Kolumne: Sitte & Anstand

Endstation Kinderzimmer

Das Märchenbuch Bibel hat eine neue Heimat gefunden: als Playmobilversion auf YouTube. Hat Religion, also der feste Glaube an märchenhafte Vorstellungen aus der Bronzezeit, noch eine Zukunft? Vielleicht ja in den Kinderzimmern der Menschheit. Dort wo der Weihnachtsmann, Lord Voldemort und Darth Vader eine Rolle spielen, ist eine Figur wie der kindlich-cholerische Supermagikus Jahwe gut aufgehoben – auch wenn das Storytelling der Bibel ja eher nicht so doll ist.

Wie rettet man nun die Jahwe-Märchen in die Jetzt-Zeit, wo doch schon Grimms Märchen und klassische Heldensagen, die wesentlich besser erzählt sind, immer weniger eine Rolle spielen? Auf evangelisch.de haben sie vor einiger Zeit die Seite "Yeet" erfunden, eine Palette an Influencern mit mehr oder weniger wirklichem Einfluss – bis hinunter zu jenem Aaron, der ein echtes Late Night Studio bewohnt, der ein riesiges Schild mit seinem Namen drauf ("seit 2019") – und auf YouTube ganze 99 Follower hat.

Bislang also ruht Gottes Segen noch nicht ganz so sehr auf Yeet, oder aber der Herr möchte die Seinen prüfen, man weiß ja nie bei dem Kerl. Zuletzt wurde die blond-glaubende Nervensäge Jana hinauskomplimentiert, seitdem wurde es ruhiger um Yeet. Wohin aber sollen Glaubwillige sich im Internet wenden, wo im Heute soll die evangelische Kirche ihr Geld investieren?

Sie sind da auf einen smarten Move gekommen. Und haben einen Mann eingekauft, der in den Kinderzimmern unserer Nachwachsenden gern gesehen ist: Michael Sommer, Grimme-Online-Preisträger und allgemein beliebt wegen seiner Playmobil-Kurzfassungen der Weltliteratur.

Was läge näher, als ihn für die Bibel zu verpflichten? Und siehe, er macht das. Angefangen bei Moses 1, will er die 66 Bücher der Bibel binnen eines Jahres in witzige bunte Plastikepisoden verwandeln – da muss man wirklich sagen: Das passt. Das macht auch Spaß.

Und beim Anschauen begreift man besser denn je, was die Kirche da eigentlich in den letzten Jahrzehnten treibt, um ihr Überleben zu sichern: Sie morpht die Bibel um, färbt sie bunt ein, spart Missliebiges und Abstoßendes aus – etwa wenn Gottes Liebling Lot seine Töchter zum Vergewaltigen freigibt. Spitzbube Sommer umschifft solche Stellen, denn hier tritt die bittere, finstere Barbarei zu deutlich zu Tage, er sagt dann: "... aber das ist Stoff für die Erwachsenenversion."

So lässt es sich dann gut durchkommen durch ein Buch voll Hirnwäsche und brutaler Gewalt, und den Filter, den er vors Buch hält, hat Sommer selber benannt: "Die Bibel ist crazy und wesentlich lustiger als ihr Ruf."

Jo! Man muss nur dran glauben.

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