Wird ein Bundeskanzler erst im zweiten Wahlgang gewählt, so ist das für diesen ein politisches Desaster. Wird ein Papst schon im vierten Wahlgang des Konklaves gewählt, sagt das: Er versteht es offenbar, Brücken zu bauen, oppositionelle Lager innerhalb der Kirche zu vereinen. Und wenn er dann noch in einem für einen Papst süßen Teenageralter von 69 Jahren ist und alle wissen, dass er die Geschicke seiner Kirche womöglich über Jahrzehnte prägen wird, so zeigt das, dass ihm offenbar großes Vertrauen entgegengebracht wird. Habemus Papam. Dieses Mal einen Leo. Einen Löwen also.
Es war ein Live-Stream mit großem Entspannungsfaktor. Der Schornstein der Sixtinischen Kapelle war zwei Tage lang im Blick diverser Kameras. Einzige Abwechslung in dem tristen Bild: die eine oder andere Möwe landete auf dem Vatikan-Dach. Bis zum Donnerstag, als um 18.07 Uhr weißer Raucher aufstieg. Wer sich übrigens für die Pyrotechnik der vatikanischen Rauchmacher interessiert und wie diese es hinbekommen, dem Rauch die gewünschte Farbe zu geben, der ist hier gut informiert.
Nun also sind die Livestreams abgeschaltet und der Schornstein wird bald wieder abgebaut. Auch das Spiel mit den Onlinetools kardinal-o-mat.de und kardinalomat.de ist jetzt uninteressant. Hier konnten Nutzer ihre eigenen Überzeugungen zu kirchenpolitischen Themen abgleichen mit den Positionen verschiedener zur Wahl stehender Kardinäle. Und herausfinden, mit welchem potenziellen Papst sie die größte inhaltliche Übereinstimmung haben. Tatsächlich wählen durften freilich nur 133 alte Herren – die in der Sixtinischen Kapelle eingeschlossenen Kardinäle. Und die haben sich für einen entschieden, den alle diejenigen nicht auf dem Zettel hatten, die sich auszukennen glaubten. Sie hatten auf einen Mann des globalen Südens gesetzt. Dass all das so schnell ging, dafür hatte der deutsche Kardinal Reinhard Marx eine schlüssige Erklärung. Es sei die "Dynamik des Heiligen Geistes" gewesen, analysierte er im ZDF.
Leo XIV. und Donald Trump – wie wird das?
Nun nimmt mit Robert Prevost also der erste US-Amerikaner auf dem Papststuhl Platz. Robert F. Prevost, der sich Leo XIV. nennt. Potenziert das gar das Trump'sche Motto "Make America Great Again"? Nach dem Alphamenschen in Washington gibt es nun auch noch einen in Rom. US-Präsident Donald Trump hatte vor ein paar Tagen ja sogar selbst in einer kindischen und viel kritisierten Aktion mittels Künstlicher Intelligenz ein Bild erzeugt: er selbst im Papstornat. Eigentlich müssten ihm da sofort Zweifel gekommen sein. Wäre sein Dienstwagen dann doch nur noch das Papamobil, das neben den Tesla-Rennsemmeln seines Buddies Elon Musk denn doch recht schlicht erscheint. Vor allem aber müsste Trump doch klar sein, dass Papst nur ein Stellvertreter-Posten ist. Stellvertreter zu sein, damit dürfte er sich nie anfreunden.
Mit 77 Millionen sind ein knappes Viertel der US-Amerikaner katholisch. Beherrschend sind evangelikale Protestanten mit rund 26 Prozent und Protestanten mit etwa 18 Prozent. "Wir sind Papst" dürfte also nur eine Minderheit der gläubigen Amerikaner ausrufen. Donald Trump, der sich als nicht konfessionsgebundener Christ bezeichnet hat, hat zwar direkt euphorisch reagiert, als er sagte: "Es ist solch eine Ehre, zu realisieren, dass er der erste amerikanische Papst ist." Dies sei aufregend und eine "große Ehre" für die USA. Er freue sich darauf, Papst Leo XIV. zu treffen. "Es wird ein sehr bedeutsamer Moment sein!". Ja klar, weil er dabei ist.
Doch ganz so begeistert dürfte Trump über den Neuen im Vatikan, der aus der Obama-Stadt Chicago stammt, denn doch nicht sein. Ist da doch nun ein zweiter Amerikaner, mit dem er sich die Bühne teilen muss. Das Scheinwerferlicht strahlt auch auf einen Landsmann in Rom. Zumal dieser sogar in einem imposanteren Haus wohnt. Und Trump vielleicht politisch in die Quere kommen kann. Dass der neue Papst die Weltsprache Englisch (neben Spanisch und Italienisch) spricht, dürfte seinen Worten weltweit Durchschlagskraft verleihen.
