Über nur wenige Themen wird so intensiv und emotional debattiert wie über jenes zur (Ent-)Kriminalisierung der Prostitution. Verschiedene Positionen und Modelle zur politischen Handhabung haben dabei ihre eigenen Stärken und Schwächen. Ein Überblick zum internationalen Frauentag.
Der Kauf von Sex betrifft viele gesellschaftliche Bereiche. Er kann auf einer Aggregatebene etwa mittels Statistiken ihm Rahmen soziologischer Untersuchungen betrachtet, aus einer rechtlichen Perspektive unter die Lupe genommen werden oder man greift psychologische Erfahrungswerte bei dessen Bewertung auf. An diese kann man aber auch grundlegende moralische oder ethische Maßstäbe anlegen. Ebenso kann es sich lohnen, individuell auf das Leid oder das Wohl zu blicken, das der Beruf der Prostitution mit sich bringt.
Insofern gibt es eine ganze Reihe von Laien und Expert:innen, die sich zum Teil mit völlig unterschiedlichen Methodiken mit der Thematik auseinandersetzen und politische Akteur:innen über ihre Ansichten oder Arbeiten informieren und entsprechende Veränderungen in die Wege leiten möchten. Zur Disposition im Bereich der Prostitution werden vor allem vier Aspekte gestellt: Inwiefern diese selbstbestimmt stattfindet, wie die Arbeitsbedingungen zu bewerten sind, welche strukturellen Veränderungen welchen Effekt nach sich ziehen und welche Problemfelder durch die verschiedenen Modelle verstärkt oder geschwächt werden.
Verschiedene Interessensgruppen wie etwa die Prostituierten selbst, Berufsverbände, Menschenrechtsorganisationen, Gewerkschaften und viele mehr kommen hier zu teils ähnlichen, teils jedoch auch völlig unterschiedlichen Bewertungen der Ausgangslage und stellen daher divergierende Forderungen auf. Im Wesentlichen lassen sich alle Ansätze aber entweder der Kategorie der stärkeren Liberalisierung oder aber jener der einschränkenden Vorgehensweise zuordnen. Das Hauptziel ist jedoch überall gleich: den betreffenden Menschen soll es besser gehen als zuvor und im Optimalfall sollen sie gar nicht erst in eine menschenunwürdige Situation kommen.
Das Modell der Liberalisierung
Befürworter:innen der Liberalisierung heben in aller Regel das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung und freie Entfaltung der Persönlichkeit hervor, die ihrer Ansicht nach vom Staat zu gewährleisten seien. Keinem Menschen sollten demnach Vorschriften zu sexuellem Verhalten gemacht werden. Wer seinen Körper und seine Intimität anderen zur Verfügung stellen möge, sollte gemäß diesem Ansatz prinzipiell die Möglichkeit dazu haben, wobei auch die Einhaltung bestimmter Vorschriften eine wichtige Rolle spielt.
Die erhofften Effekte für die Prostituierten sind größeres Vertrauen in die Behörden und den Rechtsstaat durch konsequente Ahndung von Straftaten, statt die Tätigkeiten im Rotlichtmilieu generell zu kriminalisieren. Außerdem wird eine Befreiung von einer als ungerechtfertigt angesehenen Stigmatisierung des Berufs durch eine Liberalisierung angestrebt.
Es gibt einige Positivbeispiele, die hierfür herangezogen werden können. So hat etwa Neuseeland seit 2003 ein liberales Prostitutionsgesetz, welches einige Erfolge vorweisen kann: Hygienische Mindeststandards sind dadurch landesweit zur Pflicht geworden und werden regelmäßig durch das Gesundheitsministerium überprüft. Dabei bleibt Prostitution von Minderjährigen genauso verboten wie Zwangsprostitution, ebenso die Tätigkeit in diesem Bereich mit einem vorübergehenden Visum und mit wenigen Ausnahmen die Werbung dafür. Auch Amnesty International setzt sich seit 2015 für ein Konzept der Entkriminalisierung ein und begründet diesen Schritt unter anderem damit, dass sich dadurch eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen am ehesten bewerkstelligen ließe.
Auf der anderen Seite gibt es auch Negativbeispiele wie etwa Deutschland. Dort zeigte sich, dass die weitreichende Liberalisierung die bestehenden Probleme nicht gelöst, sondern sie in einigen Bereichen sogar noch verschärft hat. In einem Bericht des Familienministeriums über die Auswirkungen des Prostitutionsgesetzes fünf Jahre nach dessen Einführung heißt es, dass die soziale Absicherung, die Arbeitsbedingungen, die Ausstiegsmöglichkeiten und die Kriminalitätsbekämpfung sich nicht verbessert hätten.
