Zurück zur aktuellen Debatte.
Manche genannten Kritikpunkte gehen über die Frage der direkten gesundheitlichen Gefahren hinaus. Auch sie verdienen eine sachliche Betrachtung, wie ich sie im Folgenden vornehmen werde.
Behauptung: Die Biodiversität wird zerstört
Einige Glyphosat-Kritiker befürchten, dass durch eine Vernichtung der Unkräuter Lebensraum für Insekten und Vögel verschwindet.
Doch dies gilt für alle Formen der Unkrautvernichtung, für jeden Unkrautvernichter und auch für das händische bzw. mechanische Ausrupfen: In allen Fällen haben es Insekten schwerer, sich in den betreffenden Flächen einzunisten.
Alle Landwirte – konventionell wie biologisch – haben ein legitimes Interesse, ihren Nutzpflanzen optimale Wachstumsbedingungen zu bieten. Unkräuter und Schädlinge (für die Nutzpflanzen) sind unerwünscht. Gewiss sind die Lebensräume für Insekten und Vögel auf solchen Flächen begrenzt. Doch oft wird übersehen, dass die Artenvielfalt nur auf den eigentlichen Anbauflächen reduziert ist.
Je kleiner die Flächen sind, die wir für die Landwirtschaft benötigen, desto mehr Flächen stehen für die Artenvielfalt zur Verfügung. Wenn kleine Flächen mehr Ertrag bringen, kann dies also sogar zu einer Erhöhung der Artenvielfalt beitragen.
Behauptung: Pflügen statt Pflanzenschutzmittel
Brauchen wir überhaupt Pflanzenschutzmittel? Können wir nicht wie unsere Großeltern pflügen statt spritzen? Auch diese Einwände sprechen grundsätzliche landwirtschaftliche Überlegungen an, beziehen sich also nicht spezifisch auf Glyphosat.
Das Pflügen bringt erhebliche Probleme für die Umwelt mit sich. Die moderne Landwirtschaft – die sogenannte "No-till"-Landwirtschaft (ohne Pflügen) – verzichtet auf das energieintensive Pflügen, das Kraftstoff kostet und CO2 erzeugt.
In wasserarmen Gegenden kommt noch hinzu, dass dem Boden beim Pflügen Wasser entzogen wird, was geringere Erträge mit sich bringt – ein bedeutender Aspekt angesichts der globalen Erwärmung. Darüber hinaus verringert der Verzicht aufs Pflügen die Bodenerosion. Außerdem entweichen weniger klimaschädliche Stickoxide.
Behauptung: Der Einsatz von Glyphosat führt zur Entstehung von "Superunkräutern"
Auch hier wird ein allgemeines Problem der Landwirtschaft angesprochen. Die Entstehung resistenter Unkräuter ist schlicht Resultat von Evolution. Als Gegenmaßnahme bauen moderne Landwirte in aufeinanderfolgenden Jahren unterschiedliche Nutzpflanzen auf einem Feld an.
Auch wird nichts "totgespritzt", sondern man wendet vielmehr Strategien an, die die Resistenzbildung bei Unkräutern erschweren – ähnlich wie beim verantwortungsvollen Antibiotika-Einsatz in der Medizin.
Interessenkonflikte und Käuflichkeit
Wenn es um Studien geht, haben wir ein doppeltes Problem.
Einerseits fordert man zu recht, dass die Industrie Studien durchführt, um Nutzen und Risiko ihrer Produkte zu bewerten. Die Unternehmen machen den Gewinn, also sollen auch sie die Kosten für die Prüfung tragen.
Andererseits werden auch einwandfrei durchgeführte Studien von Kritikern gebrandmarkt. Hat beispielsweise eine beteiligte Forscherin zu irgendeinem früheren Zeitpunkt für die Industrie gearbeitet, gilt sie bei Kritikern als "käuflich" oder "korrumpiert".
Was ist aber mit den Interessenvertretern der Bio-Branche, auch wenn sie indirekt über NGOs an der Diskussion teilnehmen? So waren an der IARC-Studie Anti-Gentechnik-Aktivisten beteiligt.
Auch bei ihnen sollte kritisch und sachlich nach Interessenkonflikten gefragt werden – wie bei allen anderen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern auch.
Wer Monsanto- und allgemein Industrie-Studien potentielle Interessenkonflikte vorwirft, nicht aber der Bio-Branche oder den NGOs, muss erklären, warum er zweierlei Maß anlegt.
