Die Kirchen gehören in die Zivilgesellschaft

Deutschland braucht ein neues Religionsverfassungsrecht

Die katholische und die evangelische Kirche sind schon lange keine Volkskirchen (mehr). Sie haben sich als unfähig erwiesen, Verantwortung zu übernehmen und die strukturellen Ursachen für Diskriminierungen und sexualisierte Gewalt anzugehen. Die Ursachen für ihren historischen Schrumpfkurs sind freilich noch weit vielfältiger.

Die Mitglieder laufen den Kirchen in Scharen davon. Vor Ämtern und Gerichten bilden sich Schlangen wie vor volkseigenen Metzgereien zu DDR-Zeiten. Allerdings steht heute niemand mehr auf der Straße an, sondern loggt sich in die überlangen Wartelisten ein. Die Großkirchen schaffen es – auch nach eigener Einschätzung – ohne staatliche Hilfe nicht, aus diesem Schlamassel herauszukommen; der Ruf nach dem Staat wird immer lauter. Doch ausgerechnet der deutsche Staat konserviert mit seinen Regelungen aus der Weimarer Verfassung die Mentalitäten und Strukturen, in denen Päpste ungestraft täuschen und die Opfer auf der Strecke bleiben. In den Schattenreichen des deutschen "Staatskirchenrechts" konnten und können Kleriker bis heute ungestört schalten und walten wie sie wollen. Dieser Zusammenhang muss in der aktuellen Debatte viel deutlicher angesprochen und nicht länger schamhaft unterschlagen werden. Wer Aufarbeitung und Schutz vor Diskriminierung ernsthaft voranbringen will, darf diese archaische Verklammerung von Staat und Kirchen nicht länger als gottgegeben hinnehmen.

Sexueller Missbrauch bei gleichzeitiger moralischer Scheinheiligkeit sind in der aktuellen medialen und politischen Debatte allgegenwärtig. Es geht zunächst um den Schutz der Kinder. Aber es geht auch um mehr. Wie kann es sein, dass Bischöfe bei sexueller Gewalt gegen Kinder wegschauen und zugleich wiederverheiratete Geschiedene, Priester in einer Beziehung sowie Schwule und Lesben aus dem Dienst entlassen werden?

Die parlamentarische Aufarbeitung: Hort vergeblicher Hoffnungen

Leider wird in den erregt geführten Debatten vieles durcheinander geworfen. Ein gutes Beispiel für den Unterschied von gut gedacht und schlecht gemacht ist die Forderung nach einer parlamentarischen Beteiligung bei der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in kirchlichen Einrichtungen. Das ginge nur über einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Der darf zwar seit dem UA "Neue Heimat" nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch Vorgänge außerhalb des staatlichen Bereichs untersuchen. Er wäre jedoch rein logistisch hoffnungslos überfordert, sämtliche katholische Bistümer und evangelische Landeskirchen sowie bitteschön auch die vielen anderen christlichen und nicht-christlichen Religionsgemeinschaften unter die Lupe zu nehmen. Die Untersuchung allein im katholischen Erzbistum München und Freising mit ihren fast 2.000 Seiten benötigte Jahre sorgfältiger Recherche, der umfangreichen Anhörung Betroffener und der Stellungnahmen der Angeschuldigten.

Eine parlamentarische Untersuchung könnte sogar als Alibi missbraucht werden, im Verhältnis von Staat und Kirche alles beim Alten zu lassen, bis irgendwann am Ende der Wahlperiode ein erster Zwischenbericht vorliegt. Dann sind erst einmal Wahlen, ein neuer Bundestag muss sich bilden und die parlamentarische Aufarbeitung beginnt von Neuem oder fällt in den Tiefschlaf. Geändert hätte sich durch eine solches faktisches Moratorium aber gar nichts.

Die Bundesarbeitsgemeinschaft Säkulare Grüne schlägt hier einen erfolgversprechenderen Weg vor. Die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs soll deutlich aufgewertet und der (bislang ehrenamtliche) Beirat mit weitreichenden Untersuchungsbefugnissen ausgestattet werden. Die Kommission ist weder an Wahlperioden und auch nicht an die parlamentarischen Mehrheiten gebunden. Um die anstehende Mammutaufgabe zu bewältigen, müssten ihm umfassende Ressourcen zur Verfügung stehen. Nur so lassen sich zunächst die nötigen Fakten über Missstände herausarbeiten, auf deren Grundlage dann die exekutiven und gesetzlichen Konsequenzen zu ziehen sind. Hier ist natürlich wieder das Parlament gefragt.

