Vergangenen Freitag eröffnete die Regionalgruppe der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) in Köln einen weiteren Evolutionsweg. Mit dabei waren auch bekannte Vertreterinnen und Vertreter der säkularen Bewegung.
Von der Zülpicher Straße entlang des Alphons-Silbermann-Wegs und der Platanenallee bis zur Bachemer Straße kann man nun anhand von 20 Schautafeln auf 460 Metern 4,6 Milliarden Jahre Erdgeschichte nachvollziehen. Es ist bereits der 13. Standort des Konzepts Evolutionsweg, das von der gbs Rhein-Neckar entwickelt wurde. Ein Vertreter dieser Erfinder-Regionalgruppe, Friedrich Coradill, sprach zur Eröffnung, der auch einige bekannte säkulare Vertreterinnen und Vertreter beiwohnten: "Es gibt durchaus Leute, die der Meinung sind, dass solche Wege überflüssig sind, da doch jeder das Thema kennt und die Evolution Standard-Lehrstoff in den Schulen ist", so Coradill. "Das stimmt leider nicht so ganz. In Deutschland glauben 17 Prozent der Bevölkerung nicht an die Evolution und das ist immerhin ein Sechstel. In anderen Ländern sieht es noch krasser aus: In der Türkei zum Beispiel wurde der Stoff sogar aus dem Schulunterricht verbannt. An deutschen Schulen haben die Schüler ab der 1. Klasse Religionsunterricht, aber erst in der 8. bis 10. Klasse wird ihnen die Evolution beigebracht, das heißt, die Schöpfung hat viele Jahre Vorsprung. Das gilt es abzustellen." Außerdem wies er darauf hin, dass die Menschheit neben der Klimakrise ein noch größeres Problem habe, "nämlich das siebte große Massenaussterben. Die ersten sechs Massenaussterben haben jeweils mehrere tausend Jahre gedauert. Der Mensch schafft das diesmal in 200 Jahren. Diese Erkenntnis ist insbesondere für junge Menschen wichtig."
Ebenfalls zur Eröffnung gekommen war der Vorstandssprecher der Giordano-Bruno-Stiftung, Michael Schmidt-Salomon. "'Nichts in unserem Leben ergibt einen Sinn – außer: man betrachtet es im Lichte der Evolution.' Wenn dieser Satz zutrifft, dann gibt es kaum einen bedeutsameren Lehrpfad als einen Evolutionsweg", stellte er zu Beginn fest. "Denn die Evolutionstheorie ist nicht nur der wichtigste Baustein des modernen Weltbildes, sie hilft uns auch zu begreifen, wer wir sind und woher wir stammen. Nicht zuletzt schärft sie unseren Blick für das, was wesentlich und was unwesentlich ist: Wer die Evolution nämlich wirklich verstanden hat, der begreift auch, dass Religionen, Nationen, Völker bloß vorrübergehende soziale Konstrukte sind, die zwar vielen als ungemein bedeutsam erscheinen, die aber in Wahrheit nur eine fundamentale Tatsache des Lebens verdecken, nämlich, dass uns Menschen untereinander sehr viel mehr verbindet als trennt."
Und weiter: "Zusammen mit allen anderen Lebensformen auf der Erde bilden wir eine einzigartige große Familie, deren Ursprünge in winzig kleinen Zellen liegen, welche vor Jahrmilliarden auf der Erde entstanden sind. Dies ist eigentlich eine sehr schöne, ja eine geradezu anrührende Vorstellung. Dennoch gibt es weltweit (und vereinzelt auch hier in Deutschland) erhebliche Widerstände gegen die Evolutionstheorie. Viele Menschen können und wollen es einfach nicht hinnehmen, dass wir eben nicht die 'Krone der Schöpfung' sind, sondern bloß die 'Neandertaler von morgen'." Darwins "gefährliche Theorie" habe uns vor Augen geführt, dass wir "nackten Affen" uns von anderen irdischen Lebensformen nur graduell, nicht prinzipiell unterschieden. "Andererseits jedoch verdeutlicht gerade Darwin, wodurch sich unsere Spezies gegenüber allen anderen Lebensformen ganz besonders auszeichnet. Denn: Im Menschen ist sich die Evolution ihrer selbst bewusst geworden – zum ersten Mal auf diesem Planeten, möglicherweise sogar erstmalig in der gesamten Milchstraße. Die Evolution hat Jahrmilliarden gebraucht, um ein Wesen hervorzubringen, das in der Lage ist, den evolutionären Prozess zu durchschauen."