Vordergründig haben beide die gleiche Botschaft: Trump hatte im Wahlkampf versprochen, den Ukraine-Krieg binnen 24 Stunden nach seinem Amtsantritt zu beenden. Hat nicht geklappt. Leo verkündete nach seiner Wahl sofort die Botschaft "Pace", Frieden. Auch das ist erst einmal nur ein Wunsch, ein Gebet, eine Hoffnung. Doch Päpste, wir kennen das aus der Vergangenheit, können durchaus auch politisch Berge versetzen. Der polnische Papst Johannes Paul II. hat den polnischen Widerstand gegen das kommunistische Regime seines Heimatlandes in den 1980er Jahren durchaus gestärkt. Vielleicht kann auch Leo XIV. so etwas wie ein Mutmacher seiner Landsleute in den USA sein.
Vor ein paar Wochen hatte er etwa dem (katholischen) US-Vizepräsidenten J.D. Vance widersprochen. Dieser hatte gesagt, dass nach den Worten von Jesus die Liebe zu seinen Nächsten über der Liebe zu Fremden stehe. Prevost dazu auf der Plattform X: "J.D. Vance liegt falsch. Jesus will nicht, dass wir unsere Liebe zu anderen abstufen." Wie weit sich der neue Papst politisch auch in die Angelegenheiten seines Heimatlandes einmischen wird, dürfte interessant werden.
Erwartungen und Hoffnungen von Missbrauchsopfern
Wie er sich kirchenpolitisch positionieren wird, ist offen. Fachleute sagen, dass Prevost, der jahrzehntelang in Peru missioniert hat und zuletzt so etwas wie der Personalchef des Vatikan war, der die Bischöfe aussuchte, im Sinne seines Vorgängers Franziskus weitermachen wird. Aber ganz so bescheiden wie Franziskus, der mit dem Satz "Der Karneval ist vorbei" begründet hatte, warum er sich eher schlicht kleidete, ist der neue Papst Leo XIV. nicht: Er trat mit rotem Umhang und Stola vor sein auf dem Petersplatz jubelndes Kirchenvolk. Ein Mann, der so schnell die Zustimmung im konservativen und eher reformerischen Lager der Kardinale fand, mag zwar als Brückenbauer gelten. Man könnte aber auch sagen: als einer, mit dem alle leben können. Was eher dagegen spricht, dass er radikale Reformen anpackt, wie etwa Frauen zu Priestern zu weihen oder den Zölibat aufzuheben.
In Sachen Aufklärung sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche wird Prevost vorgeworfen, in seiner Chicagoer Zeit diesen nicht konsequent verfolgt zu haben. Was er bestreitet. Bei den Betroffenen von sexuellem Missbrauch ist die in den neuen Papst gesetzte Erwartung indes groß. Die Berliner Morgenpost zitierte Matthias Katsch, den Sprecher der Betroffenenintiative Eckiger Tisch, dass man Veränderungen in der katholischen Kirche erwarte: "Die Herausforderungen sind groß. Die notwendigen strukturellen Veränderungen reichen von der Reform des Kirchenrechts, die Einführung von klaren Verfahren und transparenten Prozessen, wenn es um den Umgang mit Verdachtsfällen geht, hin zu einer veränderten Haltung der katholischen Kirche zur menschlichen Sexualität", sagte Katsch. "Die Lernkurve muss steil sein. Denn es ist schon sehr viel Zeit verschwendet worden. Drei Päpste sind nun schon mit der Missbrauchskrise befasst gewesen, die sich zu einer globalen Krise der Glaubwürdigkeit für die Kirche entwickelt hat. Und wir warten immer noch auf durchgreifende Konsequenzen." In den neuen Papst habe er aber große Hoffnungen. "Er bringt gute Voraussetzungen mit", meint Katsch. In seiner zweiten Heimat Peru habe sich Prevost für Betroffene von sexuellem Missbrauch eingesetzt.
16 Kommentare
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Kommentare
Noah Weiss am Permanenter Link
Warum wird das Positive verschwiegen? Zitat Tagesschau: "Allerdings sind nicht alle im Trump-Lager begeistert.
Petra Pausch am Permanenter Link
Im Text steht (ich zitiere): "Vor ein paar Wochen hatte er etwa dem (katholischen) US-Vizepräsidenten J.D. Vance widersprochen.
Was genau also fehlt Ihnen im Artikel?
Noah Weiss am Permanenter Link
In der Tagesschau steht mehr, das lesen Sie doch selbst. Deshalb ist Ihre Frage scho a bisserl Adabei.
Klaus Bernd am Permanenter Link
Meiner Meinung nach geht es um zwei grundverschiedene Arten von Liebe.
Die andere Form der Liebe, die sich in konkreten Situationen äußern muss, kennt aber sehr wohl diese vom Kirchenlehrer (!) Augustinus, auf den sich Vance ja bezieht, formulierte Abstufung. Man muss sich nur mal die Frage stellen, wie man sich in einer Situation, in der eine Art Triage erforderlich ist, entscheiden würde. Rettet man das eigene Kind aus dem brennenden Haus oder das des Nachbarn ? Kümmert man sich im Fall einer Flutkatastrophe erst um die eigene Familie ?
