Muslimin will Niqab im Auto tragen

Vermummt am Lenkrad

Niqab – diese Verschleierung will eine Muslimin aus dem rheinischen Neuss auch dann tragen, wenn sie am Steuer ihres Autos sitzt. Sie beantragte bei der Bezirksregierung Düsseldorf eine Ausnahmegenehmigung. Die braucht sie zur Verwirklichung ihres Wunsches. Schließlich heißt es in Paragraf 23 Absatz 4 Satz 1 der Straßenverkehrsordnung: "Wer ein Kraftfahrzeug führt, darf sein Gesicht nicht so verhüllen oder verdecken, dass er nicht mehr erkennbar ist." Religionsfreiheit gegen Verkehrssicherheit – rechtlich ist der Fall noch in der Schwebe.

Wird bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung behördlich geblitzt, so lässt sich anhand des Fotos bei einer Verhüllung jedoch nicht nachweisen, wer da gefahren ist. Das Verfahren wird eingestellt, die durch die Verhüllung vor Verfolgung geschützte Person kann auch in Zukunft den Straßenverkehr gefährden, ohne dass sie eine Verfolgung befürchten muss.

Mit Blick auf den Niqab erscheint die strenge Regelung der Straßenverkehrsordnung besonders nachvollziehbar: Kopf, Hals und Oberkörper sind von einem undurchsichtigen dunklen Stoff bedeckt. Ein nur wenige Zentimeter breiter horizontaler Sehschlitz für die Augen bleibt unbedeckt.

Kann da die Religionsfreiheit mehr Gewicht haben als das Interesse an einem sicheren Straßenverkehr und der dafür erforderlichen Sanktionierung von Verkehrsverstößen? Die Neusserin begründet nämlich ihren Wunsch, den Niqab auch beim Autofahren zu tragen, so: Sie sei Muslima, und der Koran schreibe vor, dass die gläubigen Frauen ihre Blicke niederschlagen, ihre Scham hüten und ihre Reize nicht zur Schau tragen sollen (Sure 24, Vers 31 sowie Sure 33, Vers 53 und 59). Sie bedecke sich freiwillig und sehe es als sexuelle Nötigung an, wenn man sie dazu zwinge, ihren Niqab am Steuer abzulegen.

Die Bezirksregierung Düsseldorf lehnte ihren Antrag auf Ausnahmegenehmigung ab, das Verwaltungsgericht Düsseldorf bestätigte diese ablehnende Entscheidung. Doch das Oberverwaltungsgericht Münster urteilte nun, die Sache müsse noch einmal unter Abwägung aller Aspekte entschieden werden. Dabei hatte sich das Verwaltungsgericht Düsseldorf in seiner Entscheidung ausgiebig mit den Argumenten auseinandergesetzt und dabei selbst abwegig erscheinende Aspekte beleuchtet.

Da wurde etwa überlegt, warum die den Ausnahmeantrag stellende Muslimin eigentlich ein Auto nutzen wolle und nicht stattdessen mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahre. Dagegen hatte sie argumentiert, dass sie in Bahnen und Bussen mit ihrer Verhüllung Anstoß errege und Anfeindungen ausgesetzt sei. Sodann wurde erörtert, dass die Antragstellerin doch auch einen Führerschein für Motorräder habe. Da könne sie doch auch dieses Verkehrsmittel nutzen, wobei ein Integralhelm mit dunkel getöntem Visier das gesamte Gesicht wirkungsvoll verbergen könne.

Während solcherart Argumente denn doch arg paternalistisch klingen in dem Sinne, dass von oben herab geraten wird, statt des Autos doch öffentliche Verkehrsmittel oder das Motorrad zu nehmen, geht es in der weiteren Argumentation dann doch zum Kern der Sache. Wenn sie all das nicht wolle, so sei ihr doch zuzumuten, im Auto ohne Niqab zu fahren und sich gegebenenfalls auf ein Kopftuch zu beschränken. Denn das abgeschlossene Kfz erfülle doch bereits weitgehend den Zweck, den sie mit dem Niqab verfolge. Die Richter: "Blicke oder gar Zugriffe fremder Männer oder sonst als nicht sittsam empfundene Annäherungen (...) werden bereits durch die Konstruktion des Kraftfahrzeugs als rollender Schutzraum weitgehend unterbunden: verschlossene Türen, Scheiben, dunkleres Wageninnere, Motorkraft, Möglichkeit zur schnellen Entfernung."

Behörde und Richter halten der von der Muslimin für sich reklamierten Religionsfreiheit entgegen: Neben dem Argument, dass sie auf Blitzerfotos dann nicht identifizierbar sei, komme eine direkte Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit hinzu. Der Niqab verhindere nämlich die Rundumsicht der Fahrerin. Und dann sei ja auch noch denkbar, dass er verrutsche und bei plötzlich notwendig werdenden Verkehrsmanövern die Augen verdecken könne. Und noch etwas: Verkehrsteilnehmer nutzten auch die nonverbale Kommunikation, gäben sich Zeichen zur Verständigung. Dazu zählten neben Handzeichen auch Mimik oder Lippenbewegungen. All das funktioniere nicht bei einem Niqab.

Alles in allem greife der Paragraf 23 Absatz 4 Satz 1 StVO nicht besonders tief in die Religionsfreiheit ein, weil die Vorschrift die Bedeckung des Kopfes nicht vollständig verbiete, so das Verwaltungsgericht Düsseldorf. Die Norm gebiete lediglich, das Gesicht unbedeckt zu lassen. Der übrige Kopf einschließlich der Haare, der Ohren und der Halspartie dürften bedeckt werden.

Lässt man einmal die etwas schrägen Argumente beiseite, die Muslimin könne ja auch Bus, Bahn oder Motorrad fahren, so haben sich Bezirksregierung und Verwaltungsgericht doch recht ausführlich mit den Argumenten befasst, die dafür sprechen, die Religionsfreiheit hinter die Verkehrssicherheit auch anderer Verkehrsteilnehmer zurücktreten zu lassen. Umso überraschender dürfte die Entscheidung der nächsthöheren Gerichtsinstanz sein, die den Fall nun erst einmal rechtlich in der Schwebe hält: Das Oberverwaltungsgericht Münster nämlich, dass die Bezirksregierung Düsseldorf noch einmal neu über den Antrag auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung entscheiden muss.

Zu Unrecht habe die Behörde etwa darauf abgestellt, dass das Verhüllungs- und Verdeckungsverbot auch die nonverbale Kommunikation im Straßenverkehr sichere. Diese sei, soweit sie im Straßenverkehr überhaupt erforderlich ist, durch den Niqab nicht beeinträchtigt. Auch die Annahme der Behörde, dass ein Niqab die Rundumsicht beeinträchtige, treffe in dieser Allgemeinheit nicht zu, wovon sich der Senat in der mündlichen Verhandlung überzeugt habe. Offensichtlich hat die Muslimin ihre Fähigkeit zum Rundumblick im Münsteraner Gerichtssaal überzeugend unter Beweis gestellt. Die Richter fordern nun die Behörde auf, bei ihrer anstehenden erneuten Entscheidung über den Fall zu erwägen, ob man der Muslima das Tragen des Niqab erlauben könne, wenn ihr gleichzeitig auferlegt wird, dass ein Fahrtenbuch geführt wird. Dann ließe sich bei einem Verkehrsverstoß und dessen Dokumentation durch einen Blitzer feststellen, wer da im fraglichen Augenblick hinter dem Steuer saß.„“

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