Aufgrund mehrerer Länder mit einer ähnlich ernüchternden Entwicklung plädieren die Gegner:innen einer Liberalisierung für restriktivere Maßnahmen gegenüber den Freier:innen und Bordellbetreiber:innen. Die Kritiker:innen geben zu bedenken, dass Befürworter:innen der Liberalisierung häufig ein romantisiertes Bild der Prostitution besäßen oder aber die Erfahrungen von einigen Wenigen (meist im gehobenen Preissegment Tätigen) überbewerteten und verallgemeinerten, de facto jedoch für einen sehr großen Teil der Prostituierten üble Arbeitsbedingungen herrschten und sehr oft eben nicht von einer selbstbestimmten Tätigkeit gesprochen werden könne.
Das "Nordische Modell"
Seit dem Jahr 1998 gibt es ein Sexkaufverbot in Schweden. Zwar ist es gestattet, Sex anzubieten, nicht aber, diesen zu erwerben. Dabei werden folglich die Freier:innen kriminalisiert, nicht jedoch die Prostituierten. Diese gesetzliche Regelung, die mittlerweile von Norwegen, Island, Kanada, Nordirland, Irland, Frankreich und Israel übernommen wurde, wird als "Nordisches Modell" bezeichnet. Auch die Europäische Union empfiehlt seit 2014 den Mitgliedsstaaten, die Inanspruchnahme sexueller Dienstleistungen zu kriminalisieren und möchte verstärkt gegen Menschenhandel vorgehen, welchem ein enger Zusammenhang mit Prostitution zugeschrieben wird.
Die Argumente, die in den Debatten dafür angeführt wurden, fußten einerseits auf den bereits geschilderten Einwänden gegenüber der Liberalisierung und der häufig mit einer solchen einhergehenden Deregulierung. Andererseits wird aber auch in den Vordergrund gestellt, dass durch die Möglichkeit des Sexkaufs, welcher in großer Mehrheit von Männern in Anspruch genommen wird, suggeriert werde, dass Männer ein wie auch immer geartetes Anrecht auf die Intimität von Frauen besäßen.
Die restriktive Herangehensweise wird auch deshalb unterstützt, weil Liberalisierungen in einigen Ländern zu einem Anstieg von Prostitutionstourismus geführt hat und sich allgemein feststellen lässt, dass in Ländern ohne ein entsprechendes Verbot in einem größeren Umfang Menschenhandel registriert wird. Zudem ist der Ausstieg aus dem vielerorts von Kriminalität geprägten Rotlichtmilieu nur mit enormen Hindernissen möglich. Die Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes wirbt im Einklang mit diesen Argumentationsführungen für das "Nordische Modell" bei gleichzeitiger Intensivierung der Ausstiegsprogramme.
Die Begründungen für eine Einschränkung gehen meist auf eine Fokussierung auf das erzeugte Leid zurück. Es handele sich demnach bei der Prostitution nicht um eine Art "Gewerbe mit leicht erhöhtem Risikofaktor", sondern um eine wesentliche Triebfeder für Menschenhandel, welche damit einhergehe, dass Frauen in der Prostitution eine zwölf Mal höhere Sterblichkeitsrate aufweisen und ein 18-fach erhöhtes Risiko besitzen, ermordet zu werden – und zwar unabhängig davon, ob sie legal oder illegal tätig sind. Eine Verharmlosung von käuflichem Sex spiele außerdem nur den Zuhälter:innen in die Hände, die falsche Erwartungen weckten. Deshalb wird bei diesem Ansatz über eine Kriminalisierung der Freier:innen auch versucht, eine Sensibilisierung der Gesellschaft über die auch vorhandenen Schattenseiten der Prostitution zu erreichen.
Kritiker:innen werfen dem "Nordischen Modell" allerdings vor, dass durch dieses Prostitution verstärkt im Verborgenen stattfinde und den dort nur schwer staatlich zu erfassenden Menschen kaum bis gar nicht geholfen werden könne. Betroffene würden dadurch nur noch unsichtbarer und ungeschützter als ohnehin bereits. Auch wird moniert, dass es etwa in Schweden für Prostituierte schwieriger geworden sei, sich an die Behörden zu wenden, da diese bei einem Vergehen im Zuge einer Inanspruchnahme von Sexkauf als Mitwissende oder Mittäter:innen betrachtet würden. Außerdem seien verstärkt moralische Hürden vorhanden, Missstände anzuprangern und Unterstützung zu suchen, da durch die Bestrafung von Freier:innen die gesamte Branche stigmatisiert werde. Etwa die Ausstiegshilfe habe zudem mit einem Verbot einen ungleich schwereren Job zu leisten, weil sie die Betroffenen kaum noch erreichen könne.
