Dass sich Religionsgemeinschaften bisweilen etwas dünnhäutig präsentieren, wenn es um die Zweckentfremdung ihrer Maskottchen geht, ist ein wiederkehrendes Motiv der letzten paar tausend Jahre menschlicher Kulturgeschichte. In dieser Tradition sieht sich auch die Diözese Würzburg, der es gar nicht zu schmecken scheint, dass ihr Lieblingssandalenträger, ein historisch umstrittener jüdischer Wanderprediger namens Jeschua, nun Wahlwerbung abseits der CDU/CSU-Fraktion betreibt. Denn in Bayern ist bald Landtagswahl, und dort macht der Sohn Gottes nun auch für die Partei "Die PARTEI" mobil.
Im christlich geprägten Bayern hängt dieser Tage vielerorts ein etwas ramponiert anmutendes Dornenkranz-Konterfei Jesus' von den Laternenpfählen, der mit einer leicht gequälten Daumen-Hoch-Geste die Wähler auffordert: "Mach keinen Scheiß mit deinem Kreuz!" – und dieses folglich auf den Stimmzetteln bei Die PARTEI zu postionieren.
Nun adressierte das Würzburger Bistum eine postalische Aufforderung an den Landesverband der PARTEI, diese Plakate "aus dem öffentlich wahrnehmbaren Raum zu entfernen", da man gegen die "Verwendung dieses geschmacklosen, das religiöse Empfinden vieler Menschen wie auch der christlichen Religionsgemeinschaft verletzenden Plakates" protestiere, und ließ dabei auch keine Gelegenheit ungenutzt verstreichen, auf StGB § 166 hinzuweisen.
Das Schreiben wurde vom Landesverband der PARTEI auf Facebook veröffentlicht, einschließlich einer Stellungnahme: Deren Interpretation des Wahlplakates zufolge "müssen [diese] unbedingt bestehen bleiben, um der Wählerschaft in dieser düsteren Zeit beizustehen".
Tatsächlich scheint die PARTEI nicht die einzige Partei zu sein, die in Bayern den Heiland als politisches Kriegsgerät auffährt, obwohl das Verhältnis zu den christlichen Werten allenfalls als zweifelhaft zu beschreiben ist. Woher die Deutungshoheit darüber rührt, welche Verwendung nun bibelkonform ist, und welche nicht, steht noch zu begründen; ebenso bleibt abzuwarten, ob StGB § 166 ausreicht, um als religiöse Interessengruppe in den Wahlkampf einzugreifen und sich gegen politische Religionskritik sakrosankt zu machen.
Aber dieser Konflikt ist nicht die einzige Pointe interpretatorischer Grabenkämpfe über christliche Werte in der Politik. Die Politikerin Andrea Kübert (ebenfalls Die PARTEI) versucht zugleich mit einer ganz anderen Plakatidee in Bezirks- und Landtag einzuziehen. Hier sehen wir die Politikerin selbst abgebildet, blutverschmiert, während sie den abgetrennten Kopf von Markus Söder siegessicher in die Lüfte reckt: "Christliche Werte hochhalten!" steht daneben. Die CSU prüft rechtliche Schritte.
Quelle Wahlplakat: Die PARTEI auf Twitter.
13 Kommentare
Kommentare
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Es gibt sicher eine Grenze des guten Geschmacks, die eingehalten werden sollte, wenn man zivilisiert miteinander umgeht.
Man muss sich nur vorstellen, die Römer hätten mit der Guillotine hingerichtet oder dem Hackbeil. Was trügen dann Christen heute an Kettchen baumelnd und stünde auf Kirchen emporgereckt? Wer so sehr einer Leidens- und Schmerzphilosophie anhängt wie Christen, muss die spiegelbildliche Konfrontation mit den gleichen Elementen des menschlichen Gruselkabinetts (ich meine nicht den bayrischen Landtag) aushalten. Mehr noch: Im Grunde müsste er sie begrüßen, weil er so - ganz im Sinne Mutter Teresas - die Leiden Christi nachempfinden kann.
Wenn Christen auf die Zurschaustellung ihrer Mord- und Marterinstrumente samt ausgemergelter Leichen im öffentlich wahrnehmbaren Raum verzichten, sollte auch die PARTEI optisch abrüsten. Vorher sehe ich dafür keinen Grund. Grenzen des guten Geschmacks müssen alle einhalten...
Christian Nentwig am Permanenter Link
Ein super Post, Herr Kammermeier, Kompliment. in Weimar hängt in einem Christententempel ein unsäglich häßliches Bild einer öffentlichen Kreuzigung in der Antike.
Hat Spass gemacht, wie ihre Gesichtszüge entgleisten... :)
Chr. Nentwig
Sven F am Permanenter Link
"Man muss sich nur vorstellen, die Römer hätten mit der Guillotine hingerichtet oder dem Hackbeil. Was trügen dann Christen heute an Kettchen baumelnd und stünde auf Kirchen emporgereckt?"
Wie viel schöner wäre es, wäre Jesus ersäuft worden. Dann hätten heute alle Christen ein Aquarium...
Wolfgang Schaefer am Permanenter Link
Bei jeder Wahl ist es doch immer wieder das gleiche: Schon vorher hat man die Politiker an der Laternenpfählen schon aufgehängt.
Atheist Steinbrenner am Permanenter Link
Hätte das Plakat keinen Bezug zu der biblischen Geschichte von Judith und Holofernes würde ihm die Vielschichtigkeit fehlen die es meiner Meinung nach zu einer sehr gelungenen Satire macht.
Wenn Christen gegen die Zurschaustellung eines biblischen Motivs vorgehen wollen zeigt dies immer wieder auf höchst amüsante Weise wie weit es mit dem Glaubenskenntnissen eben dieser her ist.