Ferner sollte der Bundesjustizminister sowie die Justizministerkonferenz von Bund und Ländern energisch nachhaken, weshalb Polizei und Staatsanwaltschaften über Jahrzehnte den Schlaf der (Un-)Gerechten gehalten haben, obwohl der Missbrauch hinter Kirchenmauern allgemein bekannt war. Ohne deren Passivität wären die Taten nicht massenhaft verjährt! Auch die Gerichte müssen sich fragen lassen, warum sie sich aus falsch verstandener Ehrfurcht vor der kirchlichen "Selbstverwaltung" sträflich zurückgehalten haben.

Auf einem anderen Blatt steht in diesem Zusammenhang die Tätigkeit der Unabhängigen Kommission für Ausgleichsleistungen. Die wurde zum 1. Januar 2021 auf Beschluss der deutschen katholischen Bischöfe gegründet. Sie nimmt die Anträge der Betroffenen über die Ansprechperson der Diözese oder der Ordensgemeinschaft entgegen und legt die Zahlung an Betroffene fest. Im Jahre 2021 gingen 1.565 Anträge auf Zahlungen für Opfer sexuellen Missbrauchs ein. In 606 Fällen wurden Anerkennungsleistungen in Höhe von insgesamt lediglich knapp 12,9 Millionen Euro anerkannt. Die Kommission räumt selbst ein, dass sie nur eine Minderheit der Anträge auf Entschädigung bearbeiten konnte. Die Verfahren laufen äußerst schleppend. Bei anderen Glaubens- und Weltanschauungsgemeinschaften tut sich gar nichts. Auch hier besteht erheblicher Reformbedarf.

Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften weit hinten

Die evangelischen Landeskirchen ducken sich – wie immer, wenn es eng wird – lieber weg oder sie verstecken sich gleich hinter den katholischen Bischöfen. Sie geben sich vor dem Hintergrund ihrer parlamentarischen Strukturen mit Vorliebe demokratischer und weltoffener. Aber letztlich tun sie sich noch schwerer mit der Aufarbeitung als die Kollegen von der katholischen Konkurrenz. So wurde der Betroffenenbeirat kurzerhand aufgelöst, als er "lästig" wurde. Nichts fürchten Kirchen mehr als einen Kontrollverlust. Wenn es sowas wie Ökumene in der Praxis gibt, dann hier.

Noch deprimierender ist der Stand der Erkenntnisse zur sexualisierten Gewalt in den vielen kleineren Glaubensgemeinschaften aller möglichen Fakultäten. Ob bei den Nachfahren der Maria Magdalena oder den Eunuchen im Harem des Propheten e. V. – da ist gar nichts empirisch erfasst. Genau an diesem Punkt sollte die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs auf der Grundlage erweiterter Befugnisse gründlich und umfassend ermitteln.

Die Kirchen stehen zwar aktuell unter erheblichem Druck. Der könnte möglicherweise sogar dazu führen, dass sich zumindest Teile der katholischen Obrigkeit früher oder später dazu durchringen, die Gängelung ihrer Beschäftigten wenigstens bei der Sexualmoral ein wenig zu lockern. Wie weit das aber in der Praxis geht, ist völlig offen. Täglich lässt sich ein weiterer Bischof bei der Suche nach Schlupflöchern vernehmen, zuletzt der Hausherr des ehrwürdigen Mainzer Doms.

Völlig unklar ist sogar beim "Synodalen Weg" das Schicksal derer, die aus der Kirche austreten. Werden sie ihre Jobs behalten und sind sie wirklich auf Dauer vor beruflichen Repressalien geschützt? Es bleibt völlig offen, ob und wann ein Roll Back der konservativen Kleriker einsetzt. Garantien gibt es keine und Vertrauen ist fehl am Platz.

Zusammenfassend ist festzuhalten: Die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt innerhalb der verschiedenen Glaubens- und auch Weltanschauungsgemeinschaften verläuft zeitlich und qualitativ völlig uneinheitlich. Sie ist alles andere als ein zusammenhängender Prozess mit vergleichbaren Abläufen und Ergebnissen. Weder der Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Übergriffen noch der Schutz der Beschäftigten vor Repressionen ist bei den Glaubens- und Weltanschauungsgemeinschaften gut und sicher aufgehoben. Sogar dort, wo der Reformprozess den Anschein der größten Fortschritte vermittelt, ist eine offene oder schleichende Rückkehr zu den früheren Verhältnissen jederzeit möglich. Schon allein deshalb können Reformprozesse an der einen oder anderen Stelle nicht den Schutz gewährleisten, der als Grundlage staatlicher Politik ausreicht oder diesen sogar ersetzen könnte. Leider ist aber zu befürchten, dass der Staat wieder einmal der Versuchung unterliegen könnte, auch auf eigene Reformanstrengungen zu verzichten. Bestimmte Tendenzen und Entwicklungen in der aktuellen Debatte zum kirchlichen Arbeitsrecht lassen diese Gefahr als real erscheinen.