Darüber hinaus befürchtet die Deutsche Aidshilfe, dass dieses Modell auch weitere Verbote nach sich zöge und dann etwa das Betreiben eines Bordells illegal sei. Zudem führe ihrer Ansicht nach die Kriminalisierung zu einem erhöhten Risiko der Betroffenen, Opfer von Gewalt zu werden und sich sexuell übertragbare Infektionen zuzuziehen.
Deutschland: Ein Dreh- und Angelpunkt für Menschenhandel
Mit Blick auf die Bundesrepublik muss konstatiert werden, dass die Liberalisierung nicht die gewünschten Effekte nach sich gezogen hat – ganz im Gegenteil. Etwa der Menschenhandel wird in Deutschland vornehmlich im Bereich der Prostitution betrieben. Seitdem wir eines der liberalsten Prostitutionsgesetze Europas haben, nehmen Sextourismus und Menschenhandel zum Zwecke der Arbeitsausbeutung in Deutschland rasant zu. Die Leidtragenden sind dabei fast ausschließlich Frauen. Die Bezeichnung Deutschlands als "Bordell Europas" ist insofern nicht ganz unbegründet.
Ob nun eine Veränderung des Gesetzes hin zu einer Liberalisierung etwa nach neuseeländischem Vorbild oder aber eine, die sich am "Nordischen Modell" orientiert, sinnvoller ist, ist Gegenstand der aktuellen, kontrovers geführten Debatte. Einigkeit besteht allerdings darüber, dass die letzte Anpassung des Gesetzes im Jahr 2017 kein Schritt in die richtige Richtung war, sondern unter anderem eine unnötige Gängelung zur Folge hatte. Zustimmung scheint es ferner aus beiden "Lagern" dafür zu geben, dass über die Politik zu implementierende, neue Rahmenbedingungen unabdingbar sind. Genauso wie ein breiterer gesellschaftlicher Dialog, Aufklärungskampagnen in Schulen und das Benennen von Fakten und Schieflagen. Konsens scheint außerdem darüber zu bestehen, dass es schärferer Kontrollen in den entsprechenden Einrichtungen ebenso wie der Schaffung von mehr Vertrauen in die Behörden bedarf.
Einige Fragen bleiben indes offen: Ist der Verkauf von Intimität wirklich ein Beruf wie jeder andere? Würde es Prostitution in einem mit heute vergleichbaren Maße überhaupt noch geben, sollte es irgendwann ein bedingungsloses Grundeinkommen oder eine andere Form der umfassenden finanziellen Absicherung geben? Und sollten nicht auch weitere Ideen aufgegriffen und diskutiert werden, da es Prostitution – unabhängig davon, für welches Modell sich ein Staat entscheidet – (vorerst) auch weiterhin geben wird?
Ein noch weitestgehend unbeachteter Ansatz beinhaltet einen Führer:innenschein für Freier:innen, der für Sexkäufer:innen zur Pflicht werden soll. Für den Erwerb desselben könnte notwendiges Wissen vermittelt werden, etwa zu den Themen Sicherheit, Hygiene, Rechte und Consent. Bei Verstößen könnte dieser zeitweise und bei wiederholtem beleidigendem oder respektlosem Verhalten dauerhaft entzogen werden, sodass entsprechende Etablissements diesen Personen dann den Zugang verwehren. Auch denkbar wäre die Schaffung eines Anreizsystems, das Freier:innen belohnt, die Missstände den Behörden melden, sodass diese zeitnah und effektiv eingreifen können.
43 Kommentare
Kommentare
Sebastian am Permanenter Link
Bezüglich Menschenhandel: Die Opfer lt. offizieller Statistik sind in Deutschland seit Jahren stark rückläufig. In Schweden steigen sie seit Jahren. Bezogen auf die Fälle pro 1 Mio.
Buchhaus am Permanenter Link
Da sie das Gegenteil sagen, was im Artikel steht, was ist denn die Quellenangabe dieser angeblichen Statistik? Danke
Sebastian am Permanenter Link
Zum einen sind die Zahlen des BKA heranzuziehen, die jährlich im "Bundeslagebild Menschenhandel und Ausbeutung" heranzuziehen.
Chris am Permanenter Link
Gute Infos findet man in "Das Nordische Modell zu Prostitution – Ein Perspektivwechsel zum Schutz der Menschenwürde" von Dr. Ingeborg Kraus.
libertador am Permanenter Link
Eine Nachfrage und eine Ergänzung:
1. Können Sie die Quelle für die offiziellen Statistiken nennen?
2. Die Untersuchungen, die ich auf die Schnelle gefunden haben, sprechen nicht für Ihre These:
http://eprints.lse.ac.uk/45198/1/Neumayer_Legalized_Prostitution_Increase_2012.pdf
Sebastian am Permanenter Link
An anderer Stelle gab es eine ähnliche Rückfrage, die ich dann beantwortet haben. Leider ist daraus keine weitere Diskussion entstanden.
libertador am Permanenter Link
Sie zitieren, die Zahl sei seit 2016 nahezu unverändert.
