Auch in Baden-Württemberg formiert sich der Protest gegen staatlich verordnete religiöse Bevormundung. Am Karfreitag werden dort in Karlsruhe und Stuttgart Tanzdemos stattfinden. Für eine Vorführung des Monty-Python-Films "Das Leben des Brian" verweigern die Stuttgarter Behörden jedoch die notwendige Ausnahmegenehmigung. Doch Stuttgarter Aktivisten planen, den Film trotzdem zu zeigen. Sie stützen sich dabei auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts.
Am Karfreitag 2019 werden in Karlsruhe erstmals Menschen auf dem Platz der Grundrechte zusammenkommen, um für einen weltanschaulich neutralen Staat und gegen die weltanschauliche Diskriminierung konfessionsfreier Menschen anzutanzen. Die Tanzdemo "Eiertanz zum Hasenfest" findet im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Freiheit leben – mit Recht?" statt, die von der Regionalgruppe Karlsruhe der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) ausgerichtet wird. Eröffnet wird die Kundgebung um 16:00 Uhr mit einem Walzer, gefolgt von einer bunten Mischung tanzbarer Musik.
Für ihre Tanzdemo musste die gbs Karlsruhe eine Ausnahmegenehmigung beantragen, denn die Feiertagsgesetzgebung der Bundesländer verbietet an hohen christlichen Feiertagen wie dem Karfreitag vergnügliche Veranstaltungen aller Art und verpflichtet auch Nicht-Christen und Religionsfreie zur Stille. Im Oktober 2016 hatte das Bundesverfassungsgericht allerdings den besonderen Stilleschutz an Karfreitag für unvereinbar mit der Weltanschauungsfreiheit und der Versammlungsfreiheit erklärt. Vielmehr müssten auch vergnügliche Veranstaltungen erlaubt werden, sofern diese Ausdruck einer weltanschaulichen Abgrenzung gegenüber dem Christentum seien. Ist dies der Fall, müssen die zuständigen Behörden laut höchstrichterlichem Urteil demnach Ausnahmegenehmigungen für entsprechende Veranstaltungen am Karfreitag erteilen.
Doch anders als in Karlsruhe scheint man in Stuttgart weniger auf Urteile des Bundesverfassungsgerichts zu geben. Für die Genehmigung einer von mehreren Organisationen veranstalteten Tanzdemo um 17:00 Uhr auf dem Stuttgarter Karlsplatz reichte es gerade noch. Doch eine Ausnahmegenehmigung für die öffentliche Aufführung des am Karfreitag verbotenen Films "Das Leben des Brian" (die im nordrhein-westfälischen Bochum kein Problem darstellt) wurde der gbs Stuttgart – wie bereits im Vorjahr – verweigert. Die im Eilverfahren angerufenen Gerichte hatten sich 2018 auf die Seite der Stadt geschlagen. Für den Karfreitag 2019 hatte die gbs Stuttgart ihren Antrag auf öffentliche Aufführung des Monty-Python-Films bereits einige Monate im Voraus gestellt. Er wurde erneut abgelehnt. In einer dem hpd vorliegenden Stellungnahme der gbs Stuttgart heißt es hierzu:
"Die erneute Ablehnung der beantragten Ausnahmegenehmigung durch die Stadt Stuttgart und das Regierungspräsidium des Landes Baden-Württemberg (BW) stützt sich auf die umfangreichen Stellungnahmen der beiden befragten Kirchen, ergänzt durch Argumente des Ordnungsamtes und des Regierungspräsidiums, die u. a. Befürchtungen formulieren wie: 'Im Falle der Vorführung in einer der Gaststätten könnten die Besucher durch die mit der Vorführung eines der Filme bewirkte Belustigung zu erhöhtem Alkoholgenuss in der Gaststätte motiviert werden'. Die Kirchen sehen durch eine Ausnahmegenehmigung für eine Filmvorführung ihre gesetzlich verankerten Rechte gefährdet und möchten, dass der Staat den Angriff als einen intoleranten Angriff auf ihre (!) Grundrechte abwehrt."
