Über den öffentlichen Teil der deutschen Islamkonferenz war in der Presse viel zu lesen. Für das Verständnis des Islam in Deutschland aber interessanter war der nichtöffentliche Teil dieser Konferenz, in dem die Vertreter ganz unterschiedlicher muslimischer Organisationen miteinander über die Themen "Integrationsförderung vor Ort", die "Imamausbildung in Deutschland" und "Muslime in Deutschland – deutsche Muslime" diskutierten.
Wie in jeder religiösen oder weltanschaulichen Gemeinschaft gab es auch hier zu allen Themen unterschiedliche Meinungen und Positionen, stritten die Vertreter unterschiedlicher, konservativerer oder liberalerer Auffassungen des Islam mehr oder minder heftig miteinander. Was aber derzeit und in absehbarer Zeit besonders an diesen Debatten um unterschiedliche Auffassungen des Islam ist, besteht darin, dass diese Debatten überlagert sind von der Frage der gesellschaftlichen Integration der deutschen Einwanderungsgesellschaft.
Während die erste Generation der Migranten in Deutschland sich als z. B. als türkische, jugoslawische, marokkanische Muslime verstanden, versteht sich die heute hier lebende zweite, dritte oder auch bereits vierte Generation der Migranten als Muslime in Deutschland als deutsche Muslime. Was dies aber genau heißt, ist nicht völlig klar und wird auch unterschiedlich gesehen.
Am einfachsten stellt sich dies noch dar, wenn man auf die Arbeit der muslimischen Vereine – einschließlich der Moscheegemeinden – schaut, die als Teil der deutschen Zivilgesellschaft eine religiöse, aber auch in großem Umfang integrative, soziale und pädagogische Aktivität für ihre Mitglieder und ihr soziales Umfeld entfalten, nicht anders als christliche Gemeinden oder humanistische Verbände dies auch tun.
Wenn man aber auf Fragen der religiösen Ausrichtung schaut, stellen sich Probleme. Geht bei der Übersetzung der religiösen Schriften ins Deutsche nicht ein religiöser Gehalt verloren? Muss andererseits die islamische Religion nicht die Lebenswirklichkeit in Deutschland aufnehmen, um die hier lebenden, insbesondere jungen Muslime erreichen zu können? Müssen alle islamischen Strömungen den Menschenrechtskanon, der in Deutschland die Basis unseres Zusammenlebens ist, für sich eins zu eins übernehmen? Ist eine Unterstützung muslimischer Gemeinden aus dem Ausland, insbesondere der Türkei, ein Integrationshindernis? Wie kann man die Ausbildung und Anstellung von Imamen in Deutschland ohne Zuschüsse aus dem Ausland finanzieren? All diese Fragen wurden diskutiert.
Besonders um die Frage des Verhältnisses konservativer muslimischer Positionen zu den in Deutschland geltenden Rechten der Homosexuellen und Frauen gab es unter den Teilnehmern der Konferenz Streit. Hier wurde gefordert, dass die Muslime die in Deutschland geltenden Menschenrechte auch in ihrer Religion anerkennen müssen. Diese Forderung aber – so sympathisch sie ist – verkennt das Verhältnis der Religionen zum säkularen Staat.
Die Grünen-Politikerin Bettina Jarasch, gläubige Katholikin und Mitglied im Zentralkomitee der Katholiken hat auf der Abschlussveranstaltung der säkularen Woche in Berlin (vgl. den Bericht auf dem hpd) gesagt, dass sie froh sei, in einem säkularen Staat zu leben, weil der es ihr ermögliche, als Frau all die Rechte wahrzunehmen, die ihr ihre Religion nicht gewähren würde.
