Erster Blick in ein sterbendes menschliches Gehirn

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Künstlerische Darstellung eines menschlichen Gehirns.

Sogenannte Nahtoderfahrungen werden von einigen Menschen als Beweis für ein Leben nach dem Tod gewertet. Andere betrachten sie als das Ergebnis hirnphysiologischer Prozesse. Nun haben Forscher erstmals Einblicke in die Aktivität eines sterbenden menschlichen Gehirns gewonnen und dabei Hirnwellenmuster entdeckt, die jenen beim Träumen ähneln.

Menschen, die für kurze Zeit klinisch tot oder dem Tod sehr nahe waren, berichten gelegentlich davon, dass ihr gesamtes Leben innerhalb weniger Sekunden vor ihnen ablief, dass sie ein helles Licht und ihnen vertraute Verstorbene sahen oder dass sie über ihrem sterbenden Körper schwebten. Die erstaunliche Ähnlichkeit der unabhängig voneinander geschilderten Nahtoderfahrungen gilt vor allem eher religiösen Menschen als Beweis dafür, dass mit dem Tod nicht alles endet, dass es also ein Leben danach gibt. Eher naturwissenschaftlich orientierte Menschen hingegen vermuten Veränderungen in der Hirnaktivität während des Sterbeprozesses hinter den geschilderten subjektiven Erlebnissen.

Ein Blick in die Hirnaktivität sterbender Menschen wäre zur Klärung des Phänomens natürlich ideal, ist allerdings aus ethischen Gründen problematisch. Gewissermaßen als Nebenprodukt einer medizinischen Behandlung ergab sich jüngst hingegen doch ein solcher Blick. Als ein 87-jähriger Patient an Epilepsie erkrankte, setzten Dr. Raul Vicente von der Universität Tartu (Estland) und seine Kollegen eine kontinuierliche Elektroenzephalographie (EEG) ein, um die Anfälle zu erkennen und den Patienten zu behandeln. Während dieser Aufzeichnungen erlitt der Patient jedoch einen Herzinfarkt und verstarb. Dieses unerwartete Ereignis ermöglichte es den Wissenschaftlern zum ersten Mal überhaupt, die Aktivität eines sterbenden menschlichen Gehirns zu untersuchen.

Die so gewonnenen Erkenntnisse veröffentlichte Vicente im Februar gemeinsam mit Kollegen in der Fachzeitschrift Frontiers in Aging Neuroscience. Die Neurowissenschaftler entdeckten um den Zeitpunkt des Todes Gehirnwellenmuster, die denen ähneln, die beim Träumen, bei der Erinnerungswiederherstellung und bei der Meditation auftreten.

Insgesamt wurden rund 900 Sekunden Gehirnaktivität um den Todeszeitpunkt gemessen, wobei die Forscher besonders interessierte, was in den 30 Sekunden vor und nach dem Herzstillstand geschah. Kurz bevor und nachdem das Herz aufhörte zu schlagen, sahen sie Veränderungen in einem bestimmten Band neuronaler Oszillationen, den so genannten Gamma-Oszillationen, aber auch bei anderen wie Delta-, Theta-, Alpha- und Beta-Oszillationen.

Gehirnoszillationen oder Gehirnwellen sind Muster rhythmischer Gehirnaktivität, die in lebenden menschlichen Gehirnen vorkommen. Die verschiedenen Arten von Oszillationen, einschließlich Gamma, sind an hochkognitiven Funktionen wie Konzentration, Träumen, Meditation, Gedächtnisabruf, Informationsverarbeitung und bewusster Wahrnehmung beteiligt, die üblicherweise auch mit Erinnerungsflashbacks verbunden sind.

Die Ergebnisse der Neurowissenschaftler scheinen also darauf hinzudeuten, dass das Gehirn kurz vor dem Tod Erinnerungsereignisse abruft und intensive Erlebnisse produziert. Allerdings ist zu beachten, dass es sich hier lediglich um Beobachtungen in einem Einzelfall an einem vorerkrankten Patienten handelt.

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