Interessenkonflikte gibt es auf beiden Seiten
Weder Monsanto- noch Greenpeace-Studien sind allein aufgrund des Auftraggebers zu kritisieren. In beiden Fällen können mögliche Interessenkonflikte vorliegen.
Ein Beispiel für jahrzehntelange Trickserei der Industrie sind die Studien zur gesundheitlichen Wirkung des Tabakkonsums. Eine andere Situation zeigt sich aus meiner Sicht in den Bereichen Gentechnik und Glyphosat, wo die größten Täuschungsmanöver von den Gegnern ausgehen.
Gilles-Éric Séralini, der auch gern von Greenpeace beauftragt wird, behauptet, es gäbe einen Zusammenhang zwischen Glyphosat und Tumoren bei Ratten. Berichtet wurde hierüber auch bei der Skepkon 2016.
Séralini musste aufgrund methodischer Mängel die Publikation zurückziehen. Sein Verhalten schrammt hart am ethischen Fehlverhalten vorbei und hat sogar einenWikipedia-Eintrag, gleichwohl blieb der Aufschrei aus.
Kurz: Interessenkonflikte gibt es. Sie sind aber kein Alleinstellungsmerkmal von Industrie und Konzernen. Es gibt sie genauso bei NGOs und Anti-Gentechnik-Aktivisten. Nachgewiesen wurde das Fehlverhalten in Sachen Gentechnik und Glyphosat bei den Gentechnik-Gegnern.
In jedem Fall gilt es, eine These sachlich und wissenschaftlich zu prüfen. Im Fall der globalen Erwärmung beispielsweise liegen Greenpeace und BUND im Einklang mit dem aktuellen Forschungsstand.
Was nun?
Als Basis für gesellschaftliche und politische Entscheidungen es unabdingbar, den der aktuellen Forschungsstand zu kennen. Dieser ist nicht verhandelbar. Es liegt auf der Hand, dass Parlamente je nach Prioritäten und politischer Orientierung unterschiedliche Entscheidungen fällen können und werden. Was nicht geht, ist politische Willkür, die Fakten ignoriert.
Übernahme mit freundlicher Genehmigung des Autors aus dem GWUP-Blog.
19 Kommentare
Kommentare
F.B. am Permanenter Link
Wenn bei Glyphosat Probleme festgestellt werden, z.B. in Bezug auf Verträglichkeit, Krebs, Langzeitauswirkungen etc.
Das Argument, dass andere Stoffe schlimmer sind, ist in meinen Augen unzureichend. Diese Stoffe müssen entsprechend auch aus dem Verkehr gezogen werden! Das muss von unabhängigen Instituten regelmäßig und genau überprüft werden. Das geht nur auf Staatskosten und die Gelder müssen zur Verfügung gestellt werden. Auch andere Anbaumethoden etc. müssen erforscht werden, um endlich Alternativen zu entwickeln, und um wieder zurück zu umweltgerechten Anbaumethoden zu kommen.
Wir müssen realistisch Landwirtschaft betreiben und den Vertrieb der Lebensmittel optimieren! Die Verluste durch Lagerung, Transport, Ernte sind enorm!
Die konventionelle Landwirtschaft wird auf Dauer nicht in der Lage sein die Menschheit zu ernähren. Zu groß sind die Langzeitschäden an Boden, Pflanzen und Tieren (und somit auch für uns Menschen). Nicht nur durch die Pflanzenschutzmittel.
Lebensmittel müssen dort produziert werden wo sie gebraucht werden. Erdbeeren in Marokko anzupflanzen, damit wir unter dem Weihnachtsbaum Erdbeeren essen können ist mehr als nur unvernünftig! Soja aus Brasilien zu importieren, um hier in Europa (v.a. in D) eine unfassbar aufgeblasen Tierzucht zu unterhalten, die nicht weiß wohin mit der Gülle, und um dann die Überproduktion wieder in die Welt zu schicken ist ebenso ethisch nicht zu vertreten. Zumal mit unseren (subventionieren!) Exporten in anderen Teilen der Welt die Landwirtschaft und Tierzucht zerstört wird!
Eine idyllische Landwirtschaft (sofern es sie überhaupt je gab) ist für 7 Mrd. Menschen (oder mehr) nicht haltbar! Aber Geburtenkontrolle scheint ja keine Option zu sein.
Es gibt viele Regelungen an denen man drehen kann, um eine umwelt- und menschengerechtere Landwirtschaft zu fördern. Aber da müsste man ja das Subventions- und Lobbysystem umkrempeln. Und so lange Lebensmittel hier so billig sind, wird sich nichts ändern.
