Gespräch mit Michael Schmidt-Salomon über den Protestaufruf "Stoppt Peter Singer!"

"Tragische Missverständnisse"

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Peter Singer (Ted Talk)
Peter Singer (Ted Talk)

BERLIN. (hpd) In der linken Tageszeitung "Junge Welt" erschien am Dienstag ein Artikel, der die geplante Vergabe eines Preises für "Tierleidminderung" an den australischen Philosophen Peter Singer scharf kritisierte. Im Internet kam es wenig später zu drastischen Kommentaren, die forderten, "den Typen an die Wand zu stellen". Der Humanistische Pressedienst führte dazu ein Gespräch mit Michael Schmidt-Salomon, der von den Ausrichtern des Preises eingeladen wurde, die Laudatio auf Peter Singer am 26. Mai in der Berliner Urania zu halten.

hpd: Grundlage des Artikels in der "Jungen Welt" war der Aufruf "Stoppt Peter Singer!", der am Dienstag u.a. auf dem Behindertenportal "Rollingplanet" veröffentlicht wurde. Dort heißt es, der Veranstalter der Preisverleihung, der “Förderverein des Peter-Singer-Preises für Strategien zur Tierleidminderung e.V.”, sei ein “Ableger der Giordano-Bruno-Stiftung”. Ist das richtig?

Michael Schmidt-Salomon: Nein, es gibt keinerlei organisatorische Verbindungen zwischen dem Förderverein und der Giordano-Bruno-Stiftung. Ich kenne zwar den Initiator des Preises, Walter Neussel, der vor einigen Jahren an der Idee zur verfassungsrechtlichen Verankerung von "Grundrechten für Menschenaffen" mitwirkte und dazu auch Verbindungen zwischen politischen Kräften der Tierschutzbewegung und der GBS herstellte, aber das ist schon alles! Die Giordano-Bruno-Stiftung war in die Gründung des Fördervereins in keiner Weise involviert, keines der Mitglieder dieses Fördervereins hat irgendeine Funktion innerhalb der GBS und es gab und gibt von unserer Seite auch keinerlei finanzielle oder organisatorische Unterstützung für die Preisverleihung in Berlin. Die Verantwortung für diese Veranstaltung liegt allein beim "Förderkreis Peter-Singer-Preises für Strategien zur Tierleidminderung e.V.".
 

Dennoch hältst du als einer der maßgeblichen Vertreter der GBS die Laudatio auf Singer. Zudem wird die Preisverleihung im GBS-Terminkalender angekündigt.

Richtig. Der Förderverein hat mich als Redner angefragt, wie mich in der Vergangenheit andere Dritt-Veranstalter angefragt haben und übernimmt dabei auch die anfallenden Kosten. Dass die Preisverleihung im GBS-Terminkalender erscheint, liegt daran, dass dort alle thematisch relevanten Veranstaltungen angekündigt werden, an denen GBS-Mitglieder beteiligt sind. Dort wurden ja auch viele Vorträge angekündigt, die ich auf Einladung der katholischen oder evangelischen Kirche gehalten habe. Ich hoffe, dass daraus niemand ableiten wird, die katholische Kirche sei ein "Ableger der Giordano-Bruno-Stiftung". (lacht)
 

Die "Junge Welt" war da etwas vorsichtiger. Sie schrieb, die Preisverleihung erfolge im "Umfeld" der Giordano-Bruno-Stiftung.

Stimmt, aber was, bitteschön, soll das bedeuten? Fakt ist: Wir hatten bislang sehr viel mehr Kontakt zur "Jungen Welt" als zu diesem Förderverein, gehört die "Junge Welt" deshalb auch zum "Umfeld" der GBS? Natürlich nicht! Zwischen uns und der "Jungen Welt" gibt es ebenso wenig finanzielle und organisatorische Verbindungen wie zwischen uns und den Ausrichtern des Peter-Singer-Preises.
 

In Ordnung, kommen wir also zu den inhaltlichen Fragen. Weshalb hast du zugesagt, die Laudatio auf Peter Singer bei der Preisverleihung zu halten?

Dafür gibt es zwei entscheidende Gründe: Erstens ist Tierleidminderung ein ethisches Ziel, das sich logisch aus dem Grundgedanken des evolutionären Humanismus ergibt. Da das Bewusstsein des Menschen nun einmal nicht plötzlich vom Himmel gefallen, sondern evolutionär entstanden ist, müssen wir davon ausgehen, dass andere Tiere in vergleichbarer Weise empfinden wie wir, weshalb es unethisch wäre, ihre Bedürfnisse weiterhin so stark auszublenden, wie es bislang geschieht. Zweitens schätze ich Peter Singer als einen der bedeutendsten Philosophen der Gegenwart. Ich vertrete zwar in einigen Punkten andere Positionen als er, aber gerade die Auseinandersetzung mit seinen Argumenten hat mir sehr geholfen, meine eigene philosophische Perspektive zu entwickeln. Aus diesem Grund möchte ich dazu beitragen, die tragischen Missverständnisse aufzuheben, zu denen es in Deutschland gekommen ist und die zu einer extrem verzerrten Wahrnehmung des Philosophen und Menschen Peter Singer geführt haben.