Wie man sieht ist es leicht, abgehobene theologische Liebesgefühle zu fordern und zu empfinden, solange sie sich nicht im realen Leben bewähren müssen.
Und dann gibt es als drittes ja noch die unendliche götlliche Liebe, die wie man weiß die ganze Menschheit umfasst und sich dadurch äußert, dass Gott gar nichts tut.
Paul München am Permanenter Link
"...die unendliche göttliche Liebe, die wie man weiß die ganze Menschheit umfasst und sich dadurch äußert, dass Gott gar nichts tut."
Sehr treffende Formulierung! Das ist zu erweitern auf die "Gottesmutter" Maria, der von Gläubigen hartnäckig unterstellt wird "Maria hat geholfen" ohne jeglichen Beweis.
Die "Heiligen" wurden auch nie gefragt, ob sie bereit sind, das verantwortungsvolle Amt eines "Schutzpatrons" zu übernehmen, ebensowenig haben sie eine Erklärung dazu abgegeben.
Stefan Dewald am Permanenter Link
Wo Papst draufsteht ist Dogma drin. Mehr muss man nicht wissen.
Roland Fakler am Permanenter Link
Schade, dass Kardinäle ihre Bibel nicht kennen oder kennen wollen, denn Jesus sagte sehr wohl etwas zur abgestuften Liebe: Matthäus 10,37 sagte er:
„Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig; und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig.“
Ähnliche Aussagen finden sich auch in Lukas 14,26, wo Jesus noch schärfer formuliert:
„Wenn jemand zu mir kommt und hasst nicht seinen Vater und seine Mutter, seine Frau und Kinder, seine Brüder und Schwestern, dazu aber auch sein eigenes Leben, so kann er nicht mein Jünger sein.“
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Ach wie schön und unkompliziert könnte die Welt ohne Religionen sein, wir müssten uns nur um wichtige Dinge des Lebens kümmern und uns nicht um erfundenen Unsinn streiten
lösen, aber Intellekt ist nicht das hervorstechende Attribut der Menschheit, sondern
Eigensinn und Besserwisserei, leider.
Paul München am Permanenter Link
Wenn der "Heilige Geist" tatsächlich geholfen hätte, hätte der neue Papst dann nicht im ERSTEN Wahlgang schon die nötige Mehrheit bekommen müssen?
awmrkl am Permanenter Link
Soweit reichen die zutiefst-theologische Dialektiken doch nicht, wo denken die Ungläubigen denn da hin!!!
Pfui ätsch!
Manfred Schleyer am Permanenter Link
Wenn er Frieden schaffen will, dann könnte er dem Patriarchen in Moskau mal die Leviten lesen. Oder den Israelis und Palästinensern die christliche Feindesliebe beibringen ...
W. Klosterhalfen am Permanenter Link
Zum Verdacht, dass sich Kardinal Prevost nicht ausreichend um Missbrauchsfälle gekümmert hat: https://www.newsweek.com/survivors-clergy-abuse-group-pope-leo-zero-tolerance-2069855 .
Andreas WERNER am Permanenter Link
Warum bestimmen die Katholiken nicht mal einen Papst, der nie stirbt, der unsterblich ist!?!
Dann gäbe es nicht immer dieses Spektakel, diese Aufregung um die Papstwahl.
Der Papst müsste sich doch biologisch grundlegend von anderen(normalen) Menschen unterscheiden. Wie Unsterblichkeit oder doppelt so lange Lebenszeit wie andere Menschen. Wie es ja in der Tierwelt vorkommt.
Mit einem biologisch grundlegend anderen/besseren Menschen als Papst müsste man dem Katholizismus etwas Besonderes zugestehen und ich würde vielleicht auch noch zum Katholizismus konvertieren.;-)
Und wieso benötigt es so etwas weltlich Profanes wie eine Wahlveranstaltung? Der Papst ist doch der Abgesandte und Vertreter Gottes auf Erden. Vertreter werden doch von dem Vertretenen, hier Gott, bestimmt. Der Vatikan hat doch die besten Kanäle zu Gott!?! Warum klappt das nicht?
Thomas Spickmann am Permanenter Link
Aber Leo XIV ist, glaube ich, erst 62. Kann sein, dass es 25 Jahre keine Papstwahl mehr gibt. So lange bleibt uns dann dieses Theater erspart.
Noah Weiss am Permanenter Link
Robert Francis Prevost
September 14, 1955 (age 69)
Chicago, Illinois, US
https://en.wikipedia.org/wiki/Pope_Leo_XIV
Bluewhitedotinthesky am Permanenter Link
In den spanischen Medien und BBC wird über die Racheaktion von El Sodalicio de vida cristiana berichtet, die verhindern wollte, dass Prevost Papst wird.