Kommentar

EU-Blasphemiegesetz gegen Antisemitismus?

Antisemitische Parolen auf Demonstrationen, ein Brandanschlag auf eine israelische Flagge am Düsseldorfer Rathaus: Während der Nahost-Konflikt eskaliert, offenbaren solche Szenen, wie stark dieses menschenverachtende Denken in Deutschland noch immer verbreitet ist. In der Debatte um staatliche Gegenmaßnahmen prescht Manfred Weber mit einer absurden Forderung vor: Der CSU-Mann und EVP-Fraktionsvorsitzende im EU-Parlament will dem Antisemitismus mit einer Art europäischem Blasphemieparagrafen die Stirn bieten.

Der Aufruf zum "Hass gegen Religionen" müsse "europaweit ein Strafbestand werden"; Zuwiderhandlungen sollten "harte Strafen" nach sich ziehen, forderte Weber in der Diskussionsrunde "Der Sonntag-Stammtisch" des BR-Fernsehens.

Ein Strafgesetz also, das antisemitische Tendenzen in der Bevölkerung eindämmen soll. Das passt zum Stammtisch. Während Fachleute über komplexe Ursachen und Lösungswege diskutieren, eine konsequente Anwendung bestehender Gesetze und eine verbesserte Bildung anmahnen, kann dieser Vorschlag bestenfalls als unterkomplex bezeichnet werden.

Welchen ganz anderen, offensichtlichen Effekt ein solches EU-Gesetz auf Deutschland hätte, dürfte dem gläubigen Christen Manfred Weber indes nicht entgangen sein: Es würde das Gotteslästerungs-Verbot im deutschen Strafrecht zementieren. Bis heute droht der Paragraf 166 StGB bei Zuwiderhandlung mit einer Geldstrafe oder Haft bis zu drei Jahren. Ein Relikt aus früheren Zeiten, weshalb säkulare Verbände seit langem dessen Abschaffung fordern. Wen überrascht es, dass Webers CSU sich vehement gegen die Streichung ausspricht? EU-Staaten wie Dänemark, Frankreich, Irland und Griechenland sind hier schon erheblich weiter.

Die Vorfälle der letzten Tage haben uns deutlich vor Augen geführt, dass der Antisemitismus in Deutschland eine ernste Gefahr darstellt. Jeder Versuch, diese Bedrohung durch Ausweitung von überholten Gesetzen zu bannen, ist zum Scheitern verurteilt.

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