher, denn das Christentum und die NS-Ideologie seien in ihren Grundlehren identisch. Der totale Staat sei die vollkommene Regierungsform, so habe es schon Plato gesehen, denn nur damit könne das politische Chaos abgewendet werden. Daher sei die politische Tyrannei immer noch besser als die Bindungslosigkeit der Massen. Der neue Krieg gegen den Bolschewismus sei unvermeidbar, denn nur so könne das drohende Chaos der Völker aufgehalten werden.22

Die NS-Politik folge, so Althaus, dem Erbe des deutschen Blutes, aber auch den Lehren Martin Luthers. Doch die Juden bedrohten die deutsche Kultur, die Christen müssten sich mit allen Mitteln vor ihnen schützen. Der Kampf der Kirche und des neuen Reiches gelte nun der dekadenten Kultur der Moderne, dem Denken der Aufklärung und dem Chaos der Demokratie. Auch der Theologe, P. Althaus, durfte nach 1945 an der Theologischen Fakultät weiter lehren, ein Schuldbekenntnis für sein Denken hat auch er nie abgelegt. Nach seiner Überzeugung konnte ein deutscher Professor der Theologie ja nicht irren.23

Der protestantische Theologe Emmanuel Hirsch in Göttingen kämpfte ebenfalls mit seinen Kollegen gegen die rationale Aufklärung, denn er hatte Angst vor der säkularen Weltdeutung, vor einer freien Wissenschaft und vor einem nihilistischen Materialismus. Nach dem Schock der Niederlage von 1918 träumte er von der neuen Größe der deutschen Nation, die Edelsten im Volk sollten gegen den Relativismus in der Moral und gegen den Skeptizismus in der Erkenntnis kämpfen. Der Glaube an Gott und an das Übergeschichtliche gehöre einfach zur Menschheit. Daher müsse das säkulare Denken der Aufklärung wieder durch das apokalyptische Denken der Religion ersetzt werden. Der Lauf der Geschichte werde immer von den Kräften des Ewigen bestimmt. In England und in Frankreich seien die moralische und die religiöse Dekadenz am weitesten fortgeschritten, das liberale Denken habe dort den christlichen Glauben stark geschwächt. Die Menschen hätten dort die metaphysische Tiefe verloren. Die Demokratie verkehre nur den wahren Volkswillen, denn dieser finde nur in einem starken Führer seinen Ausdruck. Die politische Macht im Lande liege niemals beim Volk, sie gehe immer von Gott aus.24

Dieser Theologe schrieb zu Kriegsbeginn 1939, der Pazifismus habe die Völker geschwächt, er stamme aber aus dem utilitaristischen Denken der Engländer. Eine internationale Kultur, von der Immanuel Kant geträumt habe, sei gar nicht möglich, denn die Geschicke der Völker werden von einem starken Willen und von der Macht des Schicksals bestimmt, aber nicht von der Vernunft. Nun erfolge eine "Wiedergeburt" des deutschen Volkes durch harte Disziplin und durch mutige Kampfbereitschaft. Das deutsche Volk komme unter den "Hammer Gottes", es werde zu Eisen und Stahl geschmiedet. Denn es müsse ab sofort große Aufgaben für die ganze Menschheit übernehmen. E. Hirsch war ein Berater des Reichsbischofs Ludwig Müller, der eine einheitliche protestantische Reichskirche schaffen wollte. Für ihn war A. Hitler der von Gott geschickte Führer, der die Juden bekämpfen müsse, weil sie den christlichen Glauben bedrohten.25

Emmanuel Hirsch fuhr fort, der Liberalismus, die rationale Aufklärung und der übertriebene Individualismus hätten den christlichen Glauben geschädigt, der Relativismus in der Moral habe in den Nihilismus geführt. Doch durch den „Bund des Blutes“ beginne eine neue Zeit, von nun an müssten alle individuellen Freiheiten eng begrenzt werden. Die ganze Geschichte werde von Gott geleitet, dieser stehe auf der Seite von A. Hitler. Der gottlose Marxismus sei ein Erbe der jüdisch-deutschen Mischehe, der Bolschewismus sei bloß eine Abart der jüdischen Religion. Im neuen NS-Staat erlebten alle Deutschen das tiefe Geheimnis der Gemeinschaft. Von jetzt an müssten die Lehrer und die Studenten an den Universitäten den braunen Rock der NS-Partei tragen. Die Demokratie mit ihrem Egalitarismus habe das Volk sehr geschwächt. Nun orientierten sich die Fähigsten wieder am starken Führer und am Blutopfer für das Volk.26

Die Christen müssten laut Hirsch mit Begeisterung am neuen Staat mitarbeiten und einen schweren Dienst für die Heimat (Krieg) auf sich nehmen. Jesus habe eine neue Religion geschaffen, aber er sei nicht jüdischen Blutes gewesen. Der Grieche Kelsos hätte berichtet, Jesus sei der Sohn des römischen Soldaten Panthera und einer jüdischen Mutter gewesen. Daher sei er nach seiner väterlichen Linie ein Römer und gehöre zur arischen Herrenrasse. Der Theologe E. Hirsch wurde 1945 von den englischen Besatzern in den Ruhestand versetzt, aber auch von ihm kam niemals ein Schuldbekenntnis für sein Denken und Lehren. Die Bücher der NS-Theologen - M. Schmaus, J. Mausbach, A. Hudal, G. Kittel, P. Althaus, E. Hirsch u.a. - wurden an den Theologischen Fakultäten bis 1965 als Lehrbücher verwendet. Sie waren keine Außenseiter, sondern sie folgten dem Mainstream der protestantischen und der katholischen Theologie.27