Wieder rief die gbs Stuttgart mit Hinweis auf das von den Behörden ignorierte Urteil des Bundesverfassungsgerichts umgehend das Verwaltungsgericht an, das am gestrigen Dienstag der gbs Stuttgart Recht gab. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts muss für die Veranstaltung eine Ausnahmegenehmigung erteilt werden, da sie auf kritische Auseinandersetzung mit dem staatlichen Karfreitagsschutz ziele und bloße Unterhaltungsinteressen nicht im Vordergrund stünden. Allerdings seien bei der Veranstaltung einige Auflagen einzuhalten: Die Vorführung muss in einem geschlossenen Raum mit überschaubarer Teilnehmerzahl stattfinden, der überdies beträchtliche Abstände zu den nächst gelegenen Kirchen aufweist.
Stattfinden wird die Brian-Vorführung im Zentrum Weissenburg (Minni Wertheimer Saal, Weißenburgstr. 28a, Stuttgart) um 20:00 Uhr. Der Einlass beginnt um 19:30 Uhr. Da es nur 80 Plätze gibt, dürfte sich rechtzeitiges Erscheinen lohnen.
14 Kommentare
Kommentare
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Nun, das sind doch schon, wenn auch kleine Schritte, in die richtige Richtung.
Niveau haben. Danach folgt nur noch Aufklärung über die Machenschaften der Kirchen in
Deutschland und weltweit.
Franz Strauß am Permanenter Link
Im Prinzip haben die Demonstranten ja recht, keine Religion darf Einfluss nehmen auf Menschen die nicht religiös sind deshalb sind staatlich verordnete Feiertage die religiösen Hintergrund haben eigentlich auch abzusc
reguläre Arbeitstage demonstrieren würden sie die Ernsthaftigkeit ihres Anliegen damit unterstreichen, somit könnten sie den Gegnern Ihre Veranstaltung den Wind aus den Segeln nehmen sie würden ja nur provozieren und Spaß Veranstaltungen durchführen.
Und wenn sie es wirklich ernst meinen ,müssten sie auch gegen den Ramadan oder das Holi Fest der Buddhisten demonstrieren weil diese Veranstaltungen ja auch religiöser Natur sind .
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Genau das ist es was wir vorhaben, die Kirchlichen Feiertage umzuwandeln in Weltliche Feiertage wie z.B. einen Tag der Menschenrechte oder einen Feiertag des GG u.s.w.
Jörg Schnückel am Permanenter Link
Jahr für Jahr kommt die scheinbar christlichste aller Trotzreaktionen mit dem Argument "Wenn die meinen stillen Feiertag nicht wollen, dann sollen Sie doch gefälligst arbeiten gehen".
NEIN!
Klaus Wich am Permanenter Link
Natürlich wären uns Feiertage ohne religiösen Hintergrund lieber, aber es geht hier nicht um die Abschaffung von Feiertagen, sondern darum, dass wir uns nicht vorschreiben, lassen wollen, was wir an den Feiertagen tun
awmrkl am Permanenter Link
"keine Religion darf Einfluss nehmen auf Menschen die nicht religiös sind"
Soweit richtig - *sollte* nicht, tut es aber, darum genau geht es doch!
"deshalb sind staatlich verordnete Feiertage die religiösen Hintergrund haben eigentlich auch abzuschaffen"
Non sequitur. Also Nein!
Religionen, Kirchen u.ä. Vereine dürfen lediglich die Einhaltung ihrer selbsterfundenen Regeln nicht auch von anderen (Un-/Andersgläubigen) verlangen, schon gar nicht mit Hilfe des Staates (zB per Gesetzen).
Ansonsten sind gesetzliche Feiertage (es sind *keine* religiösen!) für alle da, unabhängig des ursprünglichen Anlasses.
Wieso also sollte man gegen gesetzliche Feiertage demonstrieren? Da feiert halt jeder, was und wie er mag.
"müssten sie auch gegen den Ramadan oder das Holi Fest der Buddhisten demonstrieren weil ... religiöser Natur"
Nein. Wieso denn?