Viele Aspekte spielen hier eine große Rolle. Auch mir fehlt als "Nicht-Experte" natürlich der Überblick, aber für Glyphosat einzutreten halte ich als falsch, da es von der eigentlichen Problematik ablenkt.
Michael Fischer am Permanenter Link
Ich habe neulich bei SWR-Odysso folgende Sendung gesehen: http://www.swr.de/odysso/unkrautvernichter-glyphosat/-/id=1046894/did=17196226/nid=1046894/fwgt1a/index.html
Deren Resümee lautet ganz anders: "Der Eindruck drängt sich auf: Wenn überhaupt vorhanden, kann das Krebsrisiko durch Glyphosat nicht groß sein. Sonst hätten Jahrzehnte der Forschung längst klare Ergebnisse gebracht."
Das klingt m.E. nicht unplausibel - das Zeug wird ja schon seit 40 Jahren verspritzt. Da sollte doch analog zum Rauchen längst ein Zusammenhang zwischen Krebs und dem Mittel nachgewiesen sein.
Sehr interessant fand ich den folgenden Vortrag: (http://blog.gwup.net/2016/05/19/skepkon-video-giftige-gene-grune-gentechnik-versus-hartnackige-geruchte/), in welchem auch die Problematik bzgl. Herbiziden und Insektiziden dargestellt und auch auf Glyphosat eingegangen wurde.
Robbie am Permanenter Link
Das ist komisch, denn der Autor Peter Wittig hat 2006 noch in der Odysso Sendung über Monsanto gesagt, dass man den Studien des Herstellers nicht trauen sollte: http://www.swr.de/odysso/fragwuerdige-risikobewertung-is
http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/kampf-um-glyphosat-wenn-leserbriefe-von-monsanto-als-studien-gelten-1.2570374 Ein Schelm, wer da Böses denkt
Michael Fischer am Permanenter Link
Wenn ich das in der SZ richtig gelesen habe, dann handelt es sich um lediglich 14 Leserbriefe innerhalb von 92 Studien.
Natürlich ist das alles nicht so, wie man es sich als Verbraucher wünschen würde, aber andererseits kann man dem BfR bzgl. seiner Arbeitsweise m.E. keinen Vorwurf machen.
Letztendlich stellt sich aber lediglich die Frage, was auf ein Verbot passieren würde. Die Bauern würden sicher nicht mit dem Spritzen aufhören. Wenn aber Glyphosat "im Vergleich mit anderen Herbiziden meist eine geringere Mobilität, Lebensdauer und eine geringere Toxizität gegenüber Tieren" aufweist, was für "landwirtschaftlich verwendete Herbizide in der Regel wünschenswerte Eigenschaften" sind (aus Wikipedia, auch Martin Moder präsentierte eine entsprechende Graphik), so frage ich mich schon, warum man sich jetzt derart auf Glyphosat eingeschossen hat - es kann wohl kaum im Sinne des Erfinders sein, dass die Bauern als Reaktion auf ein Verbot womöglich zu härteren Keulen greifen (Ich habe das übrigens bereits ähnlich auf dem GWUP-Blog in einer Antwort an Dich formuliert).
Robbie am Permanenter Link
Es gibt keine Langzeitforschung für die 30 unterschiedlichen Glyphosat Produkte, die mit ihren zahlreichen Hilfsmitteln auf dem Markt sind und was sie für Langzeitauswirkungen auf Mensch und Natur haben.
Michael Fischer am Permanenter Link
Dass es keine Langzeitforschung gibt, überrascht mich nicht. Ich wüsste auch nicht, wie ein derartiges Studiendesign aussehen sollte.
Tatsächlich machen wir aber seit 40 Jahre die Probe aufs Exempel. Und die Lebenserwartung in Deutschland steigt nach wie vor, und das trotz Glyphosat. Die relevanten gesundheithsgefährdenden Kriterien scheinen also andere zu sein.
Konni Scheller am Permanenter Link
ARD Mediathek ist keine glaubwürdige Quelle. Es gibt keine seriöse Studie, bei der Glyphosat als Ursache einer Krankheit ausgemacht wurde.
Auch ihr restliches Statement ist voller Fehler, ich weiß gar nicht wo ich anfangen soll.
Robbie am Permanenter Link
aus diesen Gründen hat sich auch am letzten Freitag der 119.
Jann Wübbenhorst am Permanenter Link
Leider trägt diese Stellungnahme wenig zur Klärung bei, sie verstärkt eher den Verdacht, dass hier erfolgreiche Lobbyarbeit bei der GWUP wirksam war.
