"Woche für das Leben", so heißt eine Traditionsveranstaltung der beiden Großkirchen, die in diesem Jahr zum 30. Mal stattfand. Der Schluss am 20. April markiert allerdings das endgültige Aus des Formats: Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) steigt aus der "Woche für das Leben" aus. Beobachter sehen die Entscheidung als symptomatisch für einen Abschied von der Ökumene. Die tiefen Gräben zwischen katholischer und evangelischer Kirche zeigen sich vor allem in Fragen zu Abtreibung und Sterbehilfe.
Viele werden sich noch an den Schlager von Udo Jürgens aus den 1970er Jahren erinnern. Ein Paar, das den Moralvorstellungen der Mitbewohner:innen eines Mietshauses nicht entsprach, wurde aufgefordert, das "ehrenwerte Haus" zu verlassen. So ähnlich mag es manchen Heimbewohner:innen gehen, die eine Freitodbegleitung planen und dann von ihrer Heimleitung oder dem Träger eine ähnlich unerfreuliche Nachricht erhalten: "Sie müssen sich einen anderen Ort für Ihre Freitodbegleitung suchen". Hier erhebt sich eine Einrichtung über das Selbstbestimmungsrecht eines Bewohners oder einer Bewohnerin.
Die aktuelle Erklärung des Vatikan mit dem Titel "Dignitas Infinita" (Unendliche Würde) will den weltweit 1,4 Milliarden Katholiken eine Richtschnur geben, wie sie beim Thema Menschenwürde denken sollen. Wenn sich die rund 21 Millionen deutschen Katholiken daran ein Vorbild nehmen, werden sie in wichtigen politisch-gesellschaftlichen Feldern keinen leichten Stand haben. Es geht um die auch hierzulande hochaktuellen Themen Abtreibung, Leihmutterschaft, Sterbehilfe oder sexuelle Selbstbestimmung.
Zwei Ärzte wurden wegen Totschlags angeklagt, weil sie Suizidhilfe bei einem psychisch kranken Menschen geleistet hatten. Am 1. Februar wurde der Psychiater und Neurologe Dr. Johann F. Spittler vom Landgericht Essen zu drei Jahren Haft verurteilt. Am 8. April lautete das Urteil des Landgerichts Berlin im Fall Dr. Christoph Turowski ebenfalls drei Jahre Haft. Ulla Bonnekoh versucht für den hpd eine Einordnung.
Am 26. März wurden im Landgericht Moabit die Schlussplädoyers im viel beachteten Strafverfahren gegen Dr. Christoph Turowski (74) gehalten. Die mittelgradig depressive Isabell R. hatte sich mit seiner ärztlichen Hilfe das Leben genommen. Das gestern verkündete Urteil hing ausschließlich von der zu bewertenden Freiverantwortlichkeit der Suizidentin ab.
Das Bundesverfassungsgericht erklärte am 26. Februar 2020 in einem wegweisenden Urteil den Strafrechtsparagraphen 217 für nichtig. Dieser hatte die Suizidhilfe hierzulande seit 2015 unter Strafe gestellt. Das Recht auf selbstbestimmtes Sterben schließe "die Freiheit ein, sich das Leben zu nehmen", so der Präsident des Verfassungsgerichts Andreas Voßkuhle in der Urteilsbegründung. Obwohl seit 2020 die Suizidhilfe in Deutschland wieder legal ist, gibt es vielerorts nach wie vor Unklarheit darüber, was erlaubt ist und was nicht.
Am 13. März 2024 hat das Schweizer Bundesgericht den Arzt Pierre Beck auch noch vom Vorwurf freigesprochen, Bestimmungen des Betäubungsmittelgesetzes missachtet zu haben – nachdem es ihn schon am 9. Dezember 2021 in Bezug auf das Heilmittelgesetz freigesprochen hatte –, als er einer 86-jährigen Frau ohne medizinische Diagnose Suizidassistenz ermöglichte. Damit hat das Bundesgericht einen Freispruch der Vorinstanz bestätigt. Die bisherige Berichterstattung zum Freispruch enthält einige missverständliche Aussagen und übersieht wichtige Aspekte. Eine Einordnung ist angebracht.
Paola Roldán Espinosa ist unheilbar an Amyotropher Lateralsklerose erkrankt. Um in Würde und selbstbestimmt sterben zu können, hat sie sich im August an das ecuadorianische Verfassungsgericht gewandt. Dieses hat nun in diesem Monat geurteilt, dass ein Gesetz zu legaler Sterbehilfe geschaffen werden muss. Während das Gericht mit Würde argumentiert und religiöse Gefühle in einem laizistischen Staat nicht als ausreichenden Grund für eine Kriminalisierung sieht, ist die katholische Kirche anderer Meinung. Die Bischofskonferenz rückt legale Sterbehilfe in die Nähe von Totschlag und stuft sie als diabolisch ein.
Bei einer Pressekonferenz gestern in Berlin erläuterte Prof. Robert Roßbruch, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS), die wachsende Zahl und die Motive bei den von der DGHS im Vorjahr vermittelten Freitodbegleitungen. So waren es im Jahr 2023 insgesamt 419 ärztliche Freitodbegleitungen, die für DGHS-Mitglieder in Deutschland stattfanden.
Wenige Tage nach seiner Verurteilung in Essen hielt Dr. Johann F. Spittler, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, im oldenburgischen Kulturzentrum PFL vor etwa 90 Zuhörern einen Vortrag über seine Erfahrungen als ärztlicher Sterbehelfer und Gutachter. Organisator dieser Veranstaltung war der Arbeitskreis Selbstbestimmtes Sterben Oldenburg.
Am 20. Februar begann – kurz nach dem Prozess gegen Dr. Spittler – ein weiterer gegen einen ärztlichen Suizidhelfer wegen Totschlags. Auch Dr. Turowski soll gegen den Facharztstandard zur Sicherung der Freiverantwortlichkeit verstoßen haben. Wie dieser überhaupt definiert werden kann, soll ein interdisziplinärer Ansatz und eine erste ärztliche Fortbildung für unterschiedliche Kontexte nun klären helfen.
Das Landgericht Essen hat gestern einen bekannten Psychiater wegen Totschlags zu drei Jahren Haft verurteilt, weil er einem psychisch Kranken beim Suizid geholfen hatte. Dies könnte viele Ärzte abschrecken und den Zugang zur Suizidhilfe für psychisch Kranke in Zukunft nahezu unmöglich machen. Hier einige Beobachtungen vor Ort bei der Urteilsverkündung.
Die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift "Humanes Leben – Humanes Sterben", welche von der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) herausgegeben wird, befasst sich mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, das eine Freigabe von Natrium-Pentobarbital zum Zweck der Selbsttötung verneint hat.
Eine Gruppe von Bundestagsabgeordneten um den Grünen-Politiker Armin Grau, der bisher hinter dem Strafrechtsentwurf von Lars Castellucci und anderen stand, hat zu einem Parlamentarischen Abend am heutigen 12. Dezember eingeladen. Die Initiatoren drängen auf einen möglichst zeitnahen Kompromiss für die Regelung der Suizidhilfe.
Wahlfreiheit und Selbstbestimmung bezüglich des eigenen Lebensendes sind mancherorts weit davon entfernt, geltendes Recht zu sein. Dabei ist dieses "letzte Menschenrecht" eine elementare Voraussetzung für ein würdevolles Leben und Sterben. DIGNITAS arbeitet daran, dieses Recht weltweit zu verankern.