Das Fotografieren oder das Filmen unter den Rock ist strafbar. Das Filmen der Rückansicht einer Joggerin jedoch nicht. Muss das Strafgesetzbuch geändert werden?
Es ist ein beklemmendes Video, das mittlerweile viele Hunderttausend Mal angesehen wurde. Eine junge Frau filmt sich selbst dabei, wie sie einen Mann zur Rede stellt. Der Mann ist mit dem Fahrrad hinter ihr hergefahren, als sie durch den Kölner Grüngürtel joggt. Und hat dabei seine Handykamera auf ihre Rückansicht gerichtet. Sie stoppt ihn und bringt ihn dazu, das Video zu löschen. Der Mann wirkt kleinlaut, fragt aber auch, warum sie sich denn "so darstelle". Er meint die enge Laufhose, die ihn wohl animierte, sie zu filmen.
Die Frau heißt Yanni Gentsch. Und sie will sich nicht damit zufrieden geben, dass die Sache rechtlich folgenlos bleibt. Sie hat eine Online-Petition gestartet. Ihre Forderung: einen solchen bislang straflosen Fall unter Strafe zu stellen.
Die aktuelle Rechtslage
Yanni Gentsch und ihre Unterstützer wollen, dass der § 184k des Strafgesetzbuches verschärft wird. Der Paragraf findet sich in dem Abschnitt des Strafgesetzbuchs, der Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung unter Strafe stellt. Nach der Vorschrift wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer "absichtlich oder wissentlich von den Genitalien, dem Gesäß, der weiblichen Brust oder der diese Körperteile bedeckenden Unterwäsche einer anderen Person unbefugt eine Bildaufnahme herstellt oder überträgt, soweit diese Bereiche gegen Anblick geschützt sind." Ebenfalls wird bestraft, wer eine durch eine solche Handlung hergestellte Bildaufnahme gebraucht oder einer dritten Person zugänglich macht.
Der Strafparagraf war vom Gesetzgeber beschlossen worden, um das sogenannte Upskirting (Fotografieren und Filmen unter den Rock) sanktionieren zu können. In der Strafnorm findet sich entsprechend auch der Satzteil, dass es um Aufnahmen von Körperteilen geht, "soweit diese Bereiche gegen Anblick geschützt sind".
Das ist die Hose einer Joggerin (oder eines Joggers) nicht.
Andere Menschen ohne deren Einverständnis zu filmen, ist keine Straftat. Jedenfalls dann nicht, wenn dies in der Öffentlichkeit geschieht. Anders ist es, wenn sich die Person in einer Wohnung oder einem gegen Einblick besonders geschützten Raum befindet. Dies wäre nach § 201a Strafgesetzbuch strafbar. Man darf also nicht einen anderen Menschen etwa durchs Fenster fotografieren oder filmen.
Auch wenn das Filmen einer anderen Person in der Öffentlichkeit als solches nicht strafbar ist, so wäre jedoch das Verbreiten solcher unerwünscht aufgenommener Bilder nicht erlaubt. Das ergibt sich aus § 22 Kunsturhebergesetz. Danach dürfen Bilder anderer Personen "nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden".
Was für eine Strafbarkeit spricht
Hier hatte der Mann auf Veranlassung von Yanni Gentsch das Video gelöscht. Und das Filmen als solches war nicht strafbar. Yanni Gentsch mag sich mit dieser Rechtslage nicht abfinden. Sie startete eine Online-Petition, die mittlerweile von mehr als 134.000 Menschen unterstützt wird (Stand 22.09.2025).
Gentsch kritisiert in der Petition die geltende Rechtslage: "Dass ein Mann gezielt meinen Körper mit sexueller Absicht filmt, zählt also nicht als Straftat. Warum ist das ein Problem? Ein Voyeur ist jemand, der andere heimlich beobachtet oder filmt – oft mit sexuellen Absichten und ohne ihr Wissen oder ihre Zustimmung. Es ist ein Machtmissbrauch."
Die aktuelle Gesetzeslage schütze Täter, nicht Opfer, beklagt Gentsch und verweist auf ihren Fall: "Ich stellte den Täter zur Rede. Seine Antwort? 'Warum ziehen Sie dann so eine Hose an?' Das ist Täter-Opfer-Umkehr in Reinform – eine Strategie, um Betroffene zum Schweigen zu bringen. Doch ich schweige nicht und bin stolz darauf genau so gehandelt zu haben. Sein Fehlverhalten ist nicht meine Verantwortung. Die Scham gehört auf die Seite der Täter nicht auf unsere. Meine Klamotten sind keine Einladung! und heimliches Filmen ist ein Übergriff, der Betroffene noch Stunden bis Tage später belastet!"
