In Düsseldorf hat es trotz zugesagter zusätzlicher Termine für einen Kirchenaustritt keine substanziellen Verbesserungen gegeben. Immer noch müssen Menschen, die der Kirche den Rücken kehren wollen, monatelang warten, um einen Termin zu bekommen. Und die wenigen Termine, die man online beim Düsseldorfer Amtsgericht ergattern kann, sind innerhalb kurzer Zeit vergeben, so dass die Wartezeit der Austrittswilligen und damit auch die Pflicht zum Zahlen der Kirchensteuer weiter um Monate verlängert wird. Das beklagt der Düsseldorfer Aufklärungsdienst (DA!).
DA!-Vorstandsmitglied Joachim Horn hat nun einen zweiten Offenen Brief an die Präsidentin des Düsseldorfer Amtsgerichts Angela Glatz-Büscher geschrieben. Das Amtsgericht ist zuständig für die Kirchenaustritte, die dort gegen eine Gebühr von 30 Euro vollzogen werden können. Horn schreibt in dem Brief an die Präsidentin: "Nach unserem Brief vom 1. März haben Sie ja gleich gehandelt und im laufenden Monat noch weitere Termine zur Verfügung gestellt. Über Ihr pragmatisches Vorgehen haben wir uns sehr gefreut und dafür danken wir Ihnen. Aber heute – zwei Monate später – zeigt sich: Es fehlt die grundsätzliche und nachhaltige Verbesserung."
Horn beklagt, dass am 1. Mai um Mitternacht zwar die Termine für Juli freigeschaltet wurden. "Doch schon um 9 Uhr waren sämtliche Termine bis Ende Juli ausgebucht. Genauso war es am 1. April. Um 8:45 Uhr waren alle Termine für Juni vergeben."
Der DA! sieht darin eine erhebliche Behinderung des Grundrechts auf Religionsfreiheit durch das Gericht und fordert die Gerichtspräsidentin auf, ausreichend Kapazitäten für Austrittswillige zur Verfügung zu stellen. Horn beklagt, dass in Düsseldorf nur 336 Termine pro Monat angeboten werden, in Köln dagegen 1.500. "Auch uns wäre lieber, Austritte aus Religionsgemeinschaften könnten unbürokratisch – wie bei jedem anderen Verein – vollzogen werden. Aber solange es in NRW die gesetzliche Regelung gibt, dass Austritte beim Gericht zu erfolgen haben, müssen Sie, Frau Präsidentin, auch ausreichend Kapazitäten dafür zur Verfügung stellen."
Der DA! bemängelt, dass unter anderem seine Anregung vom März nicht umgesetzt wurde, dass das Gericht auf seiner Internetseite deutlicher auf die Möglichkeit des Austritts bei einem Notar hinweisen sollte. Joachim Horn: "Zwar findet man irgendwo auf der Webseite des Amtsgerichts diesen Hinweis. Doch um einen Termin zu buchen, muss man nicht über diese Hinweisseite gehen. Deshalb haben wir ganz bewusst die Seite zur Terminplanung für diesen Hinweis vorgeschlagen. Dort wird Ihren Kunden, die am Monatsersten nach 9:00 Uhr keinen Termin mehr finden, ein deutlicher Hinweis (mit ausführlicheren Informationen) am meisten nutzen."
Der Düsseldorfer Aufklärungsdienst e. V. (DA!) versteht sich als Interessenvertretung der religionsfreien Bürger:innen der Stadt und bereichert seit mehr als zehn Jahren das kulturelle Leben mit regelmäßigen wissenschaftlichen, philosophischen und religionskritischen Vortrags- und Diskussionsveranstaltungen. 2019 veranstaltete der Verein in Kooperation mit dem Aquazoo Löbbecke Museum und dem Neanderthal Museum die Evolutionswoche im Nordpark (der hpd berichtete). 2020 eröffnete er den Düsseldorfer Evolutionsweg. Seit 2018 vergibt der DA! in zweijährigem Rhythmus den ersten säkularen Kunstpreis Düsseldorfs, den DA! Art-Award. Der DA! ist eine von etwa 60 Regionalgruppen der Giordano-Bruno-Stiftung.
20 Kommentare
Kommentare
Christian Meißner am Permanenter Link
Ich erwarte schon die Ansprache des Düsseldorfer Bürgermeisters:
"Wir sind zu Ihnen gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass heute Ihr Austritt..."
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Made my day... :-)
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Eltern, bewahrt eure Kinder vor dieser Scheißbürokratie. Tauft sie nicht! Es ist eure Entscheidung!