Diese Aussage trifft meines Erachtens das Verhältnis von Religionen/Weltanschauungen und säkularem Staat sehr gut. Der säkulare Staat mit den Menschenrechten und seiner demokratischen Verfassung ist die Basis, auf der unterschiedliche, mit ihrem Normen- und Wertekanon davon abweichende Religionen und Weltanschauungen in unserer Gesellschaft zusammenleben. Diese Basis müssen alle akzeptieren. Es ist die Basis, auf der die unterschiedlichen Religionen und Weltanschauungen überhaupt erst ihre zivilgesellschaftliche Existenzberechtigung erhalten. Aber dieses Akzeptieren bedeutet nicht, dass alle Religionen und Weltanschauungen alle Normen und Werte dieser Gesellschaft für die eigenen Gemeinschaften übernehmen müssten. Wenn die katholische Kirche oder konservative muslimische Gruppen z. B. Homosexualität und die Gleichberechtigung der Frau ablehnen, dann muss man das in einem zivilgesellschaftlichen Dialog von außen kritisieren, aber es ist das Recht der religiösen Gemeinschaft, dies intern anders zu handhaben. Jedoch muss akzeptiert werden, dass in der Gesellschaft für alle – auch für die eigenen Mitglieder – eine andere Regel gilt – und im übrigen ist niemand gezwungen, in einer konservativen Religion zu bleiben.
Auch die Frage, ob es einen deutschen Islam oder einen Islam in Deutschland gibt, hängt nicht daran, dass alle muslimischen Strömungen für sich alle Menschenrechte akzeptieren. Wollte man das anders sehen, gäbe es auch kein Christentum in Deutschland. Insofern ist der Islam eine ganz normale Religion wie die anderen Religionen, die es in Deutschland gibt. Aber eine Religion, die gerade erst dabei ist, ihren Ort in unserer Gesellschaft zu finden, einen Ort, den ihr unsere Gesellschaft auch gewähren muss.
Keinen Ort in unserer Gesellschaft gibt es natürlich für islamistische, gewalttätige Positionen. Aber diese haben mit dem normalen muslimischen Leben in Deutschland auch nichts zu tun.
So sinnvoll eine solche Konferenz ist, so hat sie doch ihre Grenzen. Auch diese wurden angesprochen. Es gibt unter den Muslimen in Deutschland starke Säkularisierungstendenzen, nicht anders als unter den Christen. Nur kann man dies, da es für die Muslime mangels eines formalen Eintritts auch keine formalen Austrittszahlen gibt, nicht statistisch genau erfassen. Es bleibt aber die Frage, für wen die Vertreter größerer muslimischer Organisationen genau sprechen. Bei den kleinen Vereinen vor Ort kann man dies klar bestimmen. Bei Dachverbänden ist dies aber unklar. Daher war es gut, dass auf dieser vierten Islamkonferenz nicht nur Vertreter der großen Verbände, sondern viele Vertreter kleiner Initiativen eingeladen waren.
Ein innerislamischer Dialog, so wichtig er für die Muslime untereinander auch sein mag, reicht für die gesellschaftliche Integration aller Religionen und Weltanschauungen aber nicht aus. Daher wurde gefordert, Formate zu finden, in denen ein interreligiöser Dialog und auch ein Dialog der Religionen mit den Weltanschauungen stattfindet. Es wird abzuwarten sein, inwieweit dies auf Bundesebene umgesetzt wird und die Debatten über gesellschaftliche Integration und über die Werte und Normen unserer Gesellschaft nicht immer nur mit Religionen geführt werden, sondern auch mit den Weltanschauungen. Dass es daran immer noch mangelt, ist allerdings nicht die Schuld des Islam.
32 Kommentare
Kommentare
Friedhelm Mandt am Permanenter Link
Der neutrale und säkulare Staat hat weder Recht noch Pflicht eine Religion zu fördern, weder eine christliche, eine jüdische, eine islamische noch eine andere der ca.
Friedhelm Mandt Köln Resonanz über: fred.mandt@gmx.net
Carola Dengel am Permanenter Link
Sehr richtig Ihr Kommentar ! Ich kann leider dem Autoren des Artikels nicht zustimmen. Was heißt religionsintern ? Wo liegen diese Gefilde ? Was heißt das z.B. für die Erziehung der Mädchen ?
Edward von Roy am Permanenter Link
Dr.
Islam ist Rechtsreligion (himmlische Scharia; irdisch anzuwendender Fiqh). Der Islam ist ein komplettes - alle Lebensbereiche umfassendes - Recht.