Dann behaupten Sie die Zählen gingen zurück, aber in Schweden würden Sie steigen. Letzteres ist meine Interpretation von "im Gegensatz".
Habe Sie entsprexlchende Belege für die Situation in Schweden und für den Rückgang der Zahlen?
Sebastian am Permanenter Link
Hallo libertador,
Danke für Ihr Interesse. Bezüglich eines weiteren Austauschs bin ich sehr interessiert. Das Thema analysiere ich seit langem und könnte viele Aspekt liefern. Einen kurzen Hinweis zu Ihrer Frage wie folgt:
Bei genauer Betrachtung des zitierten Artikels wird klar, dass die Opferzahlen lt. BKA betreffend Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung im Jahresvergleich unverändert blieben (und eben nicht immer schlimmer wurden). Schaut man sich die entsprechenden Berichte in den Folgejahren an, sieht man die von mir genannte Abnahme. Man kann, wie an anderer Stelle geschehen, behaupten die Zahlen spiegeln nichts wider (das sehe ich anders). Einen Beweis für eine Zunahme von Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung ist das jedoch in keinem Fall.
Auf der anderen Seite habe ich die analogen Zahlen für Schweden analysiert. Diese können Sie u.a. auf der website der BRA (schwedisches Pendant für BKA) und den "Trafficking in Persons Reprorts" des amerikanischen Außenministeriums (und noch an anderen Stellen) nachvollziehen. Dort wird eben die genannte Zunahme ersichtlich.
Das war nur ein oberflächlicher Hinweis für ein komplexes Thema. Falls Sie weitere Informationen und genaue Erläuterungen wünschen, möchte ich gern dazu beitragen.
Chris am Permanenter Link
Die offiziellen Zahlen spiegeln das Problem nur unzureichend wider, weil angesichts schwerster Gewalt(androhung) kaum eine Prostituierte es wagt, gegen ihre Peiniger auszusagen.
So ist Menschenhandel vor Gericht kaum beweisbar.
Hartmuth Katz am Permanenter Link
Nur am Rande: Vielleicht wäre ein Hinweis darauf, wie viel Prozent der Prostituierten Frauen sind und wie viel Prozent der Freier Männer sind sachdienlicher als das Pseudowort 'Freier:innen' .
Sich selbst zu einem bloßen Mittel zu machen ist unmoralisch.
Einen anderen Menschen zu einem bloßen Mittel zu machen ist kriminell.
Das Nordische Modell ist der einzig akzeptable Weg.
Chris am Permanenter Link
In Schweden gibt es inzwischen fast keine Morde mehr an Prostituierten, in Deutschland Hunterte.
Robert Fies am Permanenter Link
Ich bin gegen jede Kriminalisierung und für eine möglichst starke Liberalisierung jedweder Form von freiwilliger Sexualität.
Gerhard Stolz am Permanenter Link
Dies ist der vernünftigste Beitrag zum Thema!
Chris am Permanenter Link
Von 400.000 sind nur gut 40.000 offiziell gemeldet. Viele sind ohne Krankenversicherung und das bei einer (körperlich und psychisch) extrem gefährlichen "Arbeit".
Da (bis auf wenige Ausnahmen) fast alle Prostituierten gegen ihren Willen zum Sex gezwungen werden, ist die Legalisierung 2002 gescheitert.
Liberalisierung hilft im Kampf gegen Menschenhandel nicht.
Sternchenskepti... am Permanenter Link
Ich finde es immer angemessen, das ganze mit dem Organhandel zu vergleichen. Denn nichts weiter ist Prostitution.
Also die meisten finden es wohl ok, wenn jemand aus freien Stücken gegen Entgelt Blut spendet. Das z.B. ist aber in der BRD verboten. Achtung: Aus ethischen Gründen. Jawoll! Man darf nur eine 'Aufwandsentschädigung' bekommen. Da kommt auch niemand und schreit was von Prüderie und Bevormundung und dass man das Blutspenden eh nicht verhindern kann usw.
Jetzt frage ich: Wieso ist man beim Blutspenden so zimperlich, aber bei der Demütigung und sexuellen Ausbeutung darf man um Gottes Willen niemandem ein Kieselsteinchen in den Weg legen?
Das Organ Blut regeneriert sich immerhin in kürzester Zeit, und das hat auch noch positive Nebeneffekte. Prostitution zerstört den Menschen und das gesellschaftliche Klima für alle Frauen, Schwule und Kinder, auch wenn sie selbst nicht im Entferntesten daran denken (müssen) sich zu prostituieren.