Außerdem zur Eröffnung gekommen waren die Geschäftsführerin der gbs, Elke Held, sowie die Beiräte der Stiftung Christoph Antweiler (Ethnologe und Paläöntologe) und Ingrid Matthäus-Maier (frühere Bundestagsabgeordnete). Ebenfalls vor Ort war die Vorsitzende des Zentralrats der Ex-Muslime, Mina Ahadi. Sponsorinnen und Sponsoren, sowohl Verbände als auch Einzelpersonen, hatten die Verwirklichung des Evolutionslehrpfads in der Domstadt möglich gemacht. Eine Genehmigung zur Errichtung zu erhalten, sei kein Problem gewesen, betonte die anwesende Bezirksbürgermeisterin Cornelia Weitekamp (Grüne). Das war in der Vergangenheit nicht immer so problemlos verlaufen – in den kleinen Gemeinden Saterland und Hellenhahn-Schellenberg (der hpd berichtete jeweils) war die Aufstellung gescheitert. Letztere hatte es damit bis in die Satiresendung "Extra 3" geschafft.
Eine Meldung zum neuesten Evolutionsweg findet sich auch auf der Website von Evokids.
2 Kommentare
Kommentare
Adam Sedgwick am Permanenter Link
Herzlichen Glückwunsch zur weiteren Einrichtung eines Evolutionsweges. Es ist erstaunlich, dass immer noch 17% der Bevölkerung nicht an die Evolution „glauben“.
Im vorigen Jahr waren meine Tochter und ich zur Eröffnung des Evolutionsweges in Kyritz, BRB, der uns gut gefallen hat und sollten dort etwas über die Evolution berichten. Allerdings, und das war vielleicht unser Fehler, denn der Ursprung des Planetensystems und der Erde begann mehr als 1km vom Treffpunkt entfernt, man war schon etwas erschöpft, vor allem einige der älteren, gehbehinderten Teilnehmer, „bevor die Evolution überhaupt erst begonnen“ hat. Beim nächsten Mal wäre es vielleicht sehr viel besser, man beginnt, auch bei der Aufstellung der erläuternden Hinweisschilder, mit dem HEUTE, also ausgehend vom modernen Menschen und geht dann immer weiter zurück in die Vergangenheit, wobei die zehn geologischen Epochen bis zum Kambrium in recht kurzen Abständen zu erreichen sind. Auf dieser Strecke passiert ja auch das Meiste, zumindest was man gut verstehen kann. Das ganze Thema Entstehung des Universums vom Urknall bis zur Entstehung der Erde erfordert recht fundierte Kenntnisse der Quanten-Physik und Relativitätstheorie, die man nicht immer gleich parat hat, und zusätzlich sind die Stationen einige Kilometer voneinander entfernt.
Natürlich ist die Existenz des Lebens auf unserer Erde einfach sehr erstaunlich, eigentlich kaum zu begreifen in seiner Vielfalt und Schönheit, nicht nur der einzelnen Organismen, sondern auch im komplexen Zusammenspiel miteinander. Es ist das Spannendste, was die Natur zu bieten hat. Die Evolutionstheorie gibt uns zwar einen kleinen Einblick in die Mechanismen zur Entstehung der Vielfalt, aber es bleibt immer etwas Erstaunliches und Bewundernswertes bei jeglichen sensiblen Erden-Mitbewohnern zurück. Allein, dass es eine vier Milliarden Jahre lang andauernde, ununterbrochene Kette fortlaufender biochemischer Reaktionen gibt, ist unfassbar. Seitdem laufen nämlich zum großen Teil dieselben biochemischen Reaktionen ohne Unterbrechung ab. Wir spüren auch heute noch bei jeder Begegnung mit einem Tier, dass wir uns mit ihm einen gemeinsamen Vorfahren teilen. So gesehen handelt es sich beim Töten eines Tieres um einen erweiterten Verwandtenmord. Nun nicht so dramatisch kann man sagen, wir Menschen sollten uns selbst den Auftrag geben, uns respektvoll gegenüber jeglichem Leben, auch dem der Pflanzen, zu verhalten, uns also schlicht anständig benehmen. Dazu gehört sicherlich nicht der Auftrag der Bibel: Macht Euch die Erde untertan.
A.S. am Permanenter Link
Die Evolution ist auf Entwicklung und Komplexität angelegt. "Bewahrung" des Status Quo, Bewahrung der "Schöpfung" ist der Evolution wesensfremd.
Bewahrung des "Status Quo" in der Menschenwelt läuft immer auf Bewahrung oder der sozialen Machtstrukturen heraus.