Der couragierte 25-jährige Malte, der Ende August beim CSD in Münster tätlich angegriffen wurde, nachdem er zwei Teilnehmerinnen gegen homophobe Verbalattacken verteidigt hatte, ist am vergangenen Freitag seinen Verletzungen erlegen. Wohin mit der Erschütterung und der Wut? In die Öffentlichkeit, sagt unser pansexueller Autor.
Es ist eine Tat, die kaum zu begreifen ist. Am Rande des Christopher Street Day in Münster werden am 27. August zwei Teilnehmerinnen von einem Passanten und dessen Begleiter als "lesbische Huren" beschimpft, die sich gefälligst "verpissen sollen". Ein junger Mann schreitet ein, um die homophoben Angriffe des Passanten zu unterbinden und die Situation zu deeskalieren. Doch stattdessen geschieht das Gegenteil: Unvermittelt schlägt der Passant mindestens einmal auf den jungen Malte ein, dieser kommt, bereits bewusstlos, mit dem Hinterkopf auf dem Asphalt auf. Wenige Tage später erliegt Malte im Krankenhaus seinen Verletzungen.
Meine erste Reaktion auf diese Geschichte war Fassungslosigkeit. Völlig ohne Grund ging das Leben eines jungen Mannes zu Ende, der nichts weiter wollte, als anderen solidarisch zur Seite zu springen. Nur allzu schnell möchte man nun darauf verfallen, Verurteilungen auszusprechen und transphobe Motive zu unterstellen. Doch wir wissen gar nicht, ob der gewalttätige Passant Malte als trans*Mann erkannt und deswegen niedergeschlagen hat. Genauso wenig wissen wir, ob besagter Passant nicht einfach jeden, die*der in dieser Situation eingeschritten wäre, in den Beton geprügelt hätte. Ich möchte daher nicht über Motiv oder Geisteshaltung des mittlerweile in U-Haft befindlichen Tatverdächtigen sprechen. Stattdessen möchte ich diesen Text all jenen widmen, die mich und die Community noch immer fragen: "Warum müsst ihr andauernd mit Fahnen und Musik durch die Straßen ziehen und uns nerven? Ihr habt doch eure Rechte, ihr dürft heiraten und adoptieren, gebt endlich Ruhe!"
Sehr geehrte Personen an den binären Rändern des geschlechtlich und sexuell diversen Spektrums, die sich noch nie die Frage stellen mussten, ob sie gleich jemand zusammenschlägt, wenn sie in der Öffentlichkeit ihre gleichgeschlechtliche Partner*in küssen oder Schminke und Rock tragen: Wir hissen unsere Fahnen und erheben unsere Stimmen nicht trotz, sondern wegen Grausamkeiten wie dieser. Wir sind laut und unbequem, nicht, um Sonderrechte einzufordern, sondern um die Rechte einzufordern, die ihr ganz selbstverständlich in Anspruch nehmt. Und ich bitte euch: Helft uns dabei. Wie ihr seht, geht es um Leben und Tod.
Unser Ziel ist es, dass sich homosexuelle, queere und transgeschlechtliche Menschen mit der gleichen Selbstverständlichkeit in der Öffentlichkeit bewegen und ausdrücken können wie alle anderen. Werden wir eine solche Gesellschaft in absehbarer Zeit erreichen? Wahrscheinlich nicht. Doch in dem Moment, in dem wir aufhören, davon zu träumen, verlieren wir all die Konzessionen, die wir uns seit der Genesis der Lesben- und Schwulenbewegung vor 50 Jahren mühsam erkämpft haben.
Vor zwei Jahren habe ich über eine Studie der European Agency for Fundamental Rights zum Thema "LGBTI in der EU" berichtet. Die Empfehlung damals: gezielte Maßnahmen zur Verbesserung der Lebenssituation insbesondere von trans- und intergeschlechtlichen Menschen sowie von jungen LGBTI-Personen. Leider zeigt eine chronologische Auflistung des Lesben- und Schwulenverbands, dass die Zahl an Straftaten im Allgemeinen und Gewalttaten im Speziellen gegen geschlechtlich und sexuell diverse Menschen seit Jahren zunimmt. Die Dunkelziffer ist dabei gigantisch, denn es gehen, wie die Studie der EU zeigt, nur 13 Prozent der Befragten überhaupt zur Polizei, um einen homo- oder transphoben Übergriff anzuzeigen.
