Kölner Katholiken mucken auf

"Die Geduld ist aufgebraucht", so fasst es der Kölner Katholikenausschuss zusammen. Die Vertretung der katholischer Laien in der Domstadt beobachtete über Jahre hinweg, wie das Erzbistum die Aufarbeitung zahlloser Missbrauchsfälle an Minderjährigen durch Kirchenleute verschleppte. Nun sorgt ein weiterer Fall für einen Eklat: Ein Priester wurde auf eine höhere Stelle befördert, obwohl er sexuelles Fehlverhalten zugegeben hatte. Und: Generalvikar Markus Hofmann verteidigte diese bizarre Personalentscheidung mit einer nicht weniger grotesken Rechtfertigung.

Was war geschehen? Hofmanns Chef, der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki, hatte einen Pfarrer zum stellvertretenden Stadtdechanten von Düsseldorf ernannt, der zuvor eingeräumt hatte, gemeinsam mit einem 17-jährigen Prostituierten masturbiert zu haben. Der Mann hätte sich jedoch reuig gezeigt und deshalb eine zweite Chance verdient, so Woelkis Stellvertreter, Generalvikar Markus Hofmann in einem Interview des WDR-Fernsehens Ende April. Die Tat sei "weder nach staatlichen noch kirchenrechtlichen Normen strafbar" gewesen, meinte Hofmann dazu lapidar. Das Video wurde zwischenzeitlich aus der Mediathek entfernt.

Auch wenn der Mann kein geschriebenes Gesetz gebrochen hat, liegt hier dennoch ein Fall von sexuellem Fehlverhalten vor – nicht nur nach Ansicht von kirchenfernen Beobachtern. Auch der Katholikenausschuss der Stadt Köln äußert sich in einer Pressemitteilung "entsetzt und geradezu fassungslos" und bezeichnet Hofmanns Haltung als "verharmlosend und menschenverachtend". Der Kölner Katholikenausschuss ist die Dachorganisation der katholischen Laien, etwa Mitgliedern von Verbänden und Pfarrgemeinden, in der Stadt. Er war bereits früher mit schwerwiegender Kritik an Woelki herangetreten.

Nun konfrontiert der Katholikenausschuss die Führungsriege des Erzbistums mit einem Katalog von Forderungen. So sollen Verantwortliche ernannt werden, die regelmäßig über Fortschritte in der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals berichten. Vor allem aber fordert er Woelki und Hofmann dazu auf, den längst überfälligen Veränderungsprozess innerhalb der Kirche anzustoßen. Andernfalls legen die Laien beiden Kirchenchefs den Rücktritt nahe.

Starke Worte eines Gremiums ohne Einfluss auf die Machtstrukturen im Erzbistum. Statt weiter vergebens auf ein Ende der Vertuschungspolitik zu hoffen, haben viele Kölner offenbar ihre eigene Konsequenz gezogen und der Kirche den Rücken gekehrt. Vor einem Vertrauensverlust beim gläubigen Fußvolk warnt auch der Bonner Stadtdechant Wolfgang Picken. Die Folgen sind unübersehbar: Bereits jetzt zählt man in der Domstadt mehr Kirchenaustritte als sonst im ganzen Jahr.

Ein Priester, der trotz eingestandenen Fehlverhaltens die Karriereleiter emporklimmt, und eine Unkultur des Wegsehens und Abwiegelns: Der jüngste Eklat ist nur ein weiteres Kapitel in der Tragödie um die schleppende Aufarbeitung des Kölner Missbrauchsskandals. Ein im März veröffentlichtes Gutachten wurde von Betroffenen als unzureichend kritisiert. Es war bereits das zweite seiner Art. Ein erstes hatte das Erzbistum monatelang unter Verschluss gehalten – wegen "methodischer Mängel", wie es hieß. Erst Ende März gewährte man Außenstehenden für wenige Tage Einsicht in das Dokument, und auch dies nur unter absurd erschwerten Bedingungen.

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