Amardeo Sarmas Replik ist jedoch selbst in vielerlei Hinsicht ideologisch geprägt, und sie tut genau das, was Sarma seinen „Gegnern“ zum Vorwurf macht: Sie ignoriert zahlreiche Fakten.
„Fakt ist: Glyphosat ist effektiver als andere Pflanzenschutzmittel. Für Gesundheit und Umwelt ist es weniger problematisch als die Alternativen – das gilt auch für Mittel aus dem Bio-Landbau.“
Glyphosat ist eben nicht weniger problematisch als die Alternativen (z.B. Pflügen). Dass auch das Nachteile hat, bestreitet niemand. Glyphosat ist v.a. schneller und kostengünstiger in der Anwendung. Und bitte ein Beispiel: In welchem Fall ist Glyphosat „für Gesundheit und Umwelt weniger problematisch“ als die Alternativen, die dafür im Bio-Landbau angewendet werden? Mir ist nichts dergleichen bekannt.
„Diese Lobbyisten im Umweltpelz erwecken erfolgreich den trügerischen Schein, Bio-Produkte seien besser oder umweltschonender.“ Das ist starker Tobak. Wer sich für Bio-Landbau einsetzt, ist Lobbyist im „Umweltpelz“? Welche hinterhältigen, „wölfischen“ Ziele verfolgen denn Organisationen wie NABU und Greenpeace in Wahrheit, wenn sie scheinheilig vorgeben, der Umwelt- und Naturschutz liege ihnen am Herzen? Welche gewinne generieren sie damit? Und: Bio-Produkte sind zwar in der Regel nicht nachweislich gesünder als konventionelle (was schon daran liegt, dass es schwer ist zu definieren, welche Nahrungsmittel „gesund“ sind und welche nicht. Dennoch enthalten z.B. Bio-Geflügelprodukte weniger Antibiotika-Rückstände und weniger resistente Keime als konventionelle. Vor allem aber: Bio-Produkte sind in aller Regel eindeutig umweltschonender. Zum Einstieg:
http://www.michaelottostiftung.de/de/presse/left-area/04/text_files/file0/mos015_Studie_Kurzfassung_RZ_140618_lowres%202.pdf
Empfehlenswert auch das Buch „Naturschutz in der Agrarlandschaft“ (Flade et al. 2003, Verlag Quelle & Meyer).
Bio-Lebensmittel generell als „Luxusprodukte der esoterikgläubigen Oberschicht“ zu verunglimpfen – das hat mit sachlicher Diskussion wirklich gar nichts mehr zu tun.
„Einige Glyphosat-Kritiker befürchten, dass durch eine Vernichtung der Unkräuter Lebensraum für Insekten und Vögel verschwindet. Doch dies gilt für alle Formen der Unkrautvernichtung, für jeden Unkrautvernichter und auch für das händische bzw. mechanische Ausrupfen: In allen Fällen haben es Insekten schwerer, sich in den betreffenden Flächen einzunisten.“
Diese Erwiderung ist erstaunlich unreflektiert. Natürlich gilt das „für alle Formen der Unkrautvernichtung“, aber eben nicht in gleichem Maße. Deswegen ist z.B. auf „biologisch“ bewirtschafteten Äckern die Artenvielfalt z.B. der Blütenpflanzen und Wirbellosen signifikant höher als auf konventionellen Äckern. Und gerade Glyphosat (und die Art, in der es angewendet wird) schafft extreme Monokulturen, die der Ackerbegleitflora und –fauna praktisch keinen Raum mehr lassen.
„Doch oft wird übersehen, dass die Artenvielfalt nur auf den eigentlichen Anbauflächen reduziert ist.“ Woher hat Herr Sarma das? Die Artenvielfalt schwindet überall massiv, auf ganzer Fläche, und z.T. auch in den Schutzgebieten – tausendfach belegt.
„Auch wird nichts "totgespritzt", sondern man wendet vielmehr Strategien an, die die Resistenzbildung bei Unkräutern erschweren“. Überständige Zwischenfrüchte werden mit Glyphosat gespritzt, um schneller abzusterben, Grünland wird mitunter alle Paar Jahr mit Glyphosat gespritzt und hinterher neu eingesät, Getreide wurde bis 2015 häufig vor der Ernte mit Glyphosat gespritzt, um den Erntezeitpunkt besser zu steuern. In den meisten Anwendungsfällen dieses mit weitem Abstand meistverkauften Herbizids wird in der Tat eine Fläche „totgespritzt“ (denn die Pflanzen auf der Fläche leben zunächst, und nach der Behandlung sind sie tot) – mit „Strategien, die die Resistenzbildung von Unkräutern erschweren“, hat das in den meisten Fällen nichts, aber auch gar nichts zu tun.