Der Fall erinnert an die Aktion der gbs mit dem nackten Luther beim Kirchentag in Berlin der auf seinem Umhang die Maßnahmen die Luther im Buch "Von den Juden und ihren Lügen" gegen die Juden formuliert trägt. Die Urheber dieses Zitats wurde freilich mit angegeben. Natürlich haben sich echaufierte Christen nicht entblödet Anzeige wegen Volksverhetzung stellen zu wollen, nicht realisierend dass diese gegen ihren Religionsstifter gerichtet gewesen wäre.
Ebenso bei Die PARTEI, der Zensurversuch richtet sich gegen die eigenen christlichen Glaubensinhalte.
Man könnte freilich auch den Missbrauch Marias durch den heiligen Geist oder die Geschichte von Loths Töchtern thematisieren um den Finger in die Wunde zu legen, dass der Missbrauch von Frauen und Minderjährigen durchaus biblisch fundiert und vielleicht deswegen kein Zufall ist. Wird der Missbrauch Marias noch als Wunder verklärt, so würde der Aufruf an Eltern ihre Töchter wegen einer fixen religiösen Idee dem Mob zur Vegewaltigung bereitzustellen wohl durchaus auch bei Christen Verstörung auslösen... dumm nur, dass auch dies aus deren heiligem Buch stammt.
Michael Fischer am Permanenter Link
Judith und Holofernes - die nicht zu übersehende Analogie verleiht dem Plakat richtiggehend Tiefgang!
Vielen Dank für Ihren profunden Kommentar!
Franz C. Schlangen am Permanenter Link
Eine Klage unter Berufung auf den § 166 StGB könnte bei einem cleveren Gegenanwalt nach hinten losgehen:
Der Gesetzgeber hat nämlich die hohe Hürde "Gefährdung des öffentlichen Friedens" aufgerichtet. - Und diesen Tatbestand muss der Kläger erst einmal nachweisen!
Womöglich ist er aber selbst derjenige, der den öffentlichen Frieden stört, indem er die Bevölkerung durch Stimmungsmache aufhetzt...
Im Übrigen erscheint mir die Aufregung im Bistum Würzburg als simples "Pfeifen im Wald". - Oder es ist ein Ablenkungsmanöver, weil auch von dort irgendwelche Kinderfi---renthüllungen zu erwarten sind.
René am Permanenter Link
Scheinheiliges ausgepiepe und ausge***ne von Wortteilen ist hierzulande nicht nötig, auch nicht, wenn's um die Kinderficker-Sekte geht. ;o)
A.S. am Permanenter Link
Satire
Ich habe vor einigen Tagen im Vorbeifahren ein Wahlplakat der Partei “Die Linke” gesehen. Es warb für Frieden, Gerechtigkeit, soziales Miteinander und ähnliche Gemeinplätze und schloß sinngemäß mit den Worten:
“Jesus würde uns wählen”.
Die “Linken” haben offenbar zweierlei erkannt:
1. Die Gemeinsamkeit ihrer politischen Ziele mit christlichen Vorstellungen.
2. Den Nutzen, den seit langem die “C”-Parteien aus der gigantischen Medienpräsenz der Kirchen für ihr Wahlergebnis ziehen - allein aufgrund des christlichen Bezugs ihres Parteinamens.
Mit dem Jesus-Verweis wollen die Linken wohl einen Teil der christlichen Wählerschaft für sich gewinnen.
Damit endlich alle Parteien gleichmäßig von der christlichen Wählerschaft profitieren, schließlich gibt der Staat viel Geld für die christliche Erziehung und Mission in den Schulen aus, schlage ich vor, dass sich alle Parteien irgendwie christlich umbenennen, beispielsweise wie folgt:
SPD zu CSD (Christlich soziale Demokraten)
Grüne zu CG (Christliche Grüne)
FDP zu CFD (Christlich-Freiheitliche Demokraten) – von CLP rate ich ausdrücklich ab, wäre mißverständlich als “Christian Lindner Partei”
“Die Linken” zu CL (Christliche Linke)
Bayernpartei zu CB (Christliche Bayern)
AfD zu CD (Christliche Deutsche)
und so weiter.
Und falls es einmal eine atheistische Partei geben sollte, so ist die hoffentlich so schlau, als CA “Christliche Atheisten” zu firmieren.
Andrea Pirstinger am Permanenter Link
HaHaHa!
Eine sehr amüsante Wort- resp. Buchstaben-Spielerei.
Was das (vor)letzt genannte Exempel betrifft: ich schlage vor, ES umzudrehen in "AC" (atheistische Christen), denn schließlich kommt der Buchstabe A VOR dem C (von links nach rechts gelesen/gesehen).
M.E. am Permanenter Link
Ich finde es spannend, dass eine Partei wie "Die Partei" obwohl sie ja nichts mit Glauben anfangen können, nicht an Jesus vorbeikommen.
Atheist Steinbrenner am Permanenter Link
Sehr geehrter M.E.,
ich denke Sie verkennen die Tatsachen
nach unten treten = Hetze
nach oben treten = Satire
Wäre Die PARTEI an der Macht, so träfe Ihre Einschätzen zu. Da Die PARTEI jedoch eine Minderheit ist darf sie nach oben treten, und daher ist es auch eindeutig Satire.
Wenn Sie das Plakat vor Schulen verdammen, so sollten Sie auch die Bibeln aus diesen Schulen entfernen, da darin findet sich das Motiv aus der Geschichte von Judith und Holofernes das hier im Rahmen des Wahlkampfes nachgestellt wurde.
Karl-Heinz Büchner am Permanenter Link
Aber, aber M.E.
Judith und Holofernes bringen doch keinen Hardcore-Christen aus der Ruhe, oder?