Die Lösung ist, so paradox es in dieser Situation klingen mag, mehr Sichtbarkeit. Die zitierte Studie zeigt, wie andere auch, dass die Community den vermeintlichen Widerspruch aufgelöst hat. Ja, das sichtbare, öffentliche Ausleben der sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität erhöht das Risiko, Gewalt oder Diskriminierung zu erfahren. Doch es ist auch der wichtigste Faktor zur Verbesserung der eigenen Lebensqualität.
Ich selbst bin in etwa so alt wie die endgültige Gleichstellung homosexueller Handlungen mit heterosexuellen, die erst 1994 ihren Weg in deutsche Gesetzbücher fand. Dieser simple Fakt dient mir als stete Mahnung daran, dass ich auf den Schultern von Giganten stehe, wie Isaac Newton es einst treffend ausdrückte: Ich darf nur deswegen öffentlich Männer küssen, weil Abertausende vor mir dafür in den Knast wanderten oder gar ihr Leben ließen. Aufzuhören, von einer fairen Gesellschaft zu träumen, hieße, all die Opfer, die diese Menschen gebracht haben, zu vergessen. Ihnen wie auch Malte sind wir es schuldig, weiterzukämpfen. Daher werden wir dem Hass nicht weichen, egal, woher er kommt.
25 Kommentare
Kommentare
David Z am Permanenter Link
Hier wird mMn einiges durcheinandergeworfen.
Ja richtig, wir wissen nicht, ob die gewalttätige Aggression des Täters nicht auch jeden nicht-homosexuellen bzw nicht-trans-Menschen getroffen hätte. Sehr wahrscheinlich ja: Die Dynamik, die aus solchen Situation erfahrungsgemäß entsteht, entspricht leider allzuoft einer impulsiven Kanalisierung der Aggression auf denjenigen, der einschreitet - unabhängig der Person. Gleichwohl bliebt festzuhalten, dass den Täter offensichtlich homophobe bzw -feindliche Intentionen antreiben.
Was hier aber - mal wieder - gerne unterschlagen wird: Der Täter kommt nicht aus der Mitte unserer Gesellschaft. Er ist ein Migrant, sozialisiert in einem islamisch dominierten und ausgesprochen Homo-feindlichen Land (Tschetschenien), der zudem aufgrund seiner regelmäßigen Straffälligkeit längst aus D hätte abgeschoben werden müssen - gemäß unseren Gesetzen und zum Wohle unserer Gesellschaft.
Dies auszublenden und so zu tun, als ob dieses Verbrechen aus unserer eigenen Gesellschaft erwachsen wäre und die Kritik an exzentrischen Homo & Trans-Event deshalb nicht angemessen sei, halte ich entweder für extrem ignorant oder für unredlich.
Frauen leiden unter den gewalttätigen Folgen der jahrelangen Migrationspolitik ähnlich stark, anzahlmäßig sogar weit aus stärker als Homosexuelle, ohne dass sich Frauen mit exzentrischen Events, "Fahnen und Musik" regelmäßig in den Blickpunkt zu rücken versuchen.
Kurzum: Dieses importierte Problem als Argument zu nehmen, die unproblematische inländische Mehrheitsgesellschaft zu problematisieren, ist unredlich.
Lambert am Permanenter Link
Warum wird vom Autor darauf verzichtet, den Hintergrund des Täters als Quelle dieser gezielten Gewalttätigkeiten zu benennen?
SamsenDoe am Permanenter Link
Genau da ist euer Schubladendenken, vielleicht solltet ihr auch Mal langsam den Respekt vor anders gesinnten wiederbekommen
David am Permanenter Link
was mich an schwulen persönlich stört ist-> wenn sie mich anbaggern, sehr unangehnem, das muss man auch mal gesellschaftlich besprechen, das sowas nicht geht
Zweiflerin am Permanenter Link
Stellen Sie sich vor, es gibt auch Hetero-Männer, die Frauen angraben, auch wenn sie das nicht wollen, sehr unangenehm, das muss man auch mal gesellschaftlich besprechen, das sowas nicht geht.
Bernd am Permanenter Link
Dann können in Zukunft ja die Frauen den ersten Schritt machen. Vermutlich sterben wir dann aber aus.
Zweiflerin am Permanenter Link
Rechtfertigen Sie so auch sexuelle Belästigung?
David Z am Permanenter Link
Das kommt darauf an, was Sie unter "sexueller Belästigung" verstehen.