Aus einem Trauma kann man nicht mal eben aussteigen. Und die meisten Prostituierten, auch die paar, die sich freiwillig wähnen, sind in einem Alter, indem sie noch keine Vorstellung davon haben, was die sich ständig wiederholenden Erniedrigungen an Zerstörungskraft in ihnen entfalten werden. Deshalb ist der Organhandel mit Blut auch nicht der angemessene Vergleich für die Prostitution. Der angemessene Vergleich sind (ebenfalls stattfindend) Freiheitsberaubung und Niere raus. Mit dem Unterschied, dass die fehlende Niere jede:r sehen kann.
Bundespräsident:in dürfen wir erst ab 40 werden. Für Prostituierte sollte das gleiche gelten. Gepaart mit einem Verbot der Zuhälterei wäre ich einverstanden.
Almuth Wessel am Permanenter Link
Es gibt auch den Organspenderausweis. Soll der dann AUCH kriminalisiert werden? Im übrigen finde ich es reichlich grenzwertig, wenn SIE Prostituierte auf ihre Geschlechtsorgane reduzieren.
Sternchenskepti... am Permanenter Link
Reduzieren? Diesem gefährlichen Glauben vorzubeugen, galt das (vermeintlich nur). Ich reduziere nicht, sondern ich benenne die im Wesentlichen stattfindende Praxis.
Falls Ihnen noch auffällt, dass Sie ganz vergessen haben mir Prüderie vorzuwerfen: Ich habe nullkommanix gegen sexuelle Bedürfnisbefriedigung, sowohl allein als auch unter gern aufeinander Bezug nehmenden Partner:innen, solchen für den Moment oder die Ewigkeit oder was dazwischen. Auch was dabei praktiziert, fantasiert oder sonstwieiert wird, ist mir restlos wumpe, solange alle Beteiligten jederzeit nein sagen können, ohne etwas befürchten zu müssen.
Im Falle der Prostitution sieht die Realität aber so aus, dass Zwang und Ausweglosigkeit die ganz überwiegende Zahl der Benutzten dazu treiben, im Intimsten Dinge zu tun und mit sich machen lassen zu müssen, die ihnen widerstreben und ihnen deshalb die Würde rauben, sie ertauben lassen und zerstören.
Wer das nicht gut findet, gilt als prüde. So wie man ja auch als Nazi gilt, wenn man frauenverachtenden Ideologien den Applaus verwehrt, besonders wenn sie sich 'Islam' nennen. Das eigene Image der 'Weltoffenheit' und 'Entspanntheit' (nicht mit 'Liberalität' zu verwechseln) lässt man gern mit dem Leid von Millionen Frauen im faschistischen Ausbeutungssystem Prostitution bezahlen.
Das Versagen der Liberalen besteht darin, dass sie die Freiheit des Individuums immer nur für Benutzer und die paar tatsächlich freiwillig sich prostituierenden verteidigen. Alle anderen Frauen sind den angeblich Liberalen scheißegal, denen scheinen die keine Freiheit zugestehen zu wollen oder sie sind für die keine Individuen, gelle, Lindner?
Das Totalversagen der Linken besteht in der legalistischen Haltung gegenüber der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen. Ein bisschen Lippenbekenntnis gegen die Unfreiwilligkeit ist politisch und sozial nicht wirksam, also wohlfeil. Es bleibt Totalversagen.
Dass die C-Parteien (AfD, CDU,CSU) offiziell ein Problem mit Sex und allem, was Spaß machen könnte haben, ist nicht neu; die IC-Partei empfiehlt Globuli für die entspannte Betrachtung.
Die SPD ist immer wieder auf der Suche nach einem neuen Hintern, an dem sie lecken kann, also vielleicht sind Frauen zwischendurch mal wieder en vogue, mal sehen.
Wen sollen wir noch wählen, um in einem Land zu leben, in dem man unsereins nicht kaufen kann?
Vor jedem Kaugummi wird heute mehr gewarnt als vor der lebenslänglichen Selbstzerstörung. Finde den Fehler.
Renton am Permanenter Link
"Im Falle der Prostitution sieht die Realität aber so aus, dass Zwang und Ausweglosigkeit die ganz überwiegende Zahl der Benutzten dazu treiben..."
Haben Sie für diese Behauptung Belege? Dunkelfeldstudien, Hellfeldstatistiken,...? Ist nicht als Widerspruch gemeint, sondern rein interessiert. Im Artikel wird ja angesprochen, dass die Gegner der Prostitution den Befürwortern vorwerfen, sich auf vergleichsweise seltene hochpreisige Prostitution zu fokussieren und den Bereich der, ich nenne es mal "Elendsprostitution", zu vernachlässigen. Aber wie ist das Verhältnis denn wirklich?
Sternchenskepti... am Permanenter Link
Wenn Sie Zwangsprostituierte:r sind, haben Sie i.d.R. schon rein physisch keine Chance zu Anzeige und Ausstieg.