„Auf Facebook werden bereits Gefängnisstrafen für Förderer von Glyphosat gefordert.“ – Man wird kaum eine blödsinnige Forderung finden, die nicht irgendwo auf Facebook erhoben wird. Für eine sachliche Diskussion ist dieser Hinweis daher völlig ungeeignet.
Aber eine sachliche Diskussion liegt auch offensichtlich nicht in Sarmas Interesse, sonst wäre er gründlicher auf die geäußerte Kritik eingegangen. Schade.
Michael Fischer am Permanenter Link
Sie haben hier sehr ausgewogen entgegnet, aber erlauben sie mir eine Anmerkung zu: "Welche hinterhältigen, „wölfischen“ Ziele verfolgen denn Organisationen wie NABU und Greenpeace in Wahrheit, wenn sie scheinheil
Ich glaube, man macht es sich zu einfach, wenn man alles auf monetäre Interessen reduzieren möchte. Vor allem Ideen haben eine nicht zu unterschätzende Macht. Wir alle merken das ja am eigenen Leib. Wenn wir uns erst einmal einer Idee verschrieben haben, fällt es uns unheimlich schwer, sie in Frage zu stellen oder uns womöglich gar von ihr zu lösen.
Dasselbe gilt vermutlich in viel stärkerem Maße für große Organisationen, die sich einer - grundsätzlich durchaus positiven - Ideologie verschrieben haben. Ob das nun die Partei der Grünen ist oder Greenpeace - grüne Gentechnik z.B. ist hier ein "No Go" und wird es auch immer bleiben. Eine Kehrtwende bei diesem Thema ist allein aus ideologischen Gründen nicht mehr möglich. Das würde zu viele Wähler/Mitglieder verprellen. Es steht schlichtweg zu viel auf dem Spiel (Mitgliederschwund, Rückgang von Spendeneinnahmen u.s.w.), als dass ein derartiges Szenario riskiert werden könnte.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Apropos sachliche Diskussion - da irritiert mich bereits die Behauptung einer "esoterikgläubigen Oberschicht" im Artikel. Was soll das?
pavlovic am Permanenter Link
Man muß hier der GWUP einfach mal ein Lob aussprechen. Gegen den Strom zu schwimmen, auch bei einer aufgeschlossenen Klientel unangenehme Aufklärung zu betreiben, dass ist wahrlich ein Verdienst.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Es ergeben sich Fragen:
- "Glyphosat ist effektiver [...] und [...] weniger problematisch" - Inwiefern ist das Fakt? Wo ist der Nachweis?
- "Stellvertreterkrieg Schützenhilfe Misstrauen" - Alles mit entsprechenden Resultaten; es überzeugt mich nur im Ergebnis nicht.
- Und ""No-till"-Landwirtschaft (ohne Pflügen)"? - Schreit die nicht geradezu nach Totalherbiziden?
- Superweed: "Entstehung resistenter Unkräuter ist schlicht Resultat von Evolution" - Nein; in diesem Fall ist das m.E. vielmehr erzwungenes evolutionäres Wettrüsten aufgrund des Einsatzes der unnatürlichen Totalherbizide. Es werden gerade NICHT Strategien angewendet, die die "Resistenzbildung bei Unkräutern erschweren" – das mit dem angeblich "verantwortungsvollen Antibiotika-Einsatz in der Medizin" zu vergleichen, erscheint mir widersinnig.
- "Interessenkonflikte"? - Ja, gibt es natürlich. "In jedem Fall gilt es, eine These sachlich und wissenschaftlich zu prüfen." - Ich bitte darum (aber selbst wissenschaftliche Prüfungen sind mitunter nicht sankrosankt...).
- "Als Basis für [...] Entscheidungen es unabdingbar, den der aktuellen Forschungsstand zu kennen. Dieser ist nicht verhandelbar. [...] Was nicht geht, ist politische Willkür, die Fakten ignoriert." - Und die Fakten bestimmt wer? Die GWUP?
Weitere Punkte, die mir (jenseits des Artikels) auffielen:
Warum wird mikrobiologischen Untersuchungen (wie von Monika Krüger, Leipzig), die eine zeitliche und räumliche Koinzidenz von Krankheitsbildern und Ausbringung von Totalherbiziden aufzeigen (https://www.youtube.com/watch?v=-iMA4HxZ1hc), nicht weiter nachgegangen, sondern totgeschwiegen? Weil das eine "Eso-Tante" ist, wie mir auf Facebook entgegengeschloidert wurde? Oder weil arte 'eso' sei (was für eine platte Schopenhauer-Keule ist das denn)?