Die muslimische Frau erbt die Hälfte, ihre Aussage vor Gericht gilt nur halb so viel, sie muss ab der Pubertät ihren Körper mit einem Schleier (Hidschab) bedecken, der Muslim kann vier Frauen ehelichen und jede jederzeit verstoßen (Talaq). Das islamische Heiratsalter für das Mädchen ist neun Jahre (Mondjahre, also achteinhalb). Islamische Gerichtshöfe sind zu errichten, letztlich ist jeder heutige Paragraph zeitnah durch einen schariakonformen zu ersetzen.
Das alles ist auch kein sogenannter Islamismus oder Salafismus oder Wahhabismus, sondern echte Religion.
Thomas Heinrichs weicht dem Thema - dem Islam! - aus. Warum.
Edward von Roy am Permanenter Link
aus der New-York Daily Tribune Nr. 4054
Der Koran und die auf ihm fußende muselmanische Gesetzgebung reduzieren Geographie und Ethnographie der verschiedenen Völker auf die einfache und bequeme Zweiteilung in Gläubige und Ungläubige. Der Ungläubige ist "harby", d.h. der Feind. Der Islam ächtet die Nation der Ungläubigen und schafft einen Zustand permanenter Feindschaft zwischen Muselmanen und Ungläubigen.
von Karl Marx in London am 28. März 1854
http://www.mlwerke.de/me/me10/me10_168.htm
Thomas Göring am Permanenter Link
M.a.W.:
Gemäß heutiger v.a. "linker" & grüner Sichtweise hätte Karl Marx sich damit der verwerflichsten "Islamophobie" schuldig gemacht. So ein fieser "neokolonialistischer" usw. usf. "Islamhasser" aber auch!
Muss man Karl Marx deswegen jetzt auch als "AfD-nahe" brandmarken?
Axel Stier am Permanenter Link
Zitat:
"Wegen der Nichteinhaltung der staatlichen Neutralität verletzt die Islamkonferenz letztendlich die Gefühle der ca. 40% Religionsfreien in Deutschland, die keine Lobby haben."
Sie sind sehr zurückhaltend; für mich sind Religionen und Weltanschauungen, die als KdöR (Körperschaften des öffntlichen Rechts) anerkannt sind, gemeine Schmarotzer unseres Staates, teilweise von ausländischen Herrschern (Türkei, Vatikan) gesteuert und sollten, wenn sie die EU-Menschenrechtskonvention oder unser Grundgesetz nicht vorbehaltlos (Vatikan!) anerkennen, vom Verfassungsschutz "betreut" werden.
Religion und Weltanschauung ist Privatsache, für die andere rechtstsaatlichen Organisationsformen zur Verfügung stehen.
Haben Sie schon die jährlichen "Pfründe und Privilegien" der Kirchen mit den Ausgaben für die Bildung verglichen?
Krongold am Permanenter Link
Der "säkuläre Staat" existiert de facto nicht.
Die Diskussion um die Integration des Islam in Deutschland ist meiner Meinung nach nicht von einem wirklichen Interesse an der neutralen Betrachtung dieser Religion motiviert sondern lediglich von der Angst, eigene Pfründe aufgeben zu müssen und die eigene Höherwertigkeit in Frage stellen zu müssen. (Abgesehen von dem Unbehagen das bleibt, wenn man die Ausbreitung des Islams als Nährboden fundamentalistischer Gruppierungen betrachtet).
Wir werden meiner Ansicht nach diesen Kampf ohnehin verlieren, nicht nur weil liberale Kreise vorschnell vor dem Islam (und auch den christlichen Religionen) einknicken, sondern weil die Musliminnen zur Zeit noch die fertile Zeit zur Vermehrung ausnutzen, anstatt als Karrierefrau maximal ein Kind zu Welt zu bringen. In meiner täglichen Praxis häufen sich seit zwei -drei Jahren die bekennenden Musliminnen im jungen Erwachsenenalter. Das sind nicht die ungebildeten Migrantinnen der ersten Generation, sondern deren Kinder, und nicht die dümmsten, sondern gebildete, intelligente Frauen. Wie lange, glauben wir, wird es dauern, bis diese Generation die politischen Gremien zahlenmäßig dominieren wird, die die Politik im Sinne des Islam beeinflussen werden?
