Kommentar

Die kirchlichen Elf Gebote fürs Netz

Sie bezeichnen es selbst als Blasphemie: Die Podcaster Robin Blase und Lisa Ludwig haben sich die "Elf Gebote für das Internet" von der Katholischen Akademie Berlin und dem Kulturbüro der Evangelischen Kirche Deutschlands angeschaut. Ihr Fazit: Die Gebote sind überflüssig.

"An wen richtet sich das?", fragt sich Robin Blase von den "Lästerschwestern". "Richtet sich das jetzt an gläubige Christen und Christinnen, die vorher im Internet die ganze Zeit nur 'Hurensohn' in die Kommentare geschrieben haben und, wenn sie das jetzt lesen, denken sie sich: 'Oh nein! Gott hat gesagt, ich darf das nicht!'"

Laut eigener Aussage sollen die Elf Gebote "eine Orientierung für einen respektvollen Austausch im Internet bieten". Ins Leben gerufen wurde das Projekt von der Katholischen Akademie Berlin in Zusammenarbeit mit dem Kulturbüro der Evangelischen Kirche Deutschlands. Was genau prädestiniert gerade diese beiden Organisationen, sich für den Schutz von Kindern im Internet einzusetzen? Hätten die nicht im Moment ganz andere Aufgaben, um sich dem Schutz von Kindern zu widmen? Gäbe es nicht da ein paar tausend "Einzelfälle" von Missbrauch aufzuklären und staatlichen Stellen zu übergeben?

Die Bundesregierung hat die Elf Gebote nicht nur auf ihrer Website veröffentlicht: Sie hat diesen Versuch der Kirchen, sich als Kinderschützer darzustellen, auch noch gefördert: Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Kulturstaatsministerin Monika Grütters, hat die Elf Gebote im Rahmen ihrer Digitalisierungsoffensive unterstützt.

Was genau bringt die Kirchen und die Bundesregierung dazu, diese Gebote gerade jetzt zu veröffentlichen? "Glauben die, dass das (gemeint sind die Elf Gebote) jetzt plötzlich was ändert und die Diskussionskultur im Internet plötzlich 'ne ganz andere wird?" (Lästerschwestern). Oder ist das nicht einfach nur der plumpe Versuch, vom kompletten Systemversagen der Institution Kirche abzulenken? Unter dem Motto: "Schaut her, wir sind die Guten und kümmern uns um die Kinder!"

Und drittens muss man sich fragen, weshalb das kircheninterne Ding auf der Website der Bundesregierung veröffentlicht wird. Weil diese mit dem "Neuland" Internet nicht sonderlich viel anzufangen weiß und sich freut, wenn sich jemand anderes des Themas annimmt?

Auf der Website "anstanddigital.de", die für diese Aktion eingerichtet wurde, lässt sich nachlesen, welch seltsam verquere Gedanken zum Verfassen der Elf Gebote führten: So antwortet dort Prinz Asfa-Wossen Asserate auf die Frage nach guten oder schlechten Umgangsformen im Internet: "Gute kenne ich nicht …." Man fragt sich wirklich, in welchen Tiefen des Netzes sich der Mann so aufhält.

Da stellen sich die Lästerschwestern zu Recht die Frage, ob irgendwer in der Kirche meinte, dass man den Menschen erklären müsse, wie sich die "vermeintlich christlichen Werte" auf solche Art vermitteln ließen. Robin Bauer vermutet: Da "hat irgendjemand das schnell zusammengeschrieben und irgendjemand anderes gesagt: 'Hey cool, lass die die Elf Gebote nennen. … Das klickt sich'."

Und weiter: "Ich glaube nicht, dass sich irgendjemand tatsächlich davon irgendetwas verspricht. … Es ist nur: Wir sind die Kirche, wir müssen auch jung sein."

Dabei sei der Text auch für die Zielgruppe kaum zu verstehen: "Ich musste den Text mehrmals lesen", so Robin Blase im Podcast, "um dahinterzublicken, was das wirklich bedeutet. Es ist nicht eindeutig." Die Ratschläge sind in sich nicht einmal kongruent.

Es bleibt also weiterhin die Frage, weshalb die Kirchen sich bemüßigt fühlten, diese Elf Gebote zu veröffentlichen. Und weshalb das auf der Website der Bundesregierung geschah. Können doch andere Organisationen dies viel besser und beschäftigen sich schon länger und ausführlicher mit dem Thema.

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