Ein Beleg für die Existenz Gottes kann so aussehen: Du gehst in einen Massagesalon. Plötzlich wird geschossen. Ein Mann kommt in dein Behandlungszimmer, bewaffnet, Mord im Blick. Du gehst zu Boden und bittest ihn, dich nicht zu töten. Der Mann sagt, du sollst ihn anschauen. Du schaust ihn an. Er schießt dir ins Gesicht.
So ist es im März dem Automechaniker Elcias Hernandez Ortiz ergangen, der das Pech hatte, im falschen Moment am falschesten Ort zu sein. In einem der Massagesalons im Raum Atlanta, die von einem Mann heimgesucht wurden, der töten wollte, mutmaßlich wohl ein 21-jähriger Intensivchrist, der sich aufgrund seiner Sozialisation als "sexsüchtig", ergo sündhaft betrachtete und asiatischstämmige Frauen in Massagesalons töten wollte, weil sie für ihn "eine Versuchung" darstellten.
In einem der Massagesalons befand sich auch Elcias Hernandez Ortiz. Die Kugel zertrümmerte seinen Schädel über der Nase und schoss durch seinen Hals und durch die Lunge bis in den Magen. Hernandez Ortiz rief seine Frau an. Die fand ihn am Tatort, umringt von Sanitätern. Er hätte, wie acht andere Opfer des Täters, tot sein müssen.
Warum lebt er? Hernandez Ortiz erklärt es so: "Es ist klar, dass Gott in diesem Moment bei mir war. Ich bin ein Wunder, selbst die Ärzte haben das gesagt. Die Ärzte bekommen viel zu sehen, und wenn selbst sie das Wort 'Wunder' benutzen, um meine Heilung zu beschreiben, dann weiß man aus erster Hand, dass es ein Wunder gewesen ist."
Nun darf Elcias Hernandez Ortiz natürlich glauben, was er will. Wer einen solchen Moment überlebt hat, kann das auf einer emotionalen Ebene vielleicht gar nicht anders einordnen, als dass ein Wunder geschehen ist. Rational betrachtet aber: Was wäre das für ein Gott? Er sieht tatenlos zu, wie ein junger Mensch in seinem Namen eine Hölle des schlechten Gewissens und der Selbstquälerei durchlebt. Er sieht zu, wie der junge Mann sich bewaffnet. Wie er losfährt. Wie er, einen nach dem anderen, drei Massagesalons aufsucht. Acht Menschen tötet. Und diesen einen lässt er dann, schwer verletzt, überleben? Das klingt nach einem ziemlich perversen Gott, eben jenem, der in der Bibel beschrieben wird, dem Massenmörder und Sadisten, der irgendwann mit Getöse die ganze Welt vernichten will.
Wir würden an den lieber nicht glauben müssen. Sinnvoller ist hier wohl der Verweis auf das Crowdfunding, das Flora Gonzalez Gomez, die Frau von Elcias Hernandez Ortiz, ins Leben gerufen hat und wo glücklicherweise schon über 300.000 Dollar eingegangen sind. Nicht um ein Kirchenfenster zu kaufen. Sondern für die medizinische Behandlung. Jeder jeden Tag eine gute Tat, liebe Leserinnen und Leser! Dann wird die Welt ein paradiesischer Ort.
2 Kommentare
Kommentare
Roland Weber am Permanenter Link
Dies ist nicht nur ein individuelles, sondern vor allem ein gesellschaftliches Muster:
Wenn ein Unglück passiert, dankt man Gott für die Geretteten, am besten als Werbeveranstaltung mit einem ökumenischen (d.h. alle glaubensunterschiede leugnender Gemeinsamkeit!) Gottesdienst. Die Opfer vermag man keinesfalls einem Gott zu rechnen.
Gibt es nur Opfer, dann ist erneut eine Werbeveranstaltung fällig: Diesmal beschränkt man sich aufs gemeinsame Gedenken - und auch hier dann gänzlich ohne auf einen weltlichen Eingriff Gottes zu verweisen.
Die individuellen Denkdefizite in diesem Zusammenhang sind lediglich die Folgen der anerzogenen Denkdefizite.
Einen bemerkenswerten Unterschied gibt es bei ansonsten vorliegenden Gemeinsamkeiten zwischen Christen und Juden:
Für Juden ist Gott stets gerecht und für alles verantwortlich, wobei die Schuld immer bei den Gläubigen gesucht wird - bei Christen ist ein (ohnehin eingebildeter) Gott für nichts Negatives verantwortlich - und schon gar nicht die Gläubigen! - Deswegen genügt ein Gott den Juden und bei den Christen bedarf es (neben polytheistischen Aufsplittungen bis zu Heiligen gar) ausdrücklich eines Satans um ihre Weltsicht "rund zu machen".
Hans Trutnau am Permanenter Link
Wie wahr, ohne Gott und Götter - innen wie außen - ist "die Welt ein paradiesischer Ort".
Die Welt ist schön.