Zahlen kann man nur in dem Rahmen erheben, wie Angaben gemacht werden. In einem derart scham- und gewaltbesetzten Zusammenhang ist das extrem schwierig. Wenn Sie ein opferfreundliches Klima schaffen, werden die Zahlen nominal viel höher sein, weil prozentual mehr Opfer sich ans Tageslicht trauen und es überhaupt erstmal schaffen. Und natürlich, weil aktiver gefahndet wird. Siehe Schweden.
In Deutschland sind die offiziellen Zahlen natürlich mit äußerster Vorsicht zu genießen, Stichwort Spitze des Eisbergs. In anderen Ländern hatte man in der neoliberalen Ära auch entgrenzt, aber schnell erkannt, dass das Wahnsinn ist und die Reißleine gezogen.
In Deutschland nimmt der Staat anscheinend lieber das Geld und wir gucken alle zu.
Die wichtigsten Hinweise geben Aussteiger:innen. Die Tatsache, wer sich prostituiert (Junkies, Arme, Verschleppte, Menschen ohne Aufenthaltstitel, nur sehr wenige Sparkassenangestellte, Landtagsabgeordnete und Dipl.-Ing. für Elektrotechnik). Würde es tatsächlich eine erwähnenswerte Freiwilligenquote geben, bräuchten die Verbrecher, die man bei uns so niedlich 'Zuhälter' nennt, wohl kaum die Loverboy-Masche und LKWs, in denen Osteuropäerinnen zusammengepfercht sind, die zufällig alle unterwegs ihren Reisepass verloren haben und so unglücklich gestolpert sind, dass sie blaue Flecken und Striemen unter der Kleidung haben (niemals sichtbar! es sei denn, die Kundschaft steht drauf).
Und wie gesagt: Fragen Sie so viele Väter, wie Sie wollen, ob sie die Prostitution für eine prima berufliche Perspektive für ihre Kinder halten und warten Sie auf den Ersten, der das gut fände.
Ich empfehle wirklich, die unter diesem Artikel schon erwähnte Reportage anzusehen, in der ja auch ein ehemaliger Kriminalbeamter zu Wort kommt, der sein ganzes Berufsleben lang das Elend gesehen hat und wegen der idiotischen Gesetzgebung, durch die Grünen und Linke in der SPD forciert, nicht wirklich was unternehmen konnte.
https://www.focus.de/kultur/kino_tv/tv-dokumentation-gibt-einblicke-20-freier-an-einem-tag-tv-dokumentation-gibt-erschuetternde-einblicke-in-das-rotlichtmilieu_id_13045731.html
Georg am Permanenter Link
Eine Art Führerschein klingt für mich nach einer komischen, schlechten Idee.
Ich wäre für eine schärfere Regulierung. Insbesondere der Prostitutionsstätten.
A.S. am Permanenter Link
Ist Sex ein menschliches Grundbedürfnis?
Wenn ja, muss die Gesellschaft den Menschen auch Möglichkeiten zu Verfügung stellen, dieses Grundbedürfnis zu befriedigen. Was dabei raus kommt, wenn dies nur unzureichend geschieht sehen wir an der katholischen Kirche.
Es ist m.E. wenig hilfreich, menschliche Grundbedürfnisse in den gesellschaftlichen Untergrund zu verdrängen.
Prostitution ist nur körpernäheste unter den körpernahen Dienstleistungen. Es geht um die Rahmenbedingen hierfür. Auf die Meinungen sexuell verklemmter weiblicher Wichtigtuerinnen sollten wir in der Debatte ebensowenig hören wie auf die Meinungen sexuell verklemmter männlicher Wichtigtuer.
Chris am Permanenter Link
Sex ist ein Bedürfnis, aber es gibt kein Recht darauf. Das ist auch gut so.
Da es nur sehr wenige deutsche Frauen gibt, die "Sex" anbieten, wird –bei aktueller Nachfrage– dies mit Frauen aus den ärmsten Regionen Osteuropas ausgeglichen – auch durch Menschenhandel:
"Kompetente, kriminalpolizeiliche Ermittler gehen davon aus, dass in Deutschland 96 bis 98 Prozent der Frauen in der Prostitution fremdbestimmt sind." (Quelle: "Das Nordische Modell zu Prostitution – Ein Perspektivwechsel zum Schutz der Menschenwürde" von Dr. Ingeborg Kraus)
Letzte Woche (4.3.2021) lief in 3sat die augenöffnende Doku: "Prostitution: Kein Job wie jeder andere", die man auch in der Mediathek findet.
Der einleuchtendste Lösungsansatz ist die Reduzierung der Nachfrage:
Je weniger Kunden zahlen, desto weniger können Menschenhändler kassieren.
