Debatte

Ist die Pflegekammer in Rheinland-Pfalz undemokratisch?

TRIER. (hpd) Zum September diesen Jahres wird in Rheinland-Pfalz die Pflegekammer eingerichtet und gewählt. Diese soll dem gesamten Pflegepersonal Mitbestimmungsrechte garantieren und das Setzen landesweiter Standards erleichtern. Allerdings wird an manchen Stellen Kritik laut, dass gravierende Barrieren existieren, die eine effektive demokratische und emanzipierte Mitbestimmung erschweren.

Die Pflegekammer ist ein Selbstverwaltungsorgan und soll eine Mitwirkung an Gesundheitsversorgung auf allen Ebenen herstellen. Darüber hinaus soll sie bei der Festlegung und Weiterentwicklung fachlicher Standards und Qualitätskriterien mitbestimmen. Sie versteht sich als Interessenvertretung für Pflegekräfte im gesamten Bundesland. Auf den ersten Blick scheint die Einführung einer Pflegekammer eine vernünftige Maßnahme gewesen zu sein. Doch bei genauerem Hinsehen werden eklatante Defizite und Missstände deutlich.

Um sich bei den Pflegekammer-Wahlen beteiligen zu können, müssen sich Pflegekräfte registrieren lassen. Da eine Mitgliedschaft in der Pflegekammer für alle verpflichtend ist, können diese nicht über den Schutz ihrer Daten bestimmen. Dies obliegt allein dem Arbeitgeber. Sobald die Registrierung abgeschlossen ist, verfügen die Pflegekräfte zwar über ein aktives Wahlrecht, aber noch lange nicht über ein passives Wahlrecht. Um dieses zu erlangen sind 150 Unterstütztungsunterschriften notwendig. Wenn eine Pflegekraft also in die Kammer gewählt werden will, ist es von erheblichem Nachteil in einem kleinen Betrieb zu arbeiten, oder keine Führungsposition innezuhaben. Die meisten Vollzeitkräfte werden kaum Zeit haben, um genügend Unterschriften zu sammeln, weswegen sie von vorneherein benachteiligt sind.

Doch wesentlich zynischer ist die Verpflichtung zur Zahlung eines Mitgliedsbeitrages, der mit der verpflichtenden Mitgliedschaft einhergeht. Es ist kein Geheimnis, dass Pflegekräfte schlecht bezahlt werden. Eine weitere finanzielle Belastung der Belegschaften macht den Beruf noch unattraktiver und wird den gegenwärtigen Pflegenotstand noch verschärfen. Wer sich der Zwangsmitgliedschaft entziehen will, wird schlechte Chancen haben. Der Bundesverband für freie Kammern e.V. äußert sich wie folgt: „[...] Wer sich gegen dieses undemokratische Wahlrecht wehren will, kann sich auf einen langen Rechtsstreit gegen die Kammer einrichten. Die hat viel Zeit und noch mehr Geld. Denn die Beiträge der Zwangsmitglieder füllt die Kriegskasse der Kammer für Auseinandersetzungen auch mit bzw. gegen die eigenen Mitglieder.

Die Einführung einer Pflegekammer bedeutet auch die Etablierung von Parallelgesellschaften innerhalb der Pflegeberufe. Die Aufgaben, die ihr zugeteilt werden, könnten ebenso von Gewerkschaften oder staatlichen Behörden übernommen werden. Dazu die Gewerkschaft ver.di: „[...] Eine Aufwertung der Pflegeberufe ist möglich, dazu bedarf es keiner Kammern. Das Ansehen eines Berufsstandes ist eng an die Vergütungsmöglichkeiten und an die Arbeitsbedingungen geknüpft. [...].“ Letztlich kostet die Pflegekammer also nur Geld und ändert an Missständen nichts. Fassen wir zusammen: Die Mitwirkungsrechte sind an hohen Barrieren geknüpft, es gibt keinerlei Sicherheit was datenschutzrechtliche Bestimmungen betrifft, es dürfen keine Tarifverhandlungen geführt werden, Pflegekräfte müssen dieser Kammer angehören, andernfalls könnten sie unter Umständen mit Berufsverbot rechnen und Pflegekräfte müssen Mitgliedsbeiträge für eine Institution bezahlen, die im Grunde genommen überflüssig ist. Die Pflegekammer ist die reinste Farce und an Hohn und Spott gegenüber den Beschäftigten kaum zu überbieten. Die einzigen, die davon profitieren, sind die Pflegefunktionäre.