Auch der nordrhein-westfälische Justizminister Benjamin Limbach (Grüne), der das Thema im November mit seinen Justizminister-Kolleginnen und -Kollegen aus Bund und Ländern besprechen will, sagte auf einem gemeinsamen Pressetermin mit der Kölnerin: "Ich danke Yanni Gentsch sehr, dass sie ihren Fall öffentlich gemacht und damit eine notwendige rechtspolitische Debatte angestoßen hat. Er legt auch nach meinem Empfinden eine Lücke in unserem Strafrecht schonungslos offen." Heimliche Bildaufnahmen des bekleideten Intimbereichs seien für ihn keine Bagatelle.
Der Würzburger Strafrechtsprofessor Eric Hilgendorf, der auch Beirat des Instituts für Weltanschauungsrecht ist, sagte in einem Interview mit dem Westdeutschen Rundfunk’, dass es "ja schon ein extrem respektloses Verhalten ist, eine andere Person auf die Weise zu fotografieren, vielleicht noch in den entsprechenden Körperbereich hineinzuzoomen. Das ist kränkend, um das Mildeste zu sagen. Das ist eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts, das steht fest. An sich ist das eine Beleidigung." Es gebe aber eine Rechtsprechung aus dem letzten Jahr, die sage, dass der Beleidigungsparagraf nur greift, wenn solche Bilder verbreitet werden. Das sei der eigentliche Grund, dass der § 184k entstanden ist. Hilgendorf: "Der § 184k ist einzelfallbezogen. Der sollte einen Fall erfassen, in dem mal eine junge Frau mit einem Handy unter dem Rock fotografiert wurde. Um diesen Sachverhalt wurde der Paragraf herumgestrickt. Im Strafrecht nennen wir das schlechtes Strafrecht, weil dieses einzelfallbezogene Strafrecht schon beim nächsten Fall versagt. Und das ist ja jetzt offenbar passiert."
Die Norm sei zu eng formuliert und greife da nicht. Sie greife auch in vielen anderen Fällen nicht. "Wenn zum Beispiel jemand an einem FKK-Strand Leute fotografiert und die Fotos nach Brustgröße oder Penisgröße sortiert, wäre das auch kein Fall von § 184k. Die Norm ist misslungen. Und es war nur eine Frage der Zeit, bis ein neuer Problemfall auftritt, der nicht darunter subsumiert werden kann."
Aber lässt sich die Sache nun so einfach durch eine "Reparatur" beziehungsweise Ausdehnung des Strafparagrafen beheben? In der Weise, dass demnächst auch Fälle wie der von Yanni Gentsch, das bloße Filmen in der Öffentlichkeit, bestraft werden.
Skepsis gegenüber erweiterter Strafbarkeit
Joachim Renzikowski, Strafrechtsprofessor an der Universität Halle-Wittenberg, ist da skeptisch. Im Gespräch mit beck aktuell sagte er, dass die sexuelle Selbstbestimmung, die ja durch eine Ausweitung des Paragrafen geschützt werden soll, nicht durch das bloße Begehren anderer beeinträchtigt sei. Das Problem dabei sei: Wenn ein unerwünschtes Foto von einer anderen Person durch die – nicht einmal im Tatbestand enthaltene – sexuelle Motivation zur Straftat wird' begebe man sich in die Nähe eines Gesinnungsstrafrechts. "Denn um Gedanken - nichts anderes ist 'Begehren' - sollte sich das Recht schon deshalb nicht kümmern, weil Gedanken bekanntlich frei sind, das heißt, man kann sie gar nicht unterbinden."
Es gebe anscheinend Vorstellungen, den Staat als Versicherungsanstalt gegen jede Art von Unbill in Anspruch zu nehmen, kritisiert Renzikowski. "Das Recht, insbesondere das Strafrecht, wird durch solche Vorstellungen völlig überfordert. Die alte Erkenntnis, dass das Strafrecht nur bei gravierenden Rechtsverletzungen eingreifen sollte, scheint völlig verloren gegangen zu sein. Ein Ende ist bei solchen Vorstellungen nicht erkennbar."
"Tatsächlich gibt es kein Recht, das die eigene Sexualität vor fremden Begehrungen schützt", so Renzikowski. Die Benutzung eines Fotos zur sexuellen Stimulation sei etwas anderes als die Vornahme einer sexuellen Handlung an der abgebildeten Person.
Anmerkung: Eine ähnliche Debatte gibt es auch um das sogenannte Catcalling, über die der hpd berichtet hat.







7 Kommentare
Kommentare
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Selbstverständlich sollen Personen jeglichen Geschlechts gegen Maßnahmen Dritter geschützt werden, die sie unnötig beeinträchtigen (nicht nur sexuell).
In diesem Fall ist ein Schutzinteresse durch den Staat nicht erkennbar. Wenn ich eine Menschenmenge fotografiere, sind zwangsläufig hin und wieder auch die entsprechenden Kehrseiten erkennbar. Mit heutigen Kameras bräuchte ich nicht einmal auf das "Objekt der Begierde" zu zoomen, sondern könnte mir später die passenden Ausschnitte vergrößern, falls das erotische Interesse derart bescheiden ist.