A.S. am Permanenter Link
Der Ansatz funktioniert ja schon bei Drogen nicht.
Je tiefer ein Bedürfnis in der menschlichen Psyche/Natur verankert ist, desto weniger lässt es sich unterdrücken. Irgendwie bricht es durch.
Chris am Permanenter Link
Die Nachfrage von Freiern schwankt je nach Gesetzgebung stark. In Schweden ist "Freier" ein Schimpfwort.
Die gesellschaftliche Prägung trägt zum Frauenbild und zur Wahrnehmung der eigenen Sexualität bei.
Nicht jeder ist sexsüchtig.
A.S. am Permanenter Link
Es ist die alte Frage: Instinkt oder Erziehung?
Der Instinkt sitzt am längeren Hebel.
Chris am Permanenter Link
Instinkt und Frauenbild werden von Gesellschaft und Gesetzgebung mitgeprägt.
Mit einer Frau gegen Geld tun zu dürfen, was sonst nicht geht, zeigt kein gutes Frauenbild.
Chris am Permanenter Link
In der 3Sat-Doku vom 4.3.2021 wird das Thema auch gut beleuchtet: "Prostitution: Kein Job wie jeder andere"
Assia Harwazinski am Permanenter Link
Diese Doku.
Sternchenskepti... am Permanenter Link
Ah ja, und das kommt natürlich nur durch Prostitution da rein, wie sonst?
'In vorislamischer Zeit gehörte die Prostitution zur matrilinear und matrifokal organisierten Gesellschaft und war Bestandteil derselben' ____ ? Was für ein Blödsinn! Und weil zwischen dem f und dem l auf der Tastatur vier andere Buchstaben liegen, dürfen wir einen Tippfehler wohl ausschließen. Es heißt matrilokal, und wer das Haus erbt, braucht sich nicht zu prostituieren. Sollte Ihnen mit Blick auf den Islam doch aufgefallen sein.
Schauen Sie sich mal an, was alles verboten ist, was man durch Verbot nicht zum Verschwinden bringen kann. Es gibt ja auch allgemein Vergewaltigungen. Wollen Sie die jetzt legalisieren? Denn restlos verschwinden werden sie sicher nicht, schon gar nicht solange wir diese teils kranke Gesellschaftsordnung haben. Auch häusliche Gewalt ist verboten, aber solange Frauen glauben, dass sie mit Männern zusammenleben müssten, nur weil ihr Sexualtrieb sich auf sie richtet, wird es welche geben. Verbot also sinnlos? Man könnte auch Steuerhinterziehung nennen oder im Juli Gartenabfälle verbrennen. Kann man alles nicht ausmerzen und ist trotzdem verboten
weil es zerstörerisch ist und andere mit den Folgen leben müssen!
Assia Harwazinski am Permanenter Link
In vorislamischer Zeit gab es die Regelung der sog. "Zeitehe" (mut´a), im arabischen, besonders südarabischen, Raum, aber auch im heutigen Äthiopien in einigen Regionen.
Frank Nicolai am Permanenter Link
Diese „Zeitehen“ gibt es noch immer. Im Iran z.B. sind sie auch heute üblich.
Sternchenskepti... am Permanenter Link
Sie wollen mich auf Krampf missverstehen. Ihre Erklärungen können Sie sich sparen, ich bin mit alldem bestens vertraut, auch wenn ich mein Leben nicht im Ganzen mit Inhalten dieser Art vergeuden möchte.
Also nochmal konkret:
Welches von den Beispielen, die ich genannt habe, möchten Sie nicht länger kriminalisieren bzw. mit welcher Begründung eben doch. Denn wo es keine Begründung gibt, kann auch nicht kriminalisiert werden.
Vergewaltigung: illegal? warum? / sonst legal
Häusliche Gewalt: illegal? warum? / sonst legal
Steuerhinterziehung: illegal? warum? / sonst legal
im Hochsommer offenes Feuer zünden: illegal? warum? / sonst legal
und bitte auch:
Exhibitionismus: illegal? warum? / sonst legal
kommerzieller Organhandel: illegal? warum? / sonst legal
Erst- bis Viertfrau im schwarzen Sack aneinandergebunden an der Hundeleine durch die Fußgängerzone führen (gab's schon, ich meine das war damals in Frankfurt/M.): illegal? warum? / sonst legal
Die vermutliche Häufigkeit des Vorkommens spielt bei der qualitativen Beurteilung keine Rolle. Aber das brauche ich einer durch und durch professionellen 'Theologin' ja nicht zu erklären.
Ich sehe ihrer kurzen hopp-oder-top-Liste hinsichtlich dieser sieben denkbaren Vorkommnisse interessiert entgegen. Bei Ihnen kann ich schließlich noch was lernen. Und sei es nur, dass außerhalb der Prostitution noch nie eine Schwangerschaft begonnen hat.