SamsenDoe am Permanenter Link
Selbst das hat sich geändert
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Das Universum und die menschliche Dummheit sind Grenzenlos!
wolfgang am Permanenter Link
Wie ich von Einstein gelesen habe, ist das Universum begrenzt....
Manfred R. am Permanenter Link
Das Zitat lautet vollständig: "Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher."
Hans Trutnau am Permanenter Link
Das (bes. Titel und letzter Satz) ist, bei aller Wut und Trauer, gut gesprochen!
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Wie gesagt, HASS ist keine Meinung sondern ein nicht bewältigtes GEFÜHL.
David Z am Permanenter Link
Ich halte den letzen Satz für überhaupt nicht gelungen. Es ist nämlich ganz und gar nicht egal, woher der Hass kommt. Es ist vielmehr ausgesprochen zielführend zu verstehen, woher genau der Hass kommt.
Nur so sieht man klar und nur so kann man das konkrete Problem angehen. Ignoranz führt uns hier nicht weiter.
Angelika Wedekind am Permanenter Link
Bravo! Sehr guter Kommentar! Das schreibe ich als Heterosexuelle.
Klaus Weidenbach am Permanenter Link
"Wenn jemand bei einem Mann liegt wie bei einer Frau, so ist das ein Greuel und beide sollten des Todes sterben." (3. Mose 20, 13) Jahrtausendelang haben die Frömmler Homosexualität verteufelt. Warum?
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Ich hoffe, das erledigt die Natur, sterben muss jeder, ob klug oder dumm, man kann nur hoffen das die nachkommenden Generationen klüger werden als der Rest der noch frömmelnden indoktrinierten Christen.
Wolfgang am Permanenter Link
Wunschdenken....
Micha M.61 am Permanenter Link
Straffreiheit für Homosexualität in Deutschland 1994 ? Zwangsläufig, in der DDR seit 1968 straffrei...
SamsenDoe am Permanenter Link
Ihr werdet doch schon lange akzeptiert, nutzihr bekommt das nicht aus euren Köpfen und schürt den Hass erneut gegen euch
G. Hantke am Permanenter Link
„Die Lösung ist … mehr Sichtbarkeit …“
ME sollten solche Irren ganz allgemein öffentlich bloßgestellt werden. Als bemitleidenswerte Kreaturen mit unterirdischem Intellekt, die mangels geistiger Masse, Bildung und Charakter, aber auch wegen fehlener Argumente außerstande sind, ihren Hass, Unmut und ihre schlechte Laune in Worte zu fassen und stattdessen an anderen und schwächeren Personen in Form von Gewalt austoben. Es sollten alle Kumpels, soweit des Lesens mächtig, erfahren, welche „Wertschätzung“ sie seitens einer Gesellschaft verdienen, die jede physische und psychische Gewalt ablehnt und verurteilt.
Zugleich sollten Diejenigen öffentlich benannt werden, die eine erhebliche Verantwortung tragen für Bildungsmisere, Intoleranz und Hass auf Andersdenkende und Anderslebende.
Nicht zu vergessen dabei die Religionen, die (fast alle) ihre heuchlerische Liebe nur nach innen richten, während sie nach außen hin oft blindwütigen Haß säen, wodurch bestimmte Außenseiter noch ganz besonders leiden müssen.
Aber auch die hierzulande mindestens seit der seinerzeit von unseren Politikern betriebenen Zulassung des Privatfernsehens sich immer mehr ausbreitende kollektive Verblödung ist hausgemacht. Angesichts der Zurückhaltung der Politik in einer massiven Förderung in Bildungsdingen scheint es doch wohl nicht nur so, daß diese Verblödung zwecks Konsumfreudigkeit pp geradezu angestrebt ist.
Das Ganze hübsch auf großflächigen Werbeflächen – die könnten doch auch mal für vernünftige Nachrichten herhalten.
SamsenDoe am Permanenter Link
Ehrlich ? ihr kriegt aus jeder erdenklichen Sparte Unterstützung und dann sagst du es fehlen Leuten wie mir Argumente indem du uns alle beleidigt und als dumm darstellst ? Applaus
SamsenDoe am Permanenter Link
Das Problem ist das selbst heterosexuelle Menschen sich auch nicht permanent in der Öffentlichkeit abknutschen und wenn ihr nicht so verdammt penetrant wärt eure Meinung uns einzubleuen würde es nicht so eskalieren.
Mark am Permanenter Link
Da der Täter kein Deutscher ist, sondern ein abgelehnter Asylant mit einem Vorstrafenregister, haben Aktivisten beschlossen den Fall zu ignorieren.