Wo entsteht Leid beim fotografierten Menschen? Wodurch entsteht Freud beim Fotografen? Die Antworten auf beide Fragen sind irrelevant, weil für niemanden ein Schaden entsteht (wenn jemandem eine Person optisch gefällt, entsteht kein Schaden beim optisch Gefallenden und letzterer kann das Foto ja bei Nichtgefallen löschen, denn er ist Urheber des Bildes. Er darf es nur nicht ohne Einwilligung verbreiten. Aber das gilt für jedes Foto, bei dem Personen prominent zu sehen sind).
Das gleiche beim "Catcalling". Neulich sagte ein "Opfer" von "Catcalling" im TV, dass, als sie mit ihrem Hund Gassi ging, ein Mann sie angesprochen habe und meinte, im nächsten Leben würde er als Hund auf die Welt kommen wollen, damit sie mit ihm Gassi ginge.
Das war vielleicht ein etwas unbeholfenes Kompliment, aber abgedroschene Sprüche sind nicht strafbar und sollten es auch nicht werden. Ich denke dabei auch an Männer wie mich. Ich war in meiner Jugendzeit sehr schüchtern und habe - aus Angst, etwas falsch zu machen - Frauen nicht angesprochen. Die Folge war, dass ich viel zu lange alleine blieb und Frauen für mich ein reiner "Augenschmaus" waren.
Manchmal habe ich den Eindruck, einige Frauen wollen mit aller Gewalt Opfer sein oder streben unbewusst dem islamischen Ideal nach, bei dem die Frau in der Öffentlichkeit unsichtbar ist. Also letztlich ein exkludierendes Bestreben, was jedoch im Widerspruch zu inkludierenden Maßnahmen steht, die gerade JEDEN sichtbar machen wollen.
Denn beide Gesellschaftmodelle sehen den Mann als Täter, der Begehrlichkeiten Frauen gegenüber entwickeln könnte. Im einen Fall (Islam) wird dies durch physische Unsichtbarkeit der Frau erreicht, im anderen Fall soll der Staat die sich offener zeigende Frau im Nachgang durch Bestrafung des begehrenden Mannes schützen. Da wäre für mich das islamische Modell schon ehrlicher.
Denn ist man sichtbar, kann es passieren, dass man auch wahrgenommen wird; zum Preis, biologisch völlig normale Begehrlichkeiten zu wecken...
Antimodes am Permanenter Link
Ich habe aufgehört junge Frauen in der Öffentlichkeit anzusprechen. Ich habe da nie auch nur mittelmäßige Erfahrungen gemacht, selbst wenn ich nur nach der Uhrzeit gefragt habe.
awmrkl am Permanenter Link
"Manchmal habe ich den Eindruck, einige Frauen wollen mit aller Gewalt Opfer sein oder streben unbewusst dem islamischen Ideal nach, bei dem die Frau in der Öffentlichkeit unsichtbar ist"
Das Schlimme ist, diese Leute wollen auch unbedingt alle anderen mit hineinziehen, und dass ihr Hirngespinst auch für alle anderen gelten soll. Wie Religioten mit ihrem Missionierungsdrang. Paternalistisch.
Denn um in der Öffentlichkeit unsichtbar zu sein, könnten sie ja einfach weitgehend zuhause bleiben, da stört sie niemand.
Wenn es so weitergeht, traut sich niemand mehr jemand anderen anzusprechen.
Nicht, weil *tatsächlich* Strafe befürchtet wird, sondern dass Anzeige erfolgen könnte wg i-was, zB i-einer Empfindlichkeit oder snowflake. Sog. CatCalling zähle ich hier auch dazu. Das verläuft zwar (jetzt) idR im Sand, aber man hat jede Menge Scherereien.
Das sind mE ungute Entwicklungen.
K.A. am Permanenter Link
Ich jogge seit über vierzig Jahren und kann die Anzahl der Hundeangriffe nicht mehr zählen. Darunter etliche härteste Attacken von großen Hunden.
Wie viele Messerangriffe und Straftaten ließen sich verhindern, wenn jeder eine kleine Kamera tragen dürfte und kein Straftäter sich mehr herausreden könnte?
René am Permanenter Link
Der einzige Zusammenhang mit dem Thema des Artikels besteht darin, dass in Deinem Beitrag ebenfalls das Wort Kamera vorkommt.
K.A. am Permanenter Link
Zu einer Diskussion gehören Pro´s und Con´s. Body-Cams haben auch Vorteile.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Ich will diese Off Topic-Debatte auch ein wenig anreichern:
Wäre dem so, wie Sie schreiben, dann könnten auch Kameraattrappen die abschreckende Wirkung haben. Aber nebenbei. Heute gibt es so viele Überwachungskameras überall - und das weiß jeder - und trotzdem schreckt das manchen Täter nicht ab.
Auch das sehr viele Täter heute geschnappt werden nicht. Es gibt offenbar ein Momentum, dass stärker wirkt als die Angst, erkannt oder geschnappt zu werden. Z. B. Hass auf was auch immer oder zu viel Testosteron oder schlichte Dummheit, Selbstüberschätzung, Größenwahn, was auch immer...