Kommentar

Bundesregierung förderte "Luther-Pop-Oratorium" mit 520.000 Euro

Das steht in einer Antwort der Beauftragten für Kultur und Medien auf eine Bürgeranfrage über das Portal FragDenStaat. Die Förderung ist ein kleiner Teil von 250 Millionen Euro Steuergeldern, die im Rahmen der Luther-Dekade ausgegeben wurden. Dies ist vor dem Hintergrund des unkritischen Umgangs mit der Person Martin Luthers nicht unproblematisch, ebenso wie aus verfassungsrechtlicher Perspektive.

"Hallo! Hatten Sie einen schönen Reformationsfeiertag?", begrüßte ein begeisterter Eckart von Hirschhausen als Pate des Luther-Pop-Oratoriums die ZDF-Zuschauer am 31. Oktober 2017. "Ich finde, Martin Luther war schon 'ne ziemlich coole Socke", so der kirchenaffine Kabarettist. "Trau dich, selber zu denken", habe uns der Reformator als Botschaft hinterlassen, mit dem die Neuzeit begonnen habe – das klingt verdächtig nach Immanuel Kant und weniger nach Martin Luther. Auch die Missionierung kommt nicht zu kurz: "Am Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort, und Gott war das Wort", sang es in Kanon-Dauerschleife im wahrsten Sinne gebetsmühlenartig auf das Publikum ein. Das religiöse Rundum-sorglos-Gefühl durfte natürlich ebenfalls nicht fehlen: "Wir sind Gottes Kinder. Wo auch immer: Keiner ist allein!", schallte es frohlockend durch die Berliner Mercedes-Benz-Arena, während ein äußerst attraktiver Sänger, der dem jungen Tom Hanks ähnelte, den mutigen Martin mimte, der vor der Entscheidung steht, ob er seine Ansichten vor dem Kaiser widerruft.

Überhaupt drehte sich die ganze Geschichte vor allem um Luthers Religiosität, angefangen bei seinem göttlichen Schlüsselerlebnis während eines Gewitters und dann seinem späteren Ringen mit sich selbst, aus dem er als standhafter Verfechter des "wahren Glaubens" hervorgeht. Heinrich Bedford-Strohm, der gemeinsam mit Hirschhausen in der Kommentatoren-Kabine saß, nannte das Musical "schon sehr authentisch". Jan Böhmermann erkannte die absurde Schönrederei (oder "unreflektiertes Abgekulte", wie er es formulierte) und nahm das Pop-Oratorium in seiner Sendung "Neo Magazin Royale" – ebenfalls im ZDF – satirisch aufs Korn, indem das eine oder andere weniger gern gehörte Zitat des Frauen- und Judenfeindes Luther zum Besten gegeben wurde.

Doch nicht nur die Rundfunkgebühren kamen dem Gospel-Musical der Stiftung "Creative Kirche" zugute, auch Steuermittel flossen in die Produktion: Zwei Jahre nach der Aufführung gab es nun eine Bürgeranfrage über das Portal FragDenStaat an die Beauftragte für Kultur und Medien, Monika Grütters. In der Antwort des Ressorts der überzeugten Christin heißt es:

"Angesichts der gesamtstaatlichen Bedeutung der Reformation hatte sich die Bundesregierung dazu entschlossen, an den Feierlichkeiten rund um das Reformationsjubiläum mitzuwirken, indem sie Veranstaltungen und Projekte fördert und die Erhaltung und Sanierung bedeutender Reformationsstätten unterstützt. Hierbei handelte es sich um eine kulturpolitische Entscheidung, da die Reformation von Anfang an ein Ereignis mit weitreichenden Auswirkungen auf Politik, Kultur und Gesellschaft war und somit bis in die heutige Zeit hinein ein Ereignis ist, welches auch über den innerkirchlichen Bereich von erheblicher Bedeutung ist."

