Voyeur-Videos unter Strafe stellen?

20250825-petitionsubergabe-yanni-gentsch-34_54765087019_l.jpg

Yanni Gentsch stellte ihre Petition am 25. August mit NRW-Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) vor. Aus den 105.000 Unterstützern wurden mittlerweile mehr als 130.000.
Yanni Gentsch und NRW-Justizminister Benjamin Limbach

Das Fotografieren oder das Filmen unter den Rock ist strafbar. Das Filmen der Rückansicht einer Joggerin jedoch nicht. Muss das Strafgesetzbuch geändert werden?

Es ist ein beklemmendes Video, das mittlerweile viele Hunderttausend Mal angesehen wurde. Eine junge Frau filmt sich selbst dabei, wie sie einen Mann zur Rede stellt. Der Mann ist mit dem Fahrrad hinter ihr hergefahren, als sie durch den Kölner Grüngürtel joggt. Und hat dabei seine Handykamera auf ihre Rückansicht gerichtet. Sie stoppt ihn und bringt ihn dazu, das Video zu löschen. Der Mann wirkt kleinlaut, fragt aber auch, warum sie sich denn "so darstelle". Er meint die enge Laufhose, die ihn wohl animierte, sie zu filmen.

Die Frau heißt Yanni Gentsch. Und sie will sich nicht damit zufrieden geben, dass die Sache rechtlich folgenlos bleibt. Sie hat eine Online-Petition gestartet. Ihre Forderung: einen solchen bislang straflosen Fall unter Strafe zu stellen.

Die aktuelle Rechtslage

Yanni Gentsch und ihre Unterstützer wollen, dass der § 184k des Strafgesetzbuches verschärft wird. Der Paragraf findet sich in dem Abschnitt des Strafgesetzbuchs, der Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung unter Strafe stellt. Nach der Vorschrift wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer "absichtlich oder wissentlich von den Genitalien, dem Gesäß, der weiblichen Brust oder der diese Körperteile bedeckenden Unterwäsche einer anderen Person unbefugt eine Bildaufnahme herstellt oder überträgt, soweit diese Bereiche gegen Anblick geschützt sind." Ebenfalls wird bestraft, wer eine durch eine solche Handlung hergestellte Bildaufnahme gebraucht oder einer dritten Person zugänglich macht.

Der Strafparagraf war vom Gesetzgeber beschlossen worden, um das sogenannte Upskirting (Fotografieren und Filmen unter den Rock) sanktionieren zu können. In der Strafnorm findet sich entsprechend auch der Satzteil, dass es um Aufnahmen von Körperteilen geht, "soweit diese Bereiche gegen Anblick geschützt sind".

Das ist die Hose einer Joggerin (oder eines Joggers) nicht.

Andere Menschen ohne deren Einverständnis zu filmen, ist keine Straftat. Jedenfalls dann nicht, wenn dies in der Öffentlichkeit geschieht. Anders ist es, wenn sich die Person in einer Wohnung oder einem gegen Einblick besonders geschützten Raum befindet. Dies wäre nach § 201a Strafgesetzbuch strafbar. Man darf also nicht einen anderen Menschen etwa durchs Fenster fotografieren oder filmen.

Auch wenn das Filmen einer anderen Person in der Öffentlichkeit als solches nicht strafbar ist, so wäre jedoch das Verbreiten solcher unerwünscht aufgenommener Bilder nicht erlaubt. Das ergibt sich aus § 22 Kunsturhebergesetz. Danach dürfen Bilder anderer Personen "nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden".

Was für eine Strafbarkeit spricht

Hier hatte der Mann auf Veranlassung von Yanni Gentsch das Video gelöscht. Und das Filmen als solches war nicht strafbar. Yanni Gentsch mag sich mit dieser Rechtslage nicht abfinden. Sie startete eine Online-Petition, die mittlerweile von mehr als 134.000 Menschen unterstützt wird (Stand 22.09.2025).

Gentsch kritisiert in der Petition die geltende Rechtslage: "Dass ein Mann gezielt meinen Körper mit sexueller Absicht filmt, zählt also nicht als Straftat. Warum ist das ein Problem? Ein Voyeur ist jemand, der andere heimlich beobachtet oder filmt – oft mit sexuellen Absichten und ohne ihr Wissen oder ihre Zustimmung. Es ist ein Machtmissbrauch."

Die aktuelle Gesetzeslage schütze Täter, nicht Opfer, beklagt Gentsch und verweist auf ihren Fall: "Ich stellte den Täter zur Rede. Seine Antwort? 'Warum ziehen Sie dann so eine Hose an?' Das ist Täter-Opfer-Umkehr in Reinform – eine Strategie, um Betroffene zum Schweigen zu bringen. Doch ich schweige nicht und bin stolz darauf genau so gehandelt zu haben. Sein Fehlverhalten ist nicht meine Verantwortung. Die Scham gehört auf die Seite der Täter nicht auf unsere. Meine Klamotten sind keine Einladung! und heimliches Filmen ist ein Übergriff, der Betroffene noch Stunden bis Tage später belastet!"