Wie dort wird das auch in den 2 folgenden Links etwas näher beleuchtet:
http://futurezone.at/meinung/die-boese-chemie/199.262.997
http://www.scilogs.de/fischblog/glyphosat-und-krebs-welche-studie-stimmt-denn-nun/
Oder liegen die negativen Auswirkungen evtl. 'nur' daran, dass Glyphosat mit anderen, schärferen und dezidiert REPRODUKTIONSTOXISCHEN Mitteln wie Glufosinat (https://de.wikipedia.org/wiki/Glufosinat) gemixt wird? Und kontrolliert den Mix jemand? Vgl. z.B. die US-Einsatzgebiete (in wiki zu Glyphosat und Glufosinat), die räumlich äußerst ähnlich gelagert sind. Wettrüsten (s.o.) kann auch äußerst ineffektiv werden...
Die Fragen sind fast beliebig erweiterbar.
Bei mir kommt der Artikel jedenfalls so an, als ob die GWUP (in Form der Verunglimpfung anderer Meinungen) an der Esoterik-Debatte teilnimmt. Schade eigentlich, Amardeo Sarma. Ist aber auch sehr schwierig.
valtental am Permanenter Link
Eine andere Situation zeigt sich aus meiner Sicht in den Bereichen Gentechnik und Glyphosat, wo die größten Täuschungsmanöver von den Gegnern ausgehen."
Das Umweltinstitut München verweist dagegen auf die Recherche zweier Wissenschaftler aus den USA:
"Aus der Studie von Samsel und Seneff [am MIT] wird ersichtlich, dass Monsanto mindestens seit den anfänglichen 1980er Jahren weiß, dass Glyphosat wahrscheinlich krebserregend ist. Die zugrundeliegenden Daten stammen von der amerikanischen Umweltschutzbehörde EPA. Einer der Autoren hatte bei der EPA nach dem Informationsfreiheitsgesetz detaillierte Informationen zu den ersten Studien über Glyphosat erhalten – Studien, die Monsanto selbst angefertigt hatte. Die Autoren werfen Monsanto vor, absichtlich Studien verfälscht zu haben. Signifikante Hinweise auf Tumore wurden von Monsanto mit Daten vertuscht, die aus ganz anderen Studien stammen. Der Zweck: Die nicht zugehörigen Daten ließen die statistische Signifikanz verschwinden. Keine Signifikanz, kein Krebsrisiko.Auf diese Weise wurden die Behörden nicht auf das Krebsrisiko von Glyphosat aufmerksam. Vermutlich hat Monsanto die ursprüngliche Zulassung für Glyphosat nur durch diese Schummeleien bekommen." (http://www.umweltinstitut.org/aktuelle-meldungen/meldungen/monsanto-verfaelscht-eigene-studien-zu-glyphosat.html)
Insgesamt scheint der GWUP-Autor seine berechtigte Kritik an Impfgegner, Homöopathieanhänger u.a. Wissenschaftsresitente undifferenziert auf den Bereich Landwirtschaft zu übertragen, und beim Thema Glyphosat seinen legitimen Kampf gegen Esoteriker fortzusetzen. Nur produziert der Ökolandbau überwiegend nicht biolog.-dynamisch.
Sicher wird es unter den Glyphosat-Kritikern einige geben, deren Argumentation wissenschaftlichen Kriterien nicht standhält, was aber an den vielen Folgeproblemen der Agrochemie nichts ändert. Der Verweis auf das BfR und dessen Grenzwerte klingt doch reichlich naiv, wenn man sich an die Konjunktur von Asbest, DDT, Flammschutzmitteln, FCKWs usw. erinnert.
Angelika Hilbeck an der ETH Zürich dazu:
"Nur ist es ja so, dass in unseren Gesetzen viele industriefreundliche Regularien enthalten sind und dass diese Grenzwertfindungen ebenfalls eher auf politischer als auf wissenschaftlicher Basis stattfinden. Die Industrie schreibt an den Gesetzen tatsächlich sogar oft mit. Dazu kommt dann, dass jedes Gesetz auch Interpretationsspielräume offenlässt. Und diese werden dann praktisch immer im Sinne der Industrie ausgelegt und praktisch nie im Sinne von Vorsorge und der Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger – wobei Ausnahmen diese Regel bestätigen und nicht widerlegen.