Zumindest nicht, solange die, die diese Feste feiern, nicht von allen anderen verlangen, daß sie auch diese Regeln beachten oder befolgen!
Religion ist Privatsache! Wie i-ein beliebiges Hobby!
Werner Koch am Permanenter Link
Wir haben nichts gegen Feiertag und wollen Feiertage nicht abschaffen. Freie Tage haben alle verdient. Sollten etwa nur Christen an kirchlichen Feiertage frei haben und Nicht-Christen erhalten keine freien Tage?
Wieso sollen wir gegen Ramadan oder gegen buddhistische Feiertage protestieren?
An diesen Tagen werden wir nicht zu etwas gezwungen, wie an „Stillen Tagen“ mit Tanz- und sonstigen Verboten.
Übrigens: es gibt auch hohe jüdische Feiertage, die in dem Feiertagsgesetz von Baden-Württemberg nicht einmal erwähnt sind und keinerlei besonderen Schutz genießen. Genauso könnte man es mit christlichen Feiertagen halten.
Wir hätten, denke ich, keine Einwände, wenn religiöse Veranstaltungen (christliche, jüdische, muslimische, etc.) an religiösen Feiertagen im Umkreis der Kirche/Synagoge/Moschee und zu Gottesdienstzeiten geschützt werden.
Niemand von uns will religiöse Veranstaltungen stören. Wir möchten allerdings auch nicht in unseren Grundrechten unnötig beschränkt werden, nur weil der Staat für Christen einen besonderen Feiertagsgesetz festgeschrieben hat.
Das streng reglementierte (christliche!) Feiertagsgesetz verbietet Dinge aus Prinzip, egal ob religiöse Aktivitäten gestört werden, nur weil christliche religiöse Vorstellungen allen aufgezwungen werden sollen.
Martin Mair am Permanenter Link
Wenn jeder den Brian auf facebook teil, sehen das sicher mehr Menschen und kann das die verblödete Obrigkeit schon gar nicht verhindern ;-)
Ich teile schon seit Jahren "Take a look on the bright side of life".
Mit den dummen Trollen sich herumärgern ist doch so was von sinnlos ...
Wolfgang Schaefer am Permanenter Link
Die Angst vor der "Feuerzangenbowle" muss wohl grenzenlos sein! Aber am Karfreitag einen halbnackten Menschen an ein Kreuz nageln, das ist Religion!!
Jonas am Permanenter Link
In Frankfurt veranstaltet der Kirchen- und Ordnungsdezernent ein Osterbrunch für Obdachlose, mit Bierzelt-Tanzkapelle („Für Unterhaltung während des Brunchs sorgen Zwoa Spitzbuam, die für Festzelt-Musik bekannt sind.“
Mag. Friedelwol... am Permanenter Link
das "heilige" Brettl vorm Kopf verstellt vielen noch immer die Sicht. Die Filmvorführung "Leben des Brian" und der Tanz am Karfreitag wird halt ein weiteres kleines Loch in dieses Brett stanzern.
Martin Mair am Permanenter Link
Dank fakebook kann jeder mensch einen Link zu "Take a Look on the bright Side of Life" auf passende Profile wie jene der CDU Baden-Würthemberg usw. posten ... https://www.youtube.com/watch?v=SJUhlRoBL8M
Andreas E. Kilian am Permanenter Link
Gemäß § 136 Abs 4 des Grundgesetzes darf niemand zur Teilnahme an einer religiösen Handlung gezwungen werden und gemäß § 2 Abs 2 des GG darf jeder seine Religion oder sein Bekenntnis ungestört ausüben.
a) ist der Karfreitag ein kirchlicher oder religiöser Feiertag, so muss niemand an einer verordneten religiösen Übung des Nicht-Tanzen oder am Filmverbot teilnehmen.
b) ist der Karfreitag ein staatlicher Feiertag zu inneren Einkehr, so hat der Staat nicht vorzuschreiben, mit welchen Mitteln eine Person zur inneren Ruhe gelangt. Wenn öffentliches Tanzen oder ein besonderer Film das Mittel der Wahl ist (Tanz-, Traummeditation), dann muss der Staat dies zulassen.