Synodaler Weg: Eine kircheninterne Veranstaltung

Im Zentrum der katholischen Reformdebatten steht der sogenannte "Synodale Weg". Das ist die medial höchst präsente Notgemeinschaft von Priestern und Laien, um zu retten, was vielleicht nicht mehr zu retten ist. Die Veranstaltung ist und bleibt aber eine innerkirchliche Angelegenheit, die sich mit deren Binnenstrukturen befasst. Es geht um den Zölibat, die innerkirchliche Stellung der Frauen, die Fürsorge gegenüber Missbrauchsopfern und andere Fragen im Spannungsfeld von Priestertum und Laien.

Das Protokoll der ersten Sitzung und auch weitere Schriftstücke lassen indes nicht erkennen, dass auch die staatliche Privilegierung der Kirchen auf der Tagesordnung steht. Die Trennung von Staat und Kirchen ist dort kein Thema.

Es ist das gute Recht der Beteiligten, ihren Blick nach innen zu richten. Es ist aber das ebenso gute Recht von Säkularen, ihre eigene politische Agenda in die Diskussion zu bringen und nicht auf Vorgaben aus den Kirchen zu warten. Die strukturellen Ursachen für Diskriminierungen und sexualisierte Gewalt lassen sich nicht vom Straßenrand Synodaler Wege aus besichtigen. Innerkirchliche Verabredungen können keine allgemeine Verbindlichkeit für alle Bürgerinnen und Bürger beanspruchen. Der Staat muss vielmehr in eigener demokratischer und rechtsstaatlicher Verantwortung verbindliche Gesetze für alle machen. So kann es im Arbeitsrecht nicht angehen, dass bei dem einen katholischen Bischof Schwule unbehelligt bleiben und beim anderen die lesbische Kindergärtnerin entlassen wird. Die Differenzen zwischen all den anderen Religionsgemeinschaften machen die angesprochenen Unterschiede noch weit unerträglicher. Sie würden durch rein interne Regelungen nicht beseitigt, sondern womöglich sogar noch weiter verfestigt.

Klar ist aber auch, dass der Staat keine Theologie betreiben und innerkirchliche Prozesse steuern kann. Das passt nicht zur Trennung von Staat und Kirchen. Der Gesetzgeber kann und darf den Kirchen weder Leitlinien vorgeben noch diese von den Kirchen empfangen. Es bleibt ihm nur die Möglichkeit, Gesetze zu erlassen, die für alle gelten. Er sollte am besten damit anfangen, die Ausnahmeregelung für Religionsgemeinschaften in Paragraph 118 Absatz 2 Betriebsverfassungsgesetz zu streichen. Das wäre ein wichtiger Schritt zum Schutz der Beschäftigten in den Kirchen und eine Bekräftigung der Linie des Europäischen Gerichtshofs.

Opposition innerhalb der Kirchen genügt nicht

Die Opposition gerade in der katholischen Kirche verdient Respekt. Diese Einschätzung wird vermutlich nicht von allen Leserinnen und Lesern geteilt. Aber wir haben es mit Menschen zu tun, darunter sehr vielen Frauen, die aus ehrlicher Überzeugung handeln. Viele von ihnen haben durchaus Mut. Immerhin gehören sie Zeit ihres Lebens kirchlichen Organisationen an und viele von ihnen verdienen dort ihren Lebensunterhalt. Das gilt auch für die Männer und Frauen, die sich als schwul oder lesbisch geoutet haben. Sie gehen ein noch höheres persönliches Risiko ein und müssen trotz aller Beschwichtigungen durchaus früher oder später mit beruflichen Repressalien rechnen. Auch wenn sich die Kirchenoberen Kündigungen aufmüpfiger Beschäftigter aktuell nicht leisten können, haben schwarze Listen eine lange Tradition. Die Kirche vergisst nichts und sie hat einen sehr langen Atem.

Bei aller Sympathie für die Reformer*innen in den Kirchen. Das Warten auf Reformen innerhalb der Religionsgemeinschaften greift – nicht allein! – beim Schutz vor sexualisierter Gewalt und beim Schutz der Beschäftigten vor Diskriminierung im kirchlichen Arbeitsrecht ins Leere.

Die Kirchen sind zwar akut in der Defensive, versuchen aber gemeinsam mit ihrer politischen Lobby im tiefen Bußgang wieder einmal die politische Debatte über ihr Verhältnis zum Staat auszusitzen. Diese Linie zeichnen einige Bischöfe und der religionspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Lars Castellucci bereits vor. Sie räumen schwere Fehler beim Umgang mit sexualisierter Gewalt ein und geloben – mit mehr oder weniger staatlicher Hilfe – Besserungen bis hin zu Änderungen der Binnenstrukturen. Da werden sogar leibhaftige Kardinäle samt Papst a. D. öffentlich in Zweifel gezogen.