Resnikschek Karin am Permanenter Link
Solange die Religionen z.T.
Dieter Bauer am Permanenter Link
Es ist befremdlich, wie in heutiger Zeit und nach heutigem Wissensstand den fantasiebasierten Systemen, wie sie in Religionsorganisationen dargeboten werden, noch Akzeptanz entgegengebracht wird.
Wolfgang Kloste... am Permanenter Link
"Keinen Ort in unserer Gesellschaft gibt es natürlich für islamistische, gewalttätige Positionen. Aber diese haben mit dem normalen muslimischen Leben in Deutschland auch nichts zu tun."
Der Islam hat nichts mit Islamismus zu tun? Das halte ich für eine Verharmlosung des Islams. Es wären vermutlich weniger junge Deutsche zum IS nach Syrien gereist, wenn es in Deutschland kein religiöses muslimisches Leben gegeben hätte. Religiöse Wahnsysteme bieten einen guten Nährboden für religiös motivierte Gewalttätigkeit. Siehe auch die Kriminalgeschichte des Christentums.
Thomas Heinrichs am Permanenter Link
Lieber Herr Kloste,
bitte lesen Sie doch genau, was ich schreibe. Es macht doch keinen Sinn gegen Thesen zu argumentieren, die niemand vertreten hat. Ich habe geschrieben, dass das nomale muslimische Leben in Deutschland mit Islamismus nichts zu tun hat. Das normale muslimische Leben in Deutschland ist nicht <der Islam>. <Den Islam> gibt es nämlich nicht, genausowenig wie es <das Christentum> gibt. Es gibt das Feld der islamischen Religion und mit dem hat der Islamismus selbstverständlich zu tun, da gehört er rein.
Thomas R. am Permanenter Link
"Ich habe geschrieben, dass das nomale muslimische Leben in Deutschland mit Islamismus nichts zu tun hat."
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David Z am Permanenter Link
"Ich habe geschrieben, dass das nomale muslimische Leben in Deutschland mit Islamismus nichts zu tun hat."
Wie kommen Sie zu dieser Behauptung? Wenn wir uns die diversen Umfragen oder Imam-Predigten, Deutschland oder auch Europaweit, anschauen, sind fundamentalistische Positionen unter Muslimen nicht unerheblich vertreten. Insofern ist die Bemerkung Herrn Klostes, dass Sie hier verharmlosen, durchaus angebracht.
Horst Groschopp am Permanenter Link
Das ist eine ganz andere Haltung, als sie sonst auf diesen Seiten zu finden ist und sie sagt klar, wozu sich eine moderne Religions- und Weltanschauungspolitik verhalten muss, um sich vom säkularistischen Dogma einer
Rüdiger Weida am Permanenter Link
Danke für dieses klare Bekenntnis zur hpd-Linie, auch an den Privilegien, die der Staat einräumt, teilhaben zu wollen und diese gegen alle böswilligen Rumpelstilzchen zu verteidigen.
Möge der Teufel kommen und die alle platzen lassen.
Kay Krause am Permanenter Link
"der Islam, eine ganz "normale" Religion"? Frage: was ist an einer Religion "normal"?, und -bitte sehr - wer entscheidet das?
1.)Jeder Mensch kommt ohne jegliches religiöse Wissen auf die Welt. das ist für mein Verständnis "normal".
2. Erst im Verlauf seines weiteren Lebens wird der Mensch religiös indoktriniert. Damit wird ihm auch eingetrichtert, dass es "normal" ist, relgiös zu sein
Roland Schütze am Permanenter Link
Sehr richtig! Da fällt mir Karlheinz Deschner ein. Wie sagte der doch so schön: Anfangs hat jeder den Glauben, der ihm aufgeschwätzt wird. Aber irgendwann hat er den, den er verdient.
Thomas R. am Permanenter Link
In diesem Punkt kann ich Herrn Deschner leider nicht folgen, denn religiöse Indoktrination führt meist zu Wahnstörungen, die entweder gar nicht oder nur unter massiver Einwirkung zu beheben sind, bzw. wären. Ich z.B.
