Seit 1954 ist es Religionsgemeinschaften in den Vereinigten Staaten verboten, explizite Wahlempfehlungen auszusprechen, wenn sie ihre Steuerbefreiung behalten wollen. In einem aktuell laufenden Gerichtsverfahren argumentiert der Internal Revenue Service (IRS), dass dieses Gesetz verfassungswidrig sei, weil es das Recht auf freie Meinungsäußerung beschneide. Die Freedom From Religion Foundation warnt: Wenn dem Finanzamt ein Gesetz nicht schmeckt, kann es zwar dagegen klagen, aber nicht unilateral dessen Durchsetzung verweigern.
Das 1954 verabschiedete und nach dem damaligen Senator und späteren Präsidenten Lyndon B. Johnson benannte "Johnson-Amendment" bezieht sich formal gesehen nicht nur auf Kirchen, sondern auf alle religiösen oder wohltätigen Organisationen, die beim Internal Revenue Service (IRS) den Status 501(c)(3) innehaben. Dieser begehrte Aktenvermerk sichert den Organisationen weitreichende Befreiungen von der Steuerpflicht zu – im Austausch gegen politische Neutralität. Solchen Organisationen ist es verboten, sich "direkt oder indirekt" im politischen Bereich zu betätigen. Dies gilt konkret für Wahlempfehlungen, die sich explizit für oder gegen eine einzelne Partei oder Kandidat*in richten.
Geht es nach dem US-Finanzamt, ist dies ein grober Verstoß gegen die im ersten Verfassungszusatz verankerte Redefreiheit. So schloss sich der IRS am 7. Juli einer Klage der National Religious Broadcasters an, einer evangelikal-konservativen Organisation, die christliche Medienschaffende unterstützt. Der in Texas vorgebrachten Klage gesellten sich außerdem die First Baptist Church in Waskom und die Sand Spring Church in Athens hinzu.
Das Argument der IRS: Eine politische Wahlempfehlung sei keine "Mitwirkung" bei oder "Einmischung" in politische Fragen, sondern solle eher als "familiäre Diskussion über politische Themen" verstanden werden.
Der Vorstoß der IRS kommt zu einem interessanten Zeitpunkt. Einer 2024 durchgeführten Umfrage zufolge sind nur 29 Prozent der Erwachsenen in den USA der Meinung, dass eine Wahlempfehlung während eines Gottesdienstes angebracht ist. 2008 wiederum lag dieser Wert noch bei 13 Prozent. Zwar hält eine Mehrheit diese Vermischung von Religion und Politik noch immer für inadäquat, doch der Trend geht in Richtung Aufweichung des weltanschaulich neutralen Staats qua radikal ausgelegter Redefreiheit – eine Kerbe, in die nun sogar der Staat selbst schlägt.
De jure ist das Johnson-Amendment zwar noch gültig, de facto allerdings wird es vom US-Finanzamt bereits seit Jahren ignoriert. Der IRS selbst bekennt, dass das Gesetz "im Allgemeinen nicht durchgesetzt" wird und beruft sich dabei auf einen Exekutivbefehl von Donald Trump aus dem Jahr 2017.
Daher hat die Freedom From Religion Foundation den IRS wiederholt, aber erfolglos, dazu aufgefordert, das Johnson-Amendment wieder durchzusetzen und in den vergangenen Jahren eine stattliche Summe an Verstößen gegen selbiges angezeigt. Entsprechend "überwältigt" reagierte die NGO dann am 7. Juli, als der IRS seine Klageschrift einreichte.
Die American Humanist Organisation wiederum gab sich "enttäuscht, aber nicht überrascht", wie sie in einem Statement am 8. Juli mitteilte. Direktor Fish Stark fand klare Worte für die Argumentation der IRS: "Obwohl das Johnson-Amendment in den letzten Jahren durch laxe Durchsetzung ausgehöhlt wurde, ist es noch immer ein kleiner aber mächtiger Damm, der dem reißenden Strom an nicht nachverfolgbarem Geld, das unsere Wahlen beeinflusst, Einhalt gebietet. Es wird nicht mehr viel geben, was Milliardär*innen davon abhalten kann, Geld durch Kirchen zu schleusen, um unsere Wahlen zu kaufen", warnte Stark.







1 Kommentar
Kommentare
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Einfach nur Entsetzlich was da geschieht, die Kirchen kaufen sich die Wahlen in den USA !
Das Land der Freiheit geht in Korruption unter.