Das tut die Politik und die staatlichen Behörden wohl auch, weil sie die geballte Macht der Industrie fürchtet, die sich ja eine Zulassung auch einklagen kann: Die Entscheide der Behörden sind anfechtbar und in der Regel ist die Datenlage über Risiken sehr dünn. Das liegt daran, dass niemand wirklich richtig in die entsprechende Forschung investiert und die Industrie selbst natürlich kein Interesse an Risikoforschung hat, die ihre Produkte schließlich gefährden würde. In dieser Situation ist es für den Staat schwierig, Prozesse gegen die Industrie überhaupt zu gewinnen. Und zwar insbesondere in Bezug auf Pestizide, die ja von Natur aus toxisch sind." (http://www.nachdenkseiten.de/?p=29219#more-29219)
Dennis Riehle am Permanenter Link
Die GWUP hat es sich laut ihrem Namen zur Aufgabe gemacht, über Parawissenschaften aufzuklären.
Wer in der aktuellen Diskussion tatsächlich "Verstand" in die Debatte bringen möchte, der muss die Vor- und Nachteile dieses Pflanzenschutzmittels zunächst einmal abseits der wirtschaftlichen Interessen bewerten, denen es ausgesetzt ist. Und nicht nur "Glyphosat" muss dann dem standardisierten Fragenkatalog standhalten, sondern auch andere Präparate. Es hilft aber nicht, sie allein ins Feld zu führen.
Um die Legitimation eines einzelnen Mittels zu beweisen, braucht es einen Vergleich mit seinen Konkurrenten. Auch den ist GWUP schuldig geblieben. Darüber hinaus gehört es auch zur wissenschaftlichen Pflicht, die ethische Fragestellung zu erörtern, inwieweit "Wirtschaftlichkeit" ein objektiver Standard sein kann, um solch ein Pflanzenschutzmittel abschließend einzuordnen.
Wissenschaftlichkeit ist nämlich etwas Anderes, als Pro und Contra für Mensch, Umwelt und Industrie querbeet miteinander abzuwägen. Die Wechselwirkungen beteiligter Akteure eines Gebrauchs von "Glyphosat" und anderer Mittel sind zu komplex und verzerren ein klares Bild, solange sie nicht systematisch kategorisiert beurteilt werden. Eine Vermischung der Parameter ist sachlich zumindest nicht haltbar. Und doch hat sich die GWUP genau für diese Vermengung entschieden. Selbst nach ihrer neuen Einlassung müssen ihrer Argumentation deutliche Defizite attestiert werden.
Mir scheint, als suche sich die GWUP immer neue Verbündete und Gegner, einmal steht sie auf dieser, dann auf jener Seite. Dabei wäre es ihre Aufgabe, neutral zu überprüfen, wo Wissenschaft vorgegaukelt wird. Ihre Einschätzungen werden aber nur dann glaubwürdig, wenn sie auch tatsächlich die Position dieses unabhängigen Beobachters einnehmen würde.
valtental am Permanenter Link
Ich sehe mich noch mal genötigt, folgende Aussage infrage zu stellen: "Eine andere Situation zeigt sich aus meiner Sicht in den Bereichen Gentechnik und Glyphosat, wo die größten Täuschungsmanöver von den Gegnern
Dazu heute ein Beitrag auf DWN: "Clausing [Toxikologe] hat den finalen BfR-Bericht zur Wiederzulassung von Glyphosat erstmals einer unabhängigen wissenschaftlichen Prüfung unterzogen. Der Bericht ist die wesentliche Grundlage für die Entscheidung, ob Glyphosat in der EU für weitere zehn Jahre oder länger zugelassen wird. Das BfR hält diesen Bericht bislang vor der Öffentlichkeit geheim. "Der Bericht des BfR verdreht Tatsachen und verschweigt wichtige Studien zur Krebsgefahr von Glyphosat oder stellt sie falsch dar. Die Schlussfolgerung liegt nahe, dass das BfR die Beweislage gegen Glyphosat mit Absicht geschwächt hat”, sagte Clausing. So seien im Abschnitt zu Gentoxizität 44 wissenschaftliche Publikationen, die einen gentoxischen Effekt nachwiesen, nicht berücksichtigt worden. Hersteller-Studien, die keinen krebsauslösenden Effekt beschreiben, habe das BfR hingegen einbezogen." (http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2016/05/31/trotz-dringender-aerzte-warnung-eu-will-glyphosat-verlaengern/)
Schon allein die Geheimhaltung ist verdächtig und überhaupt nicht hinnehmbar - für eine staatl. Behörde einfach nur skandalös.