Roland Schütze am Permanenter Link
Ihr Einwand ist durchaus berechtigt. Das Potential schädlicher Auswirkungen religiöser Vorstellungen auf das menschliche Denken wird noch immer unterschätzt.
Thomas R. am Permanenter Link
Dabei wäre es doch ausgesprochen einfach, anhand der "heiligen Schriften" zu ermitteln, welche konkreten destruktiven Potenziale ein bestimmtes religiöses Wahnsystem hat.
Atheist Steinbrenner am Permanenter Link
Ein grauenvoller Artikel der von Relativismus und der Anerkennung der Normativität des Faktischen nur so strotzt.
Ich teile die Ansicht nicht, dass Religions- und Weltanschauunsgemeinschaften und deren Mitglieder sich nicht an Grundrechte und allgemeine Gesetze halten müssten.
Eine solche Gemeinschaft besteht stets aus Individuen die zwar nach Artikel 2 GG das Rechts auf freie Entfeltung ihrer Persönlichkeit haben. Dieses findet aber wiederum seine Grenzen in den Rechten Anderer und in der Verfassungsmässigen Ordnung.
Auch das Diskriminierungsverbot aus Artikel 3 GG enthält keinen Ausnahme dafür wenn dies aus religiösen Motiven erfolgt.
Zwar folgt in Artikel 4 GG bereits die Religionsfreiheit des Individuums. Aber eben erst NACH der Menschenwürde, NACH der freien Entfaltung der Persönlichkeit und NACH dem Diskriminierungsvebot. Die Artikel des Grundgesetztes sind dabei nicht zufällig in ihrer Reihenfolge, sondern bilden eine Rangfolge von Rechten ab. Vielleicht fällt es gerade Muslimen besonders schwer dies zu verstehen, ist doch ihr Buch ohne tiefere Bedeutung einfach nach der länge der Suren geordnet.
Auch für die Religionsgemeinschaften selbst deren Status in Art 140 GG geregelt ist, gilt:
"Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes."
Gäbe es nur die erste Hälfte dieses Satzes so könnten Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften machen was sie wollen. Doch es gibt ja noch die Einschränkung, dass dies INNERHALB der Schranken des für alle geltenden Gesetzes zu geschehen habe. Daran ändert es auch nichts, wenn das Bundesverfassungsgericht meiner Meinung nach konsequent rechtsbeugend diese Einschränkung bei seinen Urteilen ignoriert und religiöse Vorstellungen über Grundrechte stellt.
Noch ein Wort zur Normativität des Faktischen. Nur wer gesellschaftlichen Stillstand möchte kann dem zustimmen, dass aus dem Sein ein Sollen folgt. Nur weil aus historischen Gründen die hehren Ziele zur Trennung von Staat und Kirche und zu den Grenzen des Handelns der Religionsgemeinschaften aus der Weimarer Reichtsverfassung, die wir in Art 140 GG wiederfinden, fortlaufend ignoriert werden, heißt das nicht, daß es richtig sei diese weiterhin zu ignorieren.
Auch wenn dies dann - um auf eine Aussage des Artikels zurück zu kommen - heisst, dass es ohne eine grundlegende Reform derselben neben dem Islam auch keine christlichen Kirchen mehr in Deutschland geben dürfte, dann ist das durchaus eine Option die man hin und wieder prüfen sollte. Zugegeben, als die Kirchen noch weitaus stärker in den Köpfen der Deutschen zu Hause waren, und ihre Deutungshoheit dort fest installiert hatten, war womöglich an eine Durchsetzung geltenden Rechts gegen die Kirchen nicht zu denken.
Aber nachdem die Kirchen die Deutungshoheit verloren haben, sowie die meisten Menschen einen eigenen Kopf zum Denken statt zum Glauben haben, sind die Umstände andere... und wir sollten uns darüber Gedanken machen ob es nicht an der Zeit ist geltendes Recht nun endlich auch gegen jene, die es lange ob schierer Masse an treuen Mitgliedern ignorieren konnten, endlich durchzusetzen.
Insofern betrachte ich die Islamkonferenz deren Ziele von den christlichen Kirchen gut geheissen werden lediglich als einen Schritt zur Sicherung des Status quo, eines weiter so, von gesellschaftlichem Stillstand, in dem ich keinen Fortschritt hin zu mündigeren Menschen erkennen kann.
