Kritik an religiösen Bekenntnissen ist in Deutschland strafbar

Abbas M. wurde am Montag vom Stuttgarter Amtsgericht zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 10 Euro verurteilt. Bei einer angemeldeten Protestkundgebung vor circa neun Monaten in Stuttgart hatte M. auf die Gefahr durch den Politischen Islam aufmerksam machen wollen. Dabei wurde er Opfer eines tätlichen Angriffs.

In einer auf Persisch gehaltenen Rede hatte Abbas M. als Versammlungsleiter einer Kundgebung anlässlich der Ermordung von Samuel Paty – die ohne Polizeischutz auskommen musste – den islamischen Religionsgründer Mohammed nach Ansicht des Amtsgerichts unzulässig beschimpft. M. wollte nach eigener Aussage auf die Tatsache hinweisen, dass Kinderheirat in islamischen Staaten gang und gäbe sei und von der Religion gedeckt würde. Er wurde daraufhin von Muslimen angegriffen und dabei verletzt.

Abbas M. erhielt auf der Basis des Paragrafen 166 StGB ("Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen") einen Strafbefehl in Höhe von 30 Tagessätzen zu je 10 Euro. Diesen akzeptierte er nicht, daher kam es zu einer Gerichtsverhandlung.

Man muss M.s Kritik am radikalen Islam, an islamischen Regimen und die Art, wie sie vorgetragen wurde, nicht teilen, um festzustellen, dass die Meinungsfreiheit – ein hohes Gut in unserem Recht – durch die Anwendung des Paragrafen 166 stark beeinträchtigt wird. M.s Verteidigerin wies darauf hin, dass die Qualität kritischer Aussagen kein Maßstab für die Anwendung des Strafrechts sein sollte.

Den Ausschlag für die Verurteilung gab jedoch der aus Sicht der Richterin und der Staatsanwältin erfüllte Tatbestand der Beschimpfung des Religionsgründers und damit eines religiösen Bekenntnisses, die geeignet gewesen sei, den öffentlichen Frieden zu stören.

M. sieht seine Aussagen hingegen als Tatsachenbehauptungen: "Ich habe niemanden beleidigt. Ich habe die Wahrheit gesagt."

Die Verhandlung und das Urteil legen schonungslos die Schwächen des aus der Zeit gefallenen Paragrafen 166 StGB offen, der recht treffend, wenn auch juristisch nicht korrekt, als "Blasphemieparagraf" bezeichnet wird. Diese wurden von der Verteidigerin in ihrem Plädoyer aufgedeckt:

  • Was ist eigentlich eine "Beschimpfung" im Sinne des Paragrafen 166 StGB? Wo liegt die Grenze zur Meinungsäußerung? Ist der Begriff "pädophil" hier zum Beispiel im wissenschaftlichen oder im populären Sinne zu verstehen? Wie sind sozio-kulturelle Unterschiede bei der Verwendung von Begriffen, gegebenenfalls Übersetzungsfehler und die mögliche Wirkung auf das Zielpublikum zu bewerten?
  • Eine "Beschimpfung" ist laut dem Gesetz strafbar, wenn sie "geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören". Aber ab wann besteht eine derartige Gefahr? Und können solche Anlässe nicht auch herbeiorganisiert werden?

Der Paragraf hat, wie die Verteidigerin ausführte, nichts in unserer säkularen Rechtsordnung zu suchen. In vielen vergleichbaren Ländern wie Großbritannien und den Niederlanden gibt es entsprechende Regelungen nicht. Frankreich hat den Blasphemieparagrafen schon 1871 abgeschafft. Auch das Menschenrechtskomitee der Vereinten Nationen bekräftigte 2011 in einer Stellungnahme, dass Landesgesetze, die "Blasphemie" unter Strafe stellen, die freie Meinungsäußerung einschränken und mit den allgemeinen Menschenrechtsstandards inkompatibel sind. Wie die Strafnorm der "Majestätsbeleidung", die 2017 im Zuge der "Erdoğan-Böhmermann-Affäre" abgeschafft wurde, sollte auch der Blasphemieparagraf ersatzlos gestrichen werden.

Christoph Houtman von der gbs-Regionalgruppe Stuttgart meint hierzu: "Der Paragraf 166 StGB muss in einem zunehmend säkularen Staat, in dem laut Umfrage-Ergebnissen von ALLBUS 2018 nur noch 20 Prozent der Bevölkerung an Gott glauben, endlich ersatzlos abgeschafft werden. Er dient nicht zum Schutz von Religionen, sondern zur Verhinderung von Kritik an ihnen. Die Gesetze gegen Volksverhetzung, Beleidigung oder die Anleitung zu Straftaten reichen völlig aus, um religiöse und weltanschauliche Bekenntnisse zu schützen."

Werner Koch, Mitglied der Giordano-Bruno-Stiftung und der Säkularen Flüchtlingshilfe Stuttgart, der geflüchtete Ex-Muslime wie Abbas M. betreut, ergänzt: "Die Abschaffung des 'mittelalterlichen Diktaturparagraphen' (Kurt Tucholsky) wäre eine angemessene rechtsstaatliche Reaktion auf die Einschüchterungsversuche gewaltbereiter Islamisten." Denn obwohl der Versammlungsleiter Opfer eines tätlichen Angriffs wurde, ist er es, der von der Polizei angezeigt und vom Amtsgericht verurteilt wurde.

M. beabsichtigt, mit seiner Verteidigerin in Berufung zu gehen.

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