Jacques Tilly, der kreative Erbauer der bissig-satirischen Düsseldorfer Karnevalsmottowagen, hat einen staatlichen Orden bekommen. Und findet das "durchwachsen". Bemerkenswert: In seiner Würdigung der Verdienste Tillys kommt der christdemokratische nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst auch auf dessen Wirken bei der Giordano-Bruno-Stiftung und beim Humanistischen Pressedienst zu sprechen.
Der Landesverdienstorden ist eine der höchsten Auszeichnungen des Landes Nordrhein-Westfalen. In einem feierlichen Akt wurde er jetzt elf Menschen aus dem bevölkerungsreichsten Bundesland verliehen. Menschen, die Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) als Vorbilder und Hoffnungsträger bezeichnete. Einer von ihnen: Jacques Tilly.
Wüst hob in seiner Würdigung des Düsseldorfers natürlich vor allem die Verdienste hervor, die dieser sich "als wichtiger Botschafter des traditionsreichen Karnevalsbrauchtums und des Landes NRW" erworben habe. Seit gut 30 Jahren entwerfe und baue Tilly äußerst phantasievoll politisch-satirische Mottowagen für den Düsseldorfer Rosenmontagszug. Nicht umsonst werde seine Werkstatt liebevoll-spöttisch auch "Skandal-Schmiede" genannt.
Wüst war voll der Anerkennung: "Die Düsseldorfer Karnevalsverbände gewähren ihm buchstäbliche Narrenfreiheit. Und die weiß er zu nutzen. Pointiert und voller Spottlust stellt er mit stark überzeichneten, aber stets humorvoll wirkenden Großplastiken Missstände in Politik und Gesellschaft dar. Meinungsstark und mutig. Er scheut keine Institution, Staatsmacht oder Autorität. Wo es Missstände gibt, deckt Jacques Tilly sie kritisch und mit beißender Satire auf. Die Kunstwerke von Jacques Tilly und seinem Team regen zum Nachdenken an und sorgen oft für kontroverse Diskussionen. Seine Bildsprache ist global verständlich und von hoher künstlerischer Qualität. Seine Mottowagen werden von den Medien aus aller Welt aufgegriffen und die Bilder zieren in den Tagen nach Karneval Titelseiten der deutschen und auch der internationalen Presse."
Aber ist es nicht seltsam für einen Mann wie Jacques Tilly, der doch gerade Politiker jeder Couleur bitterböse aufs Korn nimmt, ausgerechnet von der Politik geehrt zu werden? Tilly gesteht zu, dass sein Verhältnis zu einer solchen Ordensverleihung in der Tat "durchwachsen" sei. "Einerseits will man als Satiriker von staatlicher Seite eher Kritik ernten. Strafanzeigen sind mir eigentlich lieber. Und wenn einem dann der Ministerpräsident einen Orden verleiht, denkt man, man hat was falsch gemacht." Andererseits, so fügt Tilly hinzu, sei es doch auch ein schöner Rückenwind, wenn auch die hohe Politik den Wert der Arbeit sehe.
Nun kann es gut sein, dass der Ordensverleiher Hendrik Wüst demnächst in die allererste Reihe der Bundespolitik rückt. Denn es ist nicht ausgeschlossen, dass ihn die CDU/CSU demnächst als Kanzlerkandidaten auf den Schild hebt. Angesprochen darauf, ob es sein könne, dass er auch Hendrik Wüst dann satirisch aufs Korn nehmen werde, sagt Tilly schmunzelnd: "Ich habe heute manchen Blick auf ihn geworfen, es kann schon sein, dass ich demnächst den Herrn Wüst als Pappfigur durch die Straßen fahren lasse." Sieht also ganz so aus, dass auch die Ordensverleihung den Politiker nicht vor ätzendem Spott schützen kann.
Auch wenn Tillys Aktivitäten für den Karneval im Zentrum der Rede des Ministerpräsidenten standen, kam Wüst doch auch auf dessen weiteres Engagement zu sprechen. Er hob hervor, dass Jacques Tilly sich seit 2004 im Beirat der Giordano-Bruno-Stiftung einsetze und fügte erklärend fürs Publikum aus Politik, Wirtschaft und Stadtgesellschaft hinzu: "Die Stiftung steht für einen evolutionären Humanismus und setzt sich für die Werte der Aufklärung ein." Besonders hervorzuheben sei hier Tillys Engagement für die Interessen ehemaliger Heim- und Internatskinder, die oft schwerste physische und psychische Verletzungen erlitten haben, sowie für die Opfer sexueller Gewalt in kirchlichen Institutionen. Und dann kam der Ministerpräsident auch noch auf die Onlineplattform zu sprechen, auf der Sie sich gerade befinden: "Seit September 2018 veröffentlicht der Humanistische Pressedienst in seinem Karikaturen-Fenster 'Spott sei Dank!' Werke zeitgenössischer Comic-Zeichner. Jacques Tilly hat hier nicht nur selbst einige der erfolgreichsten Werke beigesteuert, sondern er gehört auch der ehrenamtlichen Redaktion an."
Einige der Karnevals-Mottowagen von Jacques Tilly und seinem Team sehen Sie hier:
8 Kommentare
Kommentare
Hans Schmelzer am Permanenter Link
staatstragend, Jacques Tilly ist staatstragend – das ist doch die Funktion von Kritik? Den Staat zu bestätigen?
Bruder Spaghettu am Permanenter Link
Den hat Jaques sich doch redlich verdient. Die schönen Worte von Wüst zeigen vor allem eins: Die Botschaften sind selbst in der höchsten Politik angekommen und zeigen Wirkung.
Hans Schmelzer am Permanenter Link
@ Bruder Spaghettus Mein Ironie-Radar scheint einen temporären Ausfall zu haben: kannst du deinen Kommentar bitte noch einmal in leichter – "garantiert ironiefreier" – Sprache schreiben? Danke!
Bruder Spaghettu am Permanenter Link
Den hat Jaques sich doch redlich verdient. Die schönen Worte von Wüst zeigen vor allem eins: Die Botschaften sind selbst in der höchsten Politik angekommen und zeigen Wirkung.
Dein Ironie-Radar ist in Ordnung, das war völlig ernst gemeint.
Hans Schmelzer am Permanenter Link
Spaghetti staatstragend: ob die schmecken? Die rote Sosse läßt du weg, vermute ich mal? Die passt doch nicht zu Wüst!
Bruder Spaghettu am Permanenter Link
Was verstehst du nicht?
Ich wollte einfach sagen, dass es auch für Satiriker ein Erfolg ist, wenn die Hohe Politik dank ihrer Arbeit Probleme wahrnimmt.
Parteizugehörigkeit ist dabei völlig egal.
Hans Schmelzer am Permanenter Link
@ Bruder Spaghettus Warum kommt denn der Orden von Wüst & Co.?
Bruder Spaghettu am Permanenter Link
@ Hans Schmelzer
Das finde ich auch.