Kommentar

Kirchenrepublik-Alarm in Rheinland-Pfalz?

Wie erklärt sich die Ablehnung der Forderung der LandesschülerInnenvertretung nach einem konfessionsübergreifenden Weltanschauungsunterricht, nachdem alle von der Regierung vorgebrachten Argumente entweder falsch oder nicht stichhaltig sind? Vielleicht liegt der Hund auch hier mal wieder im allzu partnerschaftlichen Verhältnis von Kirche und Staat begraben.

Die LandesschülerInnenvertretung Rheinland-Pfalz (LSV RLP) hat die Abschaffung des konfessionellen Religionsunterrichts und seinen Ersatz durch einen verpflichtenden philosophischen Weltanschauungsunterricht für alle gefordert, wie der hpd vergangene Woche berichtete. Der Religionsunterricht ist laut Grundgesetz ordentliches Lehrfach, mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen. Die gibt es in Deutschland jedoch nur auf dem Papier. In Rheinland-Pfalz sind sämtliche (!) Schulen laut Artikel 29 der Landesverfassung "christliche Gemeinschaftsschulen" – folgerichtig fordern die Schülerinnen und Schüler zunächst also eine entsprechende Umwidmung. Das Bildungsministerium unter Leitung von Stefanie Hubig (SPD) lehnte ab, erst mit der laut Institut für Weltanschauungsrecht (ifw) falschen Begründung, dass dafür eine Grundgesetzänderung nötig sei, dann mit der ebenso falschen Behauptung, bekenntnisfreie Schulen sollten nach dem Willen des Verfassungsgebers die Ausnahme sein.

Fast zeitgleich wurde bekannt, dass der Kulturminister des Landes, Konrad Wolf von der SPD, die Verhandlungen über die Voraussetzungen für die Einführung des islamischen Religionsunterrichts an rheinland-pfälzischen Schulen wiederaufgenommen hat. Was ist hier los? Auf der einen Seite versucht die Landesregierung "mit allen (auch unlauteren) Mitteln", wie das ifw bei Facebook schrieb, "den guten und zukunftsweisenden Vorschlag" der LSV RLP abzuwehren, auf der anderen zieht sie jedoch das Schaffen neuer Verhältnisse wie selbstverständlich in Betracht, wenn es darum geht, die Aufspaltung der Schüler in verschiedene Religionsklassen sogar noch weiter auszubauen.

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Religionsunterricht sei wichtig für die Identitätsfindung von Kindern und Jugendlichen, zitiert der Spiegel das Bildungsministerium. Worauf stützt sich diese Behauptung? Und wieso sollte eine Identitätsfindung nicht auch im Rahmen eines gemeinsamen Weltanschauungsunterrichts möglich sein? Auch philosophische Fragestellungen und ethische Betrachtungen abseits einer einzelnen Glaubenslehre können bekanntlich sinnstiftend und persönlichkeitsbildend sein.

Eine Abschaffung sei weder erforderlich noch zielführend, erklärte die Behörde jedoch gegenüber dem SWR. Woher kommt diese Einschätzung? Erleben wir hier einen neuen Akt im Dauerbrenner "Kirchenrepublik Deutschland"? Dazu passen würde die Einschätzung der Kirchen, die zwar aus ihrer Position verständlich ist, aber auch eine verdächtige Ähnlichkeit zur Position des Ministeriums aufweist: Gereon Geissler, Bildungsdezernent des Bistums Mainz, ließ den SWR wissen, der Religionsunterricht würde "junge Menschen zu einem verantworteten religiösen Bekenntnis und zu einer kenntnisreichen Toleranz gegenüber anderen Religionen und Weltanschauungen (…) befähigen". Ein Kollege der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau ergänzte: "Erst in der Auseinandersetzung mit einem greifbaren Modell gelebter christlicher Existenz (…) können Schülerinnen und Schüler eine eigene Identität und Haltung ausprägen – durch Identifikation, aber auch durch Abgrenzung."

Eine verblüffende Ehrlichkeit, die einen aufhorchen lässt: Ist nicht eine gemeinsame Identitätsfindung wichtiger und gesellschaftlich sinnvoller als eine Abgrenzung? Ist es in der heutigen pluralistischen Zeit nicht wichtiger, Gemeinsamkeiten zu finden, anstatt Unterschiede hervorzuheben? Für das rheinland-pfälzische Bildungsministerium scheint das jedenfalls kein Kriterium zu sein.