Auch der nordrhein-westfälische Justizminister Benjamin Limbach (Grüne), der das Thema im November mit seinen Justizminister-Kolleginnen und -Kollegen aus Bund und Ländern besprechen will, sagte auf einem gemeinsamen Pressetermin mit der Kölnerin: "Ich danke Yanni Gentsch sehr, dass sie ihren Fall öffentlich gemacht und damit eine notwendige rechtspolitische Debatte angestoßen hat. Er legt auch nach meinem Empfinden eine Lücke in unserem Strafrecht schonungslos offen." Heimliche Bildaufnahmen des bekleideten Intimbereichs seien für ihn keine Bagatelle.

Der Würzburger Strafrechtsprofessor Eric Hilgendorf, der auch Beirat des Instituts für Weltanschauungsrecht ist, sagte in einem Interview mit dem Westdeutschen Rundfunk’, dass es "ja schon ein extrem respektloses Verhalten ist, eine andere Person auf die Weise zu fotografieren, vielleicht noch in den entsprechenden Körperbereich hineinzuzoomen. Das ist kränkend, um das Mildeste zu sagen. Das ist eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts, das steht fest. An sich ist das eine Beleidigung." Es gebe aber eine Rechtsprechung aus dem letzten Jahr, die sage, dass der Beleidigungsparagraf nur greift, wenn solche Bilder verbreitet werden. Das sei der eigentliche Grund, dass der § 184k entstanden ist. Hilgendorf: "Der § 184k ist einzelfallbezogen. Der sollte einen Fall erfassen, in dem mal eine junge Frau mit einem Handy unter dem Rock fotografiert wurde. Um diesen Sachverhalt wurde der Paragraf herumgestrickt. Im Strafrecht nennen wir das schlechtes Strafrecht, weil dieses einzelfallbezogene Strafrecht schon beim nächsten Fall versagt. Und das ist ja jetzt offenbar passiert."

Die Norm sei zu eng formuliert und greife da nicht. Sie greife auch in vielen anderen Fällen nicht. "Wenn zum Beispiel jemand an einem FKK-Strand Leute fotografiert und die Fotos nach Brustgröße oder Penisgröße sortiert, wäre das auch kein Fall von § 184k. Die Norm ist misslungen. Und es war nur eine Frage der Zeit, bis ein neuer Problemfall auftritt, der nicht darunter subsumiert werden kann."

Aber lässt sich die Sache nun so einfach durch eine "Reparatur" beziehungsweise Ausdehnung des Strafparagrafen beheben? In der Weise, dass demnächst auch Fälle wie der von Yanni Gentsch, das bloße Filmen in der Öffentlichkeit, bestraft werden.

Skepsis gegenüber erweiterter Strafbarkeit

Joachim Renzikowski, Strafrechtsprofessor an der Universität Halle-Wittenberg, ist da skeptisch. Im Gespräch mit beck aktuell sagte er, dass die sexuelle Selbstbestimmung, die ja durch eine Ausweitung des Paragrafen geschützt werden soll, nicht durch das bloße Begehren anderer beeinträchtigt sei. Das Problem dabei sei: Wenn ein unerwünschtes Foto von einer anderen Person durch die – nicht einmal im Tatbestand enthaltene – sexuelle Motivation zur Straftat wird' begebe man sich in die Nähe eines Gesinnungsstrafrechts. "Denn um Gedanken - nichts anderes ist 'Begehren' - sollte sich das Recht schon deshalb nicht kümmern, weil Gedanken bekanntlich frei sind, das heißt, man kann sie gar nicht unterbinden."

Es gebe anscheinend Vorstellungen, den Staat als Versicherungsanstalt gegen jede Art von Unbill in Anspruch zu nehmen, kritisiert Renzikowski. "Das Recht, insbesondere das Strafrecht, wird durch solche Vorstellungen völlig überfordert. Die alte Erkenntnis, dass das Strafrecht nur bei gravierenden Rechtsverletzungen eingreifen sollte, scheint völlig verloren gegangen zu sein. Ein Ende ist bei solchen Vorstellungen nicht erkennbar."

"Tatsächlich gibt es kein Recht, das die eigene Sexualität vor fremden Begehrungen schützt", so Renzikowski. Die Benutzung eines Fotos zur sexuellen Stimulation sei etwas anderes als die Vornahme einer sexuellen Handlung an der abgebildeten Person.

Anmerkung: Eine ähnliche Debatte gibt es auch um das sogenannte Catcalling, über die der hpd berichtet hat.„

Unterstützen Sie uns bei Steady!