Birgit M. am Permanenter Link
Sehr gut, wie der DA nachhakt und das nochmals zur Sprache bringt! Man hat ja sonst keine Stimme hier. Der Vergleich der Anzahl von Austrittsterminen ist interessant.
Rico am Permanenter Link
Tatsächlich frage ich mich, wozu es eigentlich die digitale Ausweisfunktion im Perso gibt; wenn nicht genau dafür, dass ich Anträge persönlich auch aus der Ferne stellen und signieren kann.
Rene Goeckel am Permanenter Link
Kleine Anekdote: Meine Schwiegertochter hatte beim Düsseldorfer AG einen Austrittstermin.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Ich halte bereits den Umstand, dass es eine "gesetzliche Regelung gibt, dass Austritte beim Gericht [persönlich] zu erfolgen haben", für verfassungswidrig.
Roland Weber am Permanenter Link
Absolut korrekt!
Doch das ist ja nicht der einzige Rechtsmangel, der dieses Verfahren prägt - siehe mein Beitrag oben!
Götz am Permanenter Link
Ich verstehe die Aufregung nicht. In § 3 Abs. 1 KirchenaustrittsG für Nordrhein-Westfalen heißt es: "Die Austrittserklärung kann mündlich oder schriftlich abgegeben werden." Lt. Abs.
Hartmut Jolie am Permanenter Link
Zumindest ein sog. eingeschriebener Brief.
Götz am Permanenter Link
Ein eingeschriebener Brief reicht nicht. Die Unterschrift muss beglaubigt sein!
Hans Trutnau am Permanenter Link
Shit auch wieder; dann halt alle auf zum Notar!
Roland Weber am Permanenter Link
Mitteilung über Kirchenaustritt per Einschreiben an Behörde senden.
Anschließend gerichtliche Klärung, dass Wartezeit bis zum Vorsprache-Termin nicht als Mitgliedszeit berechnet werden dürfen! Dies gilt auch ansonsten innerhalb der Verwaltungstätigkeit. Die Gebühr wird ja nur für den Verwaltungsaufwand geltend gemacht - wofür eigentlich die Kirchen zahlen müssten -, und dieser Aufwand fällt erst mit der Registierung an. Egal, welches Datum einzutragen ist, einen Mehraufwand bedeutet dies nicht und die Erklärung über den Austritts seitens des Bürgers liegt schließlich mit Posteingang der Behörde vor!
Hans Trutnau am Permanenter Link
Vordruck Austrittsformular hier: https://hpd.de/artikel/ueber-30-deutschen-staedten-staut-sich-kirchenaustritt-6-monate-19245
Karlheinz B. am Permanenter Link
Ich bin bereits 1973 aus der (kath.) Kirche ausgetreten.
Der angenehme Nebeneffekt war, dass ich Zeit meines Arbeitslebens nie einen Pfennig/Cent Kirchensteuer entrichten musste (abgesehen von den Beträgen, mit den ich die Kirchen aus dem allgemeinen Steuertopf mitfinanzieren musste).
Als ich später einmal aufs Land umgezogen bin, wollte mich der örtliche Dorfpfarrer tatsächlich zur Rückkehr in die »Arme der Kirche« bewegen.
Ich habe den Schwarzkittel von der Schwelle gejagt und bin seither hier wieder belästigt wordern.
Karlheinz B. am Permanenter Link
Habe gerade meinen Tippfehler bemerkt.
Soll natürlich heißen, dass ich seither NIE wieder belästigt worden bin.
Nobody is perfect :-)
Hans Trutnau am Permanenter Link
Ich dito aus der ekd etwa gleichzeitig im Bezirksamt Wedding, Berlin; das kostete nix. Ich hatte aber 1 Monat 'Bedenkzeit' bis es rechtskräftig wurde... haha!
Birgit M. am Permanenter Link
wie beneidenswert! 1973 war ich gerade mal 2 Jahre alt und längst von der katholischen Kirche einkassiert worden
Hartmut Jolie am Permanenter Link
Dazu habe ich auch noch'n Schmankerl: Ich wurde als völlig unzurechnungsfähiges Baby durch Taufe zum Vertragspartner der Ev.Ref. Kirche.
Hartmut Jolie am Permanenter Link
Wäre es nicht langsam an der Zeit, diese Austrittsgeschichte von einer anderen Seite aus anzugehen, indem man den Eintritt in die Kirche als definitiv nicht geschäftsfähiger Säugling vor die Gerichte bringt.