Assia Harwazinski am Permanenter Link
Bin weder Theologin noch habe ich irgendetwas von den genannten Praktiken "legitimiert", lediglich ein paar historische Fakten und Zusammenhänge erwähnt.
Sternchenskepti... am Permanenter Link
Sie drücken sich um die Antwort.
Womit wollen Sie die Ungleichbehandlung begründen?
Chris am Permanenter Link
In Schweden sind die Bedingungen für Prostituierte besser als in Deutschland, weil sie mehr Rechte haben, nicht bestraft werden, aber die Freier bestraft werden können.
Das gibt den Prostituierten viel Macht gegen besonders schlimme Freier in die Hand.
Sebastian am Permanenter Link
Wie kommen Sie darauf, dass die Damen mehr Rechte hätten? Nur ein kleiner Aspekt: Prostituierte verdienen lt. schwedischen Gesetz ihren Lebensunterhalt mit unehrlicher Arbeit, werden lt.
Chris am Permanenter Link
Prostituierte in Schweden haben im Vergleich zu Käufern größeren Handlungsspielraum, weil Kauf strafbar ist, nicht aber das Angebot.
Wenn Freier besonders gewalttätig werden, können Prostituierte Anzeige erstatten. In Deutschland wäre das aussichtslos, weil Freier behaupten können, es sei alles einvernehmlich gewesen.
Die Gesetze in Deutschland geben den Prostituierten also bei besonderen Gewalterfahrungen kaum Schutz
– die Gesetze in Schweden schützen besser.
Besonders hart trifft es in Deutschland die Mehrheit derer, die illegal von Zuhältern gezwungen werden.
Von ca. 400.000 sind ja nur gut 40.000 offiziell gemeldet.
Sebastian am Permanenter Link
Und die Ausrede "mit Einverständnis" würde wirklich ziehen. Woher haben Sie das?
Des Weiteren: Eine Prostituierte, die polizeilich registriert wird, was bei einer Anzeige nötig wird, riskiert abgeschoben zu werden, ihre Wohnung und im Extremfall auch ihre Kinder zu verlieren (s. die tragische Geschichte von La Petite Jasmine). Mit dem nordischen Modell befasse ich mich seit langen, und glauben Sie mir, es ist unmenschlich.
Die Zahl 400 000 ist übrigens keine seriöse Schätzung sondern eine willkürlich Zahl. Sie kursierte nämlich schon vor der Wiedervereinigung durch die Medien. Heutzutage geht man von 200 000 aus, was wahrscheinlich immer noch zu hoch ist.
Im Übrigen, was sagt die Registrierung über den Status der Prostituieren aus? Auch Zwangsprostituierte können sich doch anmelden.
Chris am Permanenter Link
Eins ist klar: Die aktuellen deutschen Gesetze sind im Kampf gegen Menschenhandel fast wirkungslos.
Daher ja die wenigen Verurteilungen.
Dass die Schätzungen so weit auseinander gehen, zeigt, wie viel in Deutschland in dem Bereich illegal passiert.
Die Legalisierung 2002 hat den Menschenhändlern sehr geholfen, den Prostituierten sehr geschadet.
Wer mit extremer Gewalt bis hin zur Morddrohung gegen sich und die Familie konfrontiert ist, traut sich vor Gericht eher nicht, das volle Leid auszubreiten.
In Schweden ist der Menschenhandel stark zurückgegangen.
Ein riesiger Erfolg!
Chris am Permanenter Link
Je weniger Freier, desto weniger Ausbeutung.
Gegen Menschenhandel muss eine politische Lösung bei der Nachfrage ansetzen.
Assia Harwazinski am Permanenter Link
Danke! Eine neuere Studie zur Situation in den USA von 2016, wo die Prostitution weitgehend verboten ist, kommt zu anderen Ergebnissen: Susan Dewey and Tonia St. Germain, Women of the Street.
Chris am Permanenter Link
In den USA ist Prostitution sowohl für Prostituierte als auch für Freier strafbar.
Die Polizei konzentriert sich häufig leider auf die Strafverfolgung der Frauen und weniger auf die Männer. Das mag daran liegen, dass viele Polizisten Männer sind oder auch an mangelnder Kenntnis der Polizei über die Machtstrukturen dort.
Das Nordische Modell setzt ja vor allem bei den Käufern an und lässt die Prostituierten ausdrücklich straffrei, was diese in eine bessere rechtliche Lage versetzt.
Die Erfolge in Schweden sind beachtlich.
Assia Harwazinski am Permanenter Link
... und es liegt u. a. daran, dass einige Freier Polizisten sind, was alle Beteiligten in eine ziemliche Zwickmühle bringen kann...