So oder so, eine Bevormundung dieser Art verstößt gegen das GG.
Reinhard Moysich am Permanenter Link
Nächstenliebe gilt auch gegenüber Atheisten!
Ich wundere mich sehr über die Äußerungen der beiden christlichen Dekane von Karlsruhe. Sie bezeichnen in den BNN die Demonstrations- und Tanzveranstaltung der regionalen (atheistischen) „Giordano-Bruno-Stiftung" auf dem „Platz der Grundrechte“ in Karlsruhe am „Karfreitag“ als „Schlag ins Gesicht vieler Christen“.
Beim Besuch dieser Aktion habe ich aber nichts Gewalttätiges erlebt. Stattdessen tanzten nach betont freundlicher Musik ca. 30 Personen sehr unterschiedlichen Alters frei und voller Lebenslust zwei Stunden lang.
Die Dekane scheint es nicht zu beeindrucken, dass Veranstaltungen dieser Art offiziell unserer Verfassung entsprechen und diese Aktion dementsprechend von der Stadt Karlsruhe natürlich auch genehmigt wurde.
Noch mehr bin ich aber darüber erstaunt, dass die sich christlich nennenden Dekane nach meiner Einschätzung offenbar die christliche Nächstenliebe nicht befolgen. Diese gilt in der christlichen Religion zusammen mit der Gottesliebe sogar als oberstes Gebot und lautet z.B. so: „Liebe deinen Nächsten; denn was dir unlieb ist, tue ihm nicht“ (Lev. 19, 18; nach einer alten aramäischen Übersetzung).
Sicher wäre es den beiden Dekanen sogar höchst „unlieb“, wenn von ihnen verlangt würde, an jenem Freitag ebenfalls öffentlich und frei nach lauter Musik zu tanzen – darum sollten sie und alle anderen Christen dementsprechend ebenfalls auf gar keinen Fall von allen Menschen erwarten oder sogar verlangen, an bestimmten Tagen still zu sein, nur, weil dies ihrer eigenen religiösen Weltanschauung entspricht.
Die Menschen haben bisher in ihrer ca. einer Million langen Entwicklung eine sehr große Anzahl von Möglichkeiten entdeckt, wie sie die Welt anschauen können. Dabei gab es schon viele Millionen grausamster Morde, wenn die Anhänger einer religiösen oder nichtreligiösen Weltanschauung meinten (oder sogar noch immer meinen), nur sie hätten die allein richtige Weltanschauung und darum müssten alle anderen umgebracht (oder zumindest massiv diskriminiert) werden.
Damit mehr lebensnotwendiger Frieden im äußerst wichtigen Weltanschauungsbereich herrscht, sehe ich folgendes als einzige Möglichkeit:
Alle Menschen leben in derselben Wirklichkeit und für alle gelten die Menschenrechte. Darum sollte nur das als richtig und wahr für alle Menschen gelten, was sich beweisen lässt. Und weil nach den Menschenrechten alle Menschen gleich sind – egal ob sie religiös oder nichtreligiös sind –, sollte gerechterweise keine Weltanschauung bevorzugt oder benachteiligt werden.
Würde diese äußerst faire Regelung endlich in Deutschland durchgesetzt, gäbe es nur noch weltanschauungsneutrale Feiertage, z.B. Feiertage des Friedens, der Gerechtigkeit, Menschenrechte, Freude, Natur, Erde im Weltall. Mit solchen Feiertagen könnten dann alle Menschen etwas anfangen (damit die Anhänger spezieller Weltanschauungen aber auch weiterhin ihre eigenen Feste feiern können, sollten sie als Berufstätige zusätzlich ca. fünf Tage im Jahr frei bekommen).
Der immens wichtige Zusammenhalt der Gesellschaft würde dann sehr beachtlich gestärkt werden.
Was spricht dagegen?