Ministerpräsident erleidet argumentativen Schiffbruch durch antiken Kompass

Die Bergpredigt als Argument gegen die Sterbehilfe?

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) behauptet im Christlichen Medienmagazin pro (Ausgabe vom 17. August), dass die Bergpredigt Jesu als Kompass für politisches Handeln angesehen werden könne und eine Richtschnur für ein friedliches Zusammenleben in der Welt sei. "Der Mensch soll die Erde gestalten, aber er soll nicht selbst Gott spielen", so der Regierungschef. Aus dem christlichen Menschenbild folge, dass das Leben in jeder Phase geschützt werden müsse. Er sei daher "skeptisch, ob zur Persönlichkeitsfreiheit tatsächlich auch das Recht gehört, geschäftsmäßige Sterbehilfe in Anspruch nehmen zu können".

Herrn Laschet sind hier in seiner Argumentation einige grundlegende Fehler passiert, welche allerdings weit verbreitet sind, so dass eine Auseinandersetzung als durchaus sinnvoll erscheint. Da im Folgenden lediglich einige Ergebnisse der bisherigen Forschung angeführt werden können, sei der Leser für eine ausführliche Auseinandersetzung und hinsichtlich der Quellennachweise auf das Buch von Heinz-Werner Kubitza "Jesus ohne Kitsch: Irrtümer und Widersprüche eines Gottessohns" verwiesen.

Gerade die Bergpredigt wird gerne von Christen als eine ethische Richtlinie herangezogen. Hierbei werden aber sowohl die theologisch-eschatologischen Voraussetzungen derselben als auch die Adressaten dieser Rede ignoriert. Zum einen war der historische Jesus Apokalyptiker. Wie auch sein Lehrer Johannes der Täufer, lebte er in der nachweislich falschen Vorstellung, dass das Endgericht unmittelbar bevorstehe.

Seine Ethik muss daher als eine Interimsethik angesehen werden, welche nur für die noch verbleibenden Wochen und Monate Geltung hat. Nur so ist auch seine Feindesliebe erklärbar. Diese Ethik ist – von seinen Voraussetzungen ausgehend – logisch und nachvollziehbar, für das 21. Jahrhundert aber völlig unbrauchbar und schlicht und einfach gefährlich. Wer bei einem Apokalyptiker eine Antwort auf die Sterbehilfe sucht, ist an der falschen Adresse gelandet, beziehungsweise ist das ebenso sinnvoll, wie einen Vegetarier um Tipps für die Zubereitung von Schweinsbraten zu konsultieren.

Zum anderen richtete sich Jesus mit seiner Lehre nur an "reinrassige" Juden. Sogar das Mischvolk der Samariter wird von der Missionierung ausgeschlossen. Das Schicksal der "Heiden" (Nicht- beziehungsweise Halbjuden) ist Jesus offensichtlich völlig gleichgültig. Seine Botschaft richtet sich nicht an uns, wenn es nach ihm ginge, dürfte die Welt in ihrer heutigen Form gar nicht mehr bestehen. Weder vom zeitlichen Horizont noch von seinem Menschenbild her kann Jesus von Nazareth als ethische Richtschnur dienen. Wer diesen Mann als Nichtjude im 21. Jahrhundert als Kompass benutzt, kann also nur in die Irre gehen.

Warum erzählt ein gebildeter Mensch wie Herr Laschet einen solchen Unsinn? Einer der Gründe hierfür liegt im Religionsunterricht, wo den jungen Menschen ein solches ahistorisches Jesusbild vermittelt wird. Herr Laschet ist also ein Opfer jenes Religionsunterrichtes, den seine Partei so vehement verteidigt. In diesem Unterricht werden in der Regel auch jene Journalisten erzogen, welche dann religionsfreundliche Dokumentationen über die Bibel und verwandte Themen erstellen und somit die kindlich indoktrinierten Vorurteile und Irrtümer medial bestätigen.

In Anlehnung an einen Ausspruch von Michael Schmidt-Salomon möchte ich den Artikel daher mit folgendem Zitat schließen: Es ist besser, wenn der Religionsunterricht mit seinen Fehlinformationen stirbt, als wenn Kranke und Sterbende unter den Konsequenzen dieser Fehlinformationen zu leiden haben.

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