Der Missbrauchsbeauftragte, die Alternativlosigkeit und die PKW-Maut

bischof_dr._stephan_ackermann2_trier_99._deutscher_katholikentag.jpg

Bischof Stephan Ackermann beim Katholikentag 2014 in Regensburg
Bischof Stephan Ackermann

Der Fettnäpfchen-Marathon der katholischen Kirche im Umgang mit dem Missbrauchsskandal geht in die nächste Runde: Diesmal verglich Bischof Ackermann die Entschädigungszahlungen an die Opfer mit denen für die missglückte PKW-Maut. Mittlerweile hat er sich für seine Aussagen entschuldigt.

Wie kann man die Missbrauchsopfer der katholischen Kirche angemessen entschädigen? Die bisherigen Einmalzahlungen von im Schnitt 5.000 Euro – was etwa einem halben Bischofsgehalt entspricht – erfüllen diesen Zweck jedenfalls nicht, das scheint mittlerweile auch die katholische Kirche erkannt zu haben. Die Deutsche Bischofskonferenz hatte deshalb eine Arbeitsgruppe beauftragt, die auf der Herbstvollversammlung der Bischöfe ein Empfehlungspapier vorstellte. Darin ist von ganz anderen Beträgen die Rede: Die Experten fordern eine Pauschale von 300.000 Euro pro Fall, woraus eine geschätzte Gesamtsumme von einer Milliarde Euro erwachsen könnte.

Seitdem wird diskutiert, woher dieses Geld kommen soll. Thomas Sternberg, Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) sprach sich gleich zu Beginn gegen eine Verwendung von Kirchensteuern aus: "Es muss die grundsätzliche Frage gestellt werden, ob überhaupt die Beiträge der Gläubigen zu Entschädigungszahlungen herangezogen werden können, die in einer Institution geschehen, aber nicht von ihr beabsichtigt worden sind. Man wird diese exorbitanten Zahlen in einem sehr viel größeren Kontext diskutieren müssen", zitierte ihn domradio.de.

Auch der Jesuit Klaus Mertes, der als ehemaliger Direktor des Canisius-Kollegs den Missbrauchsskandal 2010 erstmals an die Öffentlichkeit brachte, äußerte sich kritisch. Zum einen würden die Gläubigen, die keine Schuld hätten, zu "sekundär Betroffenen" des Missbrauchs. Zum anderen findet er die geforderte Entschädigungssumme angesichts der "Finanzsituation der Orden" zu hoch, es dürfe nicht der Eindruck entstehen, die Kirche wolle sich "freikaufen". Vielen Betroffenen sei es wichtiger, dass die Kirche sich ändere, als dass sie zahle, schrieb VaticanNews. Präventiv wandten sich außerdem die Säkularen Sozis in einem Offenen Brief an Kardinal Marx, den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, und fragten, ob denn nun alle Steuerzahler in Deutschland (…) für die Sünden von Gottes Bodenpersonal büßen müssten.

Nun meldete sich der Missbrauchsbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz, Stephan Ackermann, am Rande des Jahrestreffens der katholischen Journalistenschule ifp in Trier zu Wort. Es gebe keine Alternative, als die Kirchensteuereinnahmen für die Auszahlung der Entschädigungssummen heranzuziehen. Die Kirchenmitglieder seien als Solidargemeinschaft in der Pflicht, auch wenn es ihnen widerstrebe, für Verfehlungen einzelner Geistlicher einzustehen, heißt es bei katholisch.de. "Wir zahlen auch für Andi Scheuers Autobahnen", sagte er und verglich damit den systematisch vertuschten vielfachen Missbrauch Minderjähriger durch katholische Geistliche mit der gescheiterten PKW-Maut des CSU-Verkehrsministers. "Wir kriegen auf jeden Fall wieder Prügel – egal was wir entscheiden", sagte er weiter in Bezug auf die noch zu diskutierende Höhe der Entschädigungsleistungen.

Die "Prügel" bekam er prompt – für seinen Maut-Vergleich. Tags darauf ruderte er zurück, wie SWR Aktuell berichtete: "Der Vergleich war zu salopp und unpassend. Den würde ich nicht wiederholen. Menschen, die sich dadurch verletzt fühlen, bitte ich um Entschuldigung." Eine Bistumssprecherin schlug auch bei der Frage der Alternativlosigkeit der Verwendung von Kirchensteuermitteln andere Töne an: Es solle auch darüber gesprochen werden, ob diese verwendet werden können, heißt es nun. Und es sei laut SWR Aktuell unstrittig, dass immer erst der Täter finanziell zur Verantwortung gezogen werden müsse – sofern er denn nicht bereits verstorben sei.

Immer wieder relativieren Kirchenvertreter die Missbrauchsfälle innerhalb ihrer Glaubensgemeinschaft. Auch Papst Franziskus sprach in seiner Abschlussrede zum "Kinderschutz-Gipfel" im Vatikan im Februar davon, "dass das schwere Übel des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen leider in allen Kulturen und Gesellschaften ein geschichtlich verbreitetes Phänomen" sei. "(…) Wer Missbrauch begeht, das heißt Gewalt (körperlich, sexuell oder psychisch) anwendet, sind vor allem Eltern, Verwandte, die Partner von Kinderbräuten, Trainer und Erzieher."

Was aus diesen Verharmlosungen spricht, ist eine bei allen Schuldeingeständnissen immer noch fehlende Einsicht über das, was geschehen ist. Und warum es eben nicht mit anderen Fällen von Kindesmissbrauch vergleichbar ist, wenn sich ein katholischer Priester mit religiös verklärter Geilheit und gedeckt durch eine mächtige und scheinbar moralisch überlegene Institution über Jahre hinweg an Schutzbefohlenen vergeht. Für diese (vermeintliche?) Erkenntnis braucht es den empörten Aufschrei der Öffentlichkeit – jedes Mal aufs Neue.