Ein Jahr nach dem Verbot des Islamischen Zentrums Hamburg (IZH) zogen Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Zivilgesellschaft und Religionsgemeinschaften in einer öffentlichen Veranstaltung des Arbeitskreises Politischer Islam (AK Polis) eine erste Bilanz. Im Mittelpunkt standen die Hintergründe des Verbots, mögliche Auswirkungen auf islamistische Netzwerke in Deutschland sowie der Umgang mit legalistischem Islamismus. Dabei wurden auch kritische Fragen zur Rolle des Staatsvertrags mit islamischen Verbänden und zu langfristigen integrationspolitischen Zielen diskutiert. Die Veranstaltung zeigte, wie komplex die Balance zwischen religiöser Freiheit und staatlicher Sicherheit bleibt.

Foto: © Fabian Hammerl / AK Polis
Das Verbot des Islamischen Zentrums Hamburg (IZH) hat seine Wurzeln in langjährigen Vorwürfen, dass das Zentrum als verlängerter Arm des iranischen Regimes in Deutschland agiere. Das IZH, das seit Jahrzehnten die Imam-Ali-Moschee an der Hamburger Alster betreibt, stand bereits seit den 1990er-Jahren im Visier deutscher Sicherheitsbehörden. Der Verfassungsschutz warf dem Zentrum insbesondere die Unterstützung extremistischer und antisemitischer Positionen vor sowie die Einflussnahme Teherans auf schiitische Gemeinden in Deutschland.
Im November 2023 leitete das Bundesinnenministerium unter Nancy Faeser schließlich ein Vereinsverbot ein. Die Entscheidung basierte auf intensiven Ermittlungen, die dem IZH unter anderem die Unterstützung islamistischer Gruppen sowie die Gefährdung der verfassungsmäßigen Ordnung vorwarfen. Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmungen folgten, um Beweise zu sichern. Parallel dazu wurden weitere Moscheevereine mit mutmaßlicher Nähe zum IZH überprüft.
Das IZH wies die Vorwürfe stets zurück und betonte seinen religiösen und sozialen Auftrag. Dennoch wurde das Zentrum im Juli 2024 offiziell verboten. Der IZH-Leiter Mohammad Hadi Mofatteh wurde ausgewiesen. Zur Begründung hieß es, das IZH propagiere eine islamistische, totalitäre Ideologie, unterstütze mit seinen Teilorganisationen die Terrororganisation Hizb Allah und verbreite einen aggressiven Antisemitismus.
Die Maßnahme markierte einen bedeutenden Schritt in der deutschen Sicherheitspolitik gegenüber ausländischem Extremismus. Kritiker sahen darin jedoch auch eine mögliche Einschränkung religiöser Freiheit, was zu Diskussionen über die Balance zwischen Sicherheit und Grundrechten führte. Zusätzlich stellen sich Fragen über den grundsätzlichen Umgang der Politik mit Religionsgemeinschaften, da das IZH bis 2022 ein prägendes Mitglied der Schura Hamburg (SCHURA – Rat der islamischen Gemeinschaften in Hamburg) war.

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In der Ankündigung der gestrigen Diskussionsveranstaltung hieß es: "Seit 2012 unterhält die Stadt Hamburg einen Staatsvertrag mit der Schura und mehreren Islamverbänden. Der Vertrag regelt unter anderem den Islamunterricht an öffentlichen Schulen, seelsorgerische Betreuung in Justizvollzugsanstalten, Sendezeiten im öffentlich-rechtlichen Rundfunk sowie die Förderung islamischer Theologie an der Universität Hamburg". Nun wurde es Zeit für eine Zwischenbilanz. Was waren die Ziele des Verbots? Wurden sie erreicht und welche Netzwerke bestehen fort?
Nicht nur der gewaltbereite Islamismus richtet sich gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung
Zunächste begrüßte Hourvash Pourkian von International Woman in Power und der Kulturbrücke Hamburg die geladenen Gäste und betonte die Notwendigkeit von Frauenrechten, Integration und interkulturellem Dialog. Sie nannte das Verbot einen überfälligen und auch notwendigen Schritt für die Hamburger Stadtgesellschaft, da vom IZH eine Gefahr für all diese Werte ausgegangen sei. Es sei wichtig für die Politik zu verstehen, dass nicht nur der gewaltbereite, sondern auch der legalistisch agierende Islamismus sich gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung richte.
Es folgte ein Vortrag von Necla Kelek, Vorsitzende des Vereins Säkularer Islam Hamburg, der die oft unbekannte Rolle des IZH über Hamburg hinaus beleuchtete. Nicht nur sei das IZH das größte schiitische Glaubenszentrum in Nordeuropa, es sei auch europaweit vernetzt und ein Weg gewesen, für die Machthaber in Teheran Einfluss in Europa auszuüben. Aber auch Meilensteine iranischer Politik wurden dort ausgearbeitet. So soll das Gesetz zur Kopftuchpflicht für Frauen im Iran im IZH ausgearbeitet worden sein.
Danach sprach Ahmad Mansour von der Initiative für Demokratieförderung und Extremismusprävention. Auch wenn es von Akteuren des Politischen Islam beziehungsweise des Islamismus oft so dargestellt werde, so gehe es keineswegs um eine pauschale Abwertung des Islam oder von Muslimen. Auch betonte Mansour die Verfehlungen der Bundesrepublik, die lange Zeit die Gastarbeiter als Problem ihrer Herkunftsländer verstand und es an echten Bemühungen um Integration mangeln ließ.