Ich finde es erschreckend, dass Dr. Thomas Heinrichs (Vizepräsident des Humanistischen Verbands Berlin-Brandenburg) sich mit diesem Artikel als ein Anhänger der Normativität des Faktischen outet, dem primat religiöser Vorstellungen über weltliches Recht zustimmt, und nicht der Aufklärung und der Befreiung des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit das Wort redet.
In einem säkularen Staat hat eine politische Religion keinen Platz, gleich ob dies ein politischer Katholizismus, ein politischer Islam oder ein politischer Humanismus ist. Wenn von einer Religion nach Abzug des Strebens nach Machtausübung (auch über Dritte) dann nichts mehr überbleibt ist sie entlarvt, wenn etwas überbleibt ist es eine private Spiritualität. Mehr sollte Religion in einer säkularen Gesellschaft, die sich eben des politischen Einfluses der Religion erwehren muss, um Raum für Pluralismus zu bieten nicht sein.
Thomas Heinrichs am Permanenter Link
Sehr geehrter Herr Steinbrenner,
Atheist Steinbrenner am Permanenter Link
"Aber eine Religion kann moralische Regeln für ihre Mitglieder aufstellen, die enger sind, als der gesetzliche Rahmen. Das ist alles.
Gut, nehmen wir die Ablehnung von Homosexualität. Solange jemand seine eigene Homosexualität als Sünde betrachtet, sich schuldig fühlt etc. ist alles selbstbestimmt und in Ordnung. --- Wenn aber die Ablehnung der Homosexualität sich in der Verachtung von anderen Menschen die homosexuell sind auswirkt, man das den Anderen durch Diskriminierung spüren läßt, bis hin zu Gewaltandrohungen, dann überschreitet dies Grenzen. Wenn die Quelle dazu die Satzung eines Vereins wäre... wie lange gäbe es diesen Verein dann wohl noch? Ich würde annehmen, nicht mehr lange. Aber wenn eine solche Vergiftungen des Denkens durch Religionsgemeinschaften geschieht soll es in Ordnung sein?
Oder nehmen wir ein mehr Islamsspezifisches Beispiel. Auf http://rolandfakler.de/?p=3540 ist nachzulesen welche Schähungen der Koran für nicht-Muslime verwendet. Ein entsprechendes Buch das Muslime mit solchen Schmähungen bedenkt gäbe der Staatsanwaltschaft Grund wegen Volksverhetzung zu ermitteln und wäre schnell vom Markt verschwunden. Aber wenn es eine alte religiöses verbrämte Hetzschrift ist dann ist es in Ordnung? Und den Koran als Grundlage teilen sich alle Muslime, und viele sind auch der Meinung, dass er nicht ausgelegt werden dürfe.
Eine moralische Regel enger als das gesetzlich erlaubte für ein Mitglied einer Gemeinschaft die nur auf dieses selbst und schlimmstenfalls auf andere Mitglieder derselben Gruppe Anwendung findet ist das eine. --- Doch ein einmal durch religiösen Hass etwa auf Schwule oder Ungläubige vergiftetes Individuum macht doch vor der Wahrnehmung von Dritten durch diese religiöse Brille nicht halt. Dies anzunehmen wäre doch sehr naiv. Und zum entsprechenden Handeln das sich ergibt, weil man ja bei Unterlassung sonst selbst eine Sünde beginge ist der Weg nicht weit.
Thomas Henninger am Permanenter Link
"Wenn die katholische Kirche oder konservative muslimische Gruppen z. B.
Aha, - die Gleichberechtigung der Frau ist also eine moralische Regel?
David Z am Permanenter Link
"Ob man diese Regeln gut oder schlecht findet, ist eine ganz andere Frage."
Das ist nicht eine andere, sondern die entscheidende Frage. Dass unsere Gesetze zu gelten haben, ist eine Selbstverständlichkeit und bedarf, eigentlich, nicht der Erwähnung. Erwähnenswert wäre vielmehr eine Untersuchung darüber, in wie weit man unseren Gesetzen im Optimalfall nicht nur folgt, sondern deren sinnhaften Hintergrund auch vertritt und ggf. sogar verteidigt.