Das Pop-Oratorium selbst sei "durch eine Bundeszuwendung in Höhe von insgesamt 520.000 Euro gefördert" worden, "die dem Projektträger sukzessive in Form von jährlichen Teilzahlungen in den Jahren 2014 bis 2017 zur Verfügung gestellt wurde." Diese Zahlungen waren wohl Teil der stolzen Summe von rund 250 Millionen Euro, die der Lutherdekade aus dem allgemeinen Steuertopf zuflossen. Stolz verweist man auf das "äußerst erfolgreich" verlaufene Projekt und die "große öffentliche Resonanz".

Insgesamt war das Lutherjahr zwar alles andere als erfolgreich, wie es die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) unter dem wenig schmeichelhaften Titel "Luther ist die Pleite des Jahres" analysierte, jedoch kann Erfolg an dieser Stelle kein Maßstab für die Förderungswürdigkeit sein. Es geht hier nämlich um etwas ganz Anderes: Martin Luther ist der – wenn auch nicht vorsätzliche – Gründervater der Evangelischen Kirche. Und es ist sehr wohl ein innerkirchliches Ereignis, das Jubiläum seines angeblichen Thesenanschlages oder seine Übersetzung der Bibel zu feiern. Und bei seiner Auflehnung gegen Papst und Ablasshandel ging es nun mal um Fragen des Glaubens, seiner Auslegung und kirchliche Machtstrukturen.

Wenn der Staat sich hier als Förderer positioniert, privilegiert er das christlich-protestantische Bekenntnis und verstößt gegen die weltanschaulich-religiöse Neutralität, die ihm laut Bundesverfassungsgericht durch das Grundgesetz auferlegt ist. Auch ist es wohl kaum passend, wenn er ein Projekt fördert, in dem der Satz "kein Gesetz dieser Welt steht über der heiligen Schrift" unkommentiert stehen bleibt. Und obwohl der religiöse Bezug oft geleugnet wird, so sprechen doch nicht nur C-Politiker gerne von ihrer Sorge um die glaubensfreie Gesellschaft, woraus nicht allzu schwer ein daraus erwachsender Wunsch zur Förderung des (christlichen) Glaubens abzuleiten ist. Dass das Musical eine solche Absicht verfolgt, wurde spätestens klar, als Eckart von Hirschhausen sagte: "Ich hoffe, wir konnten Sie mit (…) der frohen Botschaft ein bisschen anstecken und inspirieren."

Abgesehen von dieser grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Problematik ist Luther als Person einer solchen staatlichen Förderung schlicht unwürdig. Er äußerte sich gegenüber allen möglichen Bevölkerungsgruppen, von Bauern über Frauen bis zu Behinderten, in höchst menschenverachtender Art und Weise. Außerdem ist er einer der wirkmächtigsten Antisemiten aller Zeiten, auf den sich die Nazis beriefen: Er lieferte dem Dritten Reich die Blaupause für sein Vernichtungsprogramm gegen die Juden. Unfreiwillig ehrlich klingt es vor diesem Hintergrund, wenn ein gut gelaunter Bedford-Strohm da über den Reformator konstatierte: "Er war ein sehr authentischer Mensch, du hast gewusst, dass das, was er sagt, auch wirklich aus der Tiefe seines Herzens kommt."

Luthers Judenfeindschaft wird im Pop-Oratorium jedoch nur in einem einzigen Satz als Einwurf erwähnt, was man als Zeitgenosse so allgemein über ihn zu wissen glaubte. Dafür wird er als eine Art Wegbereiter der Emanzipation dargestellt, wenn Reformationsbotschafter Hirschhausen vom gleichen Wert von Mann und Frau vor Gott als revolutionärem Gedanken der Zeit spricht. Im Musical ist Martin Luther ganz klar der freudetaumelnd gefeierte coole Volksheld. Die im ohrwurmgeeigneten und immer wiederkehrenden Titelsong gestellte Frage "Wer ist Luther? Martin Luther?" wird nur sehr einseitig und unzureichend beantwortet. Staatlich geförderte Verklärung könnte man das nennen, gerade vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte ist das äußerst problematisch.