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Gleichzeitig warf er der deutschen Politik Naivität im Umgang gerade auch mit dem legalistischen Islam vor, zum Beispiel wenn Olaf Scholz den Staatsvertrag mit der Schura Hamburg ausschließlich als Zeichen der Toleranz verstanden wissen wollte. Zunehmend werde die Zukunft radikaler Muslime jedoch gar nicht mehr in Hamburg, Köln oder Berlin auf der Straße entschieden, sondern in den Sozialen Netzwerken. Hier nannte er Beispielhaft die Hamburger Bewegung Muslim Interaktiv. Akteure des politischen Islam beherrschten Online die Debatte, besonders auf TikTok, wo eine Strategie der Emotionalisierung vorherrsche.
Hitzige Debatte
Dem Vortrag folgte eine hitzig geführte Debatte zwischen Ali Ertan Toprak, Vorsitzendem der Kurdischen Gemeinde Deutschland, und Fatih Yildiz, Vorsitzendem der Schura Hamburg. Toprak nannte die deutsche Islampolitik "gescheitert" und fürchtet, dass der legalistische Islamismus Staat und Gesellschaft infiltriert habe. Auch zeigte er sich besorgt über ausländische Einflüsse etwa durch die Türkei und betonte, dass Millî Görüş die größte antisemitische Organisation der Türkei sei und direkten Einfluss auch auf Moscheevereine in der Schura Hamburg ausübe.
Fatih Yildiz wies dies zurück und betonte die Notwendigkeit von Dialog, da konservative Muslime ein Partner im Kampf gegen die Radikalisierung sein könnten. Für die Schura Hamburg wollte Yildiz eine ausländische Kontrolle ausgeschlossen wissen und wies auf die Zusammenarbeit der Schura mit den Hamburger Sicherheitsbehörden hin.
Dies wollte Toprak jedoch nicht gelten lassen und betonte erneut den Einfluss ausländischer Organisationen wie Millî Görüş, auch auf Yildiz' Moscheegemeinde, die Islamische Gemeinde Hamburg – Centrum‑Moschee e. V. Yildiz blieb bei seinem Aufruf zu mehr Dialog, der auch nicht nur bei öffentlichen Veranstaltungen stattfinden dürfe, wo zuweilen schon ein hitziges Klima vorherrsche.

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Den Abschluss des offiziellen Teils bildete schließlich eine Diskussionsrunde zum Thema "Ein Jahr IZH-Verbot - Was wurde erreicht? Was bleibt zu tun?" von Vertretern der Hamburger Politik. Es diskutierten Irene Appiah, Sprecherin der SPD-Fraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft für Kirchen und Religionsgemeinschaften, Gleichstellung und Antidiskriminierung, Anke Frieling, stellvertretende Vorsitzende der CDU-Fraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft und Michael Gwosdz, Co-Vorsitzender und Sprecher für Religionspolitik der Grünen-Fraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft. Die Diskussion verlief entlang der gewohnten Fronten und war leider wenig erhellend.
Während die Vertreterin der CDU betonte, dass der Hamburgische Staatsvertrag auch ein Vertrauensvorschuss gewesen sei und es nun gelte Vertrauen dadurch zu gewinnen, was man sehe und nicht was man rede, war es für die Vertreterin der SPD wichtig, dass die Moschee wieder ihrer ursprünglichen Nutzung als Gotteshaus zugeführt werden müsse. Auch verwies sie auf den Rechtsextremismus anspielend darauf, dass man "auch andere Sorgen" habe, was im Saal zu hörbarem Unmut führte. Der Vertreter der Grünen hingegen verwies darauf, dass man nun abwarten müsse, was Gerichte entscheiden und ob der Bund die Verwaltung des Geländes überhaupt in die Hand der Stadt Hamburg geben werde. Am Ende blieb man sich erwartbar uneins, ob der Staatsvertrag nun ein Erfolg oder Misserfolg gewesen sei, die Hoffnung, dass das Verbot des IZH auch vor dem Bundesverwaltungsgericht Bestand haben werde, teilte man.
Die Fragerunde an die Vertreter der Hamburgischen Politik, die den Abschluss bilden sollte, stellte schließlich das zerfasernde Ende der Veranstaltung dar, da sich die "Fragesteller" nicht an die mehrfach vorgetragene Bitte des Moderators Frederik Schindler (Redakteur der Welt) hielten, kurze prägnante Fragen zu stellen und sich stattdessen in ausgedehnten Meinungsbeiträgen ergingen. Gerne hätte man von den Vertretern der Politik noch mehr über ihre Vorstellungen für das weitere Vorgehen gehört. Dafür fehlte am Ende jedoch die Zeit.