Harald Freunbichler am Permanenter Link
"und im übrigen ist niemand gezwungen, in einer konservativen Religion zu bleiben."
Wer soetwas schreibt, will verschleiern. Zeitverschwendung, es zu lesen. Schade.
Karl-Heinz Büchner am Permanenter Link
Und warum?
Wer ist in Deutschland - und nur darum geht es - gezwungen, in einer konservativen Religion zu bleiben?
Wolfgang Schaefer am Permanenter Link
Es gibt keine einzige "normale" Religion. Es gibt nur wahre Lügen!
Roland Fakler am Permanenter Link
Eine ganz „normale Religion“ mit einer Männerhierarchie, die sich auf ein nicht-existierendes männliches Geistwesen gründet, das blinden Gehorsam verlangt; mit einer Offenbarung, die Hass gegen Andersgläubige schürt,
A.S. am Permanenter Link
Nach der Vorstellung aller Religionen hat der Staat ihr Diener zu sein, d.h. er hat Geld an die Priester zu liefern, seine Bürger der religiösen Indoktrination zuzuführen und die Pfründe der Priester ggf.
Und wenn der Staat das nicht in dem Maße tut wie die Priester es gerne hätten, werden die Gläubigen gegen den Staat mobilisiert (siehe DDR, siehe Polen).
Die Haltung von Hr. Dr. Heinrichs läuft darauf hinaus, dass der "säkulare" Staat Diener aller Religionen sein soll. Das ist dann allenfalls ein Staat, der sich neutral zwischen den Religionen positioniert unter völliger Mißachtung der Nicht-Religiösen.
Sehr bedenklich, wenn DAS "aufgeklärter Humanismus" sein soll.
Der säkulare Staat hat meiner Meinung nach ausschließlich Diener seiner Bürger zu sein, und nicht irgendwelcher Priester.
Der säkulare Staat darf meiner Überzeugung nach KEINER Religion dienen.
"Aufklärung heute" heißt für mich, unmißverständlich zu sagen worum es bei Religion geht:
1. Um die Macht der Priesterschaft über möglichst viele Leute, die nach ihrer Pfeiffe tanzen sollen.
2. Um den systematischen Mißbrauch der Gläubigen zur Bereicherung der Priesterschaft und ggf. militärischer Verteidigung ihrer Besitzstände. In der Demokratie kommen noch die politische und juristische Verteidigung der Priester-Pfründe hinzu (durch Kirchenmarionetten in Regierung und Parlament).
3. Gott ist nur ein mieser Trick der Priester, mit dem diese immer noch Milliarden Menschen an der Nase herum führen. Gut für die Priester, dass Gott sich nicht beweisen läßt, denn so können die Priester dem Armen alles Mögliche als seine Taten in die Schuhe schieben und zu seinem vorgeblichen Willen deklarieren. (Der geneigte Leser möge sich bitte ausmalen, was mit den Priestern wohl geschehen würde, wenn es den Menschen tatsächlich gelingen sollte, den wirklichen Willen Gottes beweisbar in Erfahrung zu bringen.)
David Z am Permanenter Link
"Wollte man das anders sehen, gäbe es auch kein Christentum in Deutschland. Insofern ist der Islam eine ganz normale Religion wie die anderen Religionen, die es in Deutschland gibt.
Herr Heinrichs scheint zu glauben, dass alle Religionen gleich sind. Sie sind es nicht. Sie unterscheiden sich in der Anzahl ihrer schlechten Ideen und deren "Qualität".
Und warum sollte man schlechten Ideen einen "Ort in der Gesellschaft" gewähren? Warum sollte man den seit 1400 Jahren fortdauernden, schmerzhaften Findungs- und Reifeprozess einer problematischen Religion in "unserer Gesellschaft" begrüßen?
Hans Trutnau am Permanenter Link
"Aber dieses Akzeptieren bedeutet nicht, dass alle Religionen und Weltanschauungen alle Normen und Werte dieser Gesellschaft für die eigenen Gemeinschaften übernehmen müssten."