Im gleichen Beitrag wird auch der Deutsche Ärztetag vom vergangenen Freitag zitiert: "Für gentoxische Effekte besteht nach derzeitiger wissenschaftlicher Meinung kein unschädlicher Schwellenwert." Womit das ganze Abstellen auf zulässige Grenzwerte hinfällig wird, was auch logisch erscheint: Bei Asbest gibt es auch keinen zulässigen Grenzwert der Unbedenklichkeit, weil jedes einzelne Asbestpartikel Krebs auslösen kann und es nicht auf eine Summierung oder statistische Wahrscheinlichkeit des toxischen Stoffes ankommt.
Also, die Argumentation des GWUP-Vorsitzenden, der geradezu in Art einer Verschwörungstheorie gegen Kritiker von Glyphosat anschreibt, ist doch äußerst fragwürdig, um es dezent auszudrücken. Seine Schlussfolgerung heißt: Glyphosat sei unter verschiedenen Aspekten das kleinere Übel, deshalb solte man es trotzt seiner Toxität akzeptieren. Das angeblich kleinere Übel als Freifahrtschein für toxische Stoffe in Umwelt und Lebensmitteln - na, schönen Dank auch, GWUP!
Michael Fischer am Permanenter Link
"Glyphosat sei unter verschiedenen Aspekten das kleinere Übel, deshalb solte man es trotzt seiner Toxität akzeptieren."
Finde ich jetzt grundsätzlich nicht so schlecht. Machen wir doch praktisch auch bei allem anderen so (z.B. bei Autoabgasen, beim Alkoholkonsum ...).
Substanzen, welche als genotoxisch positiv getestet wurden, müssen auch nicht zwingend mutagen oder karzinogen sein. Dass es keinen Schwellwert gibt, liegt wohl in der Natur der Sache - bei Sonnenstrahlung gibt es auch keinen Schwellwert bzgl. Gentoxizität.
Trotzdem geht man in die Sonne und setzt sich einem gewissen Risiko aus.
Und so macht man es halt auch bei Glyphosat. Man macht eine Risikobewertung. Dafür ist das BfR zuständig.
valtental am Permanenter Link
"Machen wir doch praktisch auch bei allem anderen so..." Eben nicht, denn sonst gäbe es ja keine verbotenen Stoffe, die früher mal erlaubt waren.
"Dass es keinen Schwellwert gibt, liegt wohl in der Natur der Sache" - Danke für den Zuspruch! Herr Sarma argumentiert aber gerade mit dem Gegenteil, dass man das Ausmaß der Schädlichkeit über Grenzwerte steuern könne, was - wie erwähnt - z.B. der Ärztetag anders sieht.
"Man macht eine Risikobewertung. Dafür ist das BfR zuständig." Gerade die Art und Weise dieser Risikobewertung wird ja kritisiert, worauf ich versucht habe hinzuweisen.
Ihre Beispiel Alkohol und Sonne passen nicht, da sie deren Gefahren durch individuelles Verhalten begegnen können (Alkoholverzicht, Bekleidung). Bei toxisch belasteten Nahrungsmitteln gibt es diese Schutzmöglichkeit durch eigenes Verhalten für die Mehrheit der Bevölkerung nicht.
Ich bin weder Chemiker, noch speziell Toxikologe. Aber ich traue mir doch zu, einzuschätzen, ob eine Argumentation, wie die von Herrn Sarma in sich, und im Vergleich zu anderen Positionen schlüssig ist, oder nicht.
Michael Fischer am Permanenter Link
"Ihre Beispiel Alkohol und Sonne passen nicht, da sie deren Gefahren durch individuelles Verhalten begegnen können (Alkoholverzicht, Bekleidung)."
Bei der Sonne haben Sie immer ein Risiko (außer Sie sind Burkaträger/in). Gerade bei Sonne müssen Sie sogar zwangsläufig eine Risikoabwägung machen (Knochen/Vitamin D!).
Ich glaube schlichtweg, es gibt ganz andere Baustellen, die anzugehen in punkto Gesundheit viel dringlicher wäre (denken Sie nur an das Feinstaubproblem). Ich bin ja auch kein Fan von Spritzmitteln, aber gerade bei Glyphosat scheint es nicht so zu sein, dass es sich erwiesenermaßen um einen Killer handelt.
Ich denke, Herrn Sarmas Wortwahl war wohl eher etwas unglücklich, aber im Grunde dürfte er damit recht haben, dass die Glyphosat-Debatte aus politisch-ideologischen Gründen höher aufgehängt wird als objektiv tatsächlich gerechtfertigt ist.