Zum Berliner Kopftuchurteil

Offener Brief des IBKA Berlin

Der Landesverband Berlin-Brandenburg des Internationalen Bundes der Atheisten und Konfessionslosen e.V. (IBKA) hat an die Linksfraktion und die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen sowie den Justizsenator und den Kultursanator einen offenen Brief gesandt.

Der hpd dokumentiert den Brief an Bündnis 90/Die Grünen beispielhaft im Wortlaut

Sehr geehrte Damen und Herren,

mit Bestürzung haben wir, die Berliner Regionalgruppe des Internationalen Bundes der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA) e.V., zur Kenntnis genommen, dass Sie das Kopftuch-Urteil des Landesarbeitsgerichtes (LAG) Berlin-Brandenburg zum Anlass nehmen wollen, das Berliner Neutralitätsgesetz aufzuweichen oder gar abzuschaffen. Als Begründung dafür geben Sie an, dass ein pauschales Kopftuchverbot nicht verfassungskonform sei.

Jedoch handelt es sich bei diesem Gesetz keinesfalls um das Verbot des Tragens von Kopftüchern und schon gar nicht um das Verbot eines Glaubens. Das Neutralitätsgesetz verlangt in seinem die Schule betreffenden Teil lediglich, dass Lehrkräfte und andere Beschäftigte mit pädagogischem Auftrag in den öffentlichen Schulen sich mit der Demonstration ihres Glaubens oder ihrer Weltanschauung zurückhalten. Es geht um das Verbot aller(!) religiösen und weltanschaulichen Symbole und Kleidungsstücke in wohldefinierten Situationen und Umgebungen. Auch ein Lehrer, der ein T-Shirt mit dem bekannten Marx-Zitat vom Opium des Volkes trüge, müsste es für die Dauer seiner dienstlichen Tätigkeit ablegen. Die klageführende Lehrerin jedoch wollte nicht einmal stundenweise für die Zeit des Unterrichts von Grundschulkindern auf die Demonstration ihres muslimischen Glaubens verzichten, obwohl auch ihr vermutlich klar ist, wie leicht beeinflussbar Kinder sind. Das lässt ernsthafte Zweifel aufkommen, ob der Lehrerin eine neutrale Erziehung der Kinder wirklich wichtig  ist. Andere Pädagogen können dieser Forderung im Interesse ihrer Schüler ohne weiteres nachkommen.

Es ist nicht nachvollziehbar, dass Grüne und Linke sich dafür einsetzen, einzelnen Interessengruppen zu gestatten, gegenüber unmündigen Kindern offensiv für ihre Ideologie zu werben. Der Erziehungs­wunsch konfessionsfreier Eltern wird in dieser Angelegenheit komplett ignoriert. Die Kinder selbst haben ein Recht darauf, Wissen zu erwerben und vor religiöser Beeinträchtigung geschützt zu werden. Und eine Lehrkraft mit Kopftuch, Kreuz oder Kippa mag vielleicht versuchen, sich neutral zu verhalten – durch das gesamte Erscheinungsbild wird immer eine Botschaft übermittelt. In diesem speziellen Fall die Botschaft, der Islam wäre eine wichtigere Religion als alle anderen, und muslimische Frauen haben die Pflicht, ein Kopftuch zu tragen.

Fatal ist auch die Auffassung, ein  Verbot von Kopftüchern an Schulen käme nur bei einer konkreten Störung des Schulfriedens in Frage. Eine solche Argumentation macht eine Störung des Schulfriedens geradezu erforderlich, um religiöse Symbole aus einer Schule zu verbannen. Abgesehen davon, dass es unseriös ist, politische Streitigkeiten auf dem Rücken der Kinder auszutragen - in der Konsequenz  leistet man damit einer Separierung der Schulen nach Glaubensrichtungen Vorschub. Lehrerinnen mit Kopftuch würden sich an Schulen konzentrieren, an denen Beispiele von Frauen, die sich religiösen Dogmen nicht unterwerfen, besonders nötig wären.

Das Neutralitätsgesetz auf ein Kopftuchverbot zu reduzieren oder gar als Glaubensverbot darzustellen, wäre eine Verfälschung der Tatsachen. Anders als in kirchlichen Einrichtungen wie Diakonie und Caritas, deren Betreibern es gestattet wird, ihre Angestellten zu christlichem Glauben und kirchengefälligem Privatleben zu verpflichten, dürfen staatliche Beamte und Lehrkräfte glauben, was sie wollen, oder es auch bleiben lassen. Mehr Religionsfreiheit geht nicht.

Das Berliner Neutralitätsgesetz trägt ganz wesentlich dazu bei, diese Freiheit zu schützen und ein gleichberechtigtes Zusammenleben von Menschen  aller Glaubens- und Denkrichtungen zu sichern. Sollte es aufgeweicht werden, dann würde auch die Neutralität kippen, dann würde eine Minderheit über neue Privilegien verfügen. Das ist kein Beitrag zu Integration. Deshalb fordern wir Sie auf, das Neutralitätsgesetz zu verteidigen.

Mit freundlichen Grüßen,
Silvia Kortmann, Wolfgang Mahnfitz, Frank Fuhlbrück 
IBKA e.V. Landesverband Berlin-Brandenburg