Zugleich wird beflissen darauf verwiesen, dass sexualisierte Gewalt eben auch in anderen Bereichen vorkommt, wie zum Beispiel dem Sport. Die Kirche, so die Sprachregelung, sei doch eigentlich schon viel weiter in der Aufarbeitung als andere. Außerdem blieben doch ihre Beiträge zum Wohl der Menschen nach wie vor unverzichtbar. Von daher bestehe auch kein Grund für eine Reform im Verhältnis von Staat und Kirchen. Dieser selbst erzeugte Nimbus der Unverzichtbarkeit wird mehr und mehr zum letzten Bollwerk klerikaler Selbstverteidigung.

Eine solche Strategie darf sich nicht durchsetzen. So haben die Säkularen Grünen den Abgeordneten der grünen Bundestagsfraktion und dem Bundesvorstand unmissverständlich deutlich gemacht, dass gerade die Verflechtung des Staates mit den Kirchen jene Räume geschaffen hat, in denen die "Brüder im Nebel" Schandtaten begehen konnten und dass diese Missstände keinen Bestand haben dürfen. Hier muss von säkularer Seite auch in den anderen Parteien aber noch viel mehr passieren.

Der Koalitionsvertrag schafft neue Spielräume für Reformen

Deutschland braucht eine politische Beweislastumkehr im Verhältnis von Staat und den hier aktiven Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften. Gerade die Großkirchen müssen der Öffentlichkeit gegenüber begründen, woraus sie ihren Sonderstatus rechtfertigen. Dem Ergebnis dieser öffentlichen Diskussion können Säkulare mit großer Zuversicht entgegensehen. Nicht erst seit Bekanntwerden der Missbrauchsskandale haben die Kirchen jeden moralischen Führungsanspruch verwirkt. Ihre Anmaßung ist längst Karikatur geworden.

Trotz mancher Widrigkeiten sind die Rahmenbedingungen für grundlegende Reformen im Verhältnis von Staat und Religionsgemeinschaften heute günstiger als je zuvor seit der deutschen Vereinigung 1990. Ob der Staat jedoch endlich einmal den Mut zur Reform aufbringt oder wieder nur in der Zuschauerloge Platz nimmt, hängt auch von den Säkularen im Lande ab. Finden sie endlich einmal zusammen und entfalten einen wirksamen politischen Druck?

Statt untätig auf parlamentarische Untersuchungsausschüsse und innerkirchliche Reformbemühungen zu warten, sollten Bundesregierung und Regierungsfraktionen ihren eigenen Koalitionsvertrag ernst nehmen. Da ist vielversprechend von einem neuen "Religionsverfassungsrecht" die Rede. Konkret benannt werden das kirchliche Arbeitsrecht und die Ablösung der historischen Staatsleistungen. Die Formulierungen sind zwar puddingweich, aber sie sind in der Welt und lassen sich wie Zahncreme nicht mehr in die Tube zurückdrücken.

Es gibt keine Ausreden mehr, den längst überfälligen Reformprozess immer weiter zu verschleppen. Über 40 Prozent der Menschen sind hierzulande konfessionsfrei, während die Mitgliederzahl der beiden christlichen Großkirchen zusammen in den 40er-Prozent-Bereich abrutscht. In wenigen Jahren leben mehr Konfessionsfreie im Land als Mitglieder der katholischen und evangelischen Kirche gemeinsam.

Diese grundlegende Umkehr der gesellschaftlichen Verhältnisse wirft zahlreiche Fragen auf, die vom Gesetzgeber zu beantworten sind:

  • Warum zahlen die Länder bis heute historische Staatsleistungen für Vermögensverluste der Kirchen aus Zeiten der Reformation und der Napoleonischen Kriege (rund 600 Millionen Euro im letzten Jahr!)?
  • Warum haben die rund 1,4 Millionen Beschäftigten der Kirchen weniger Rechte als andere?
  • Warum ziehen die Finanzämter die Mitgliedsbeiträge korporierter Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften wie staatliche Steuern ein und warum zahlen die ohnehin privilegierten Gemeinschaften weder Erbschafts- noch Grund- oder Grunderwerbssteuer?
  • Wo sind die konfessionsfreien Stimmen beim "Wort zum Sonntag" und den Morgenandachten im öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu hören?
  • Wo bleiben Konfessionsfreie bei offiziellen staatlichen Feierstunden?
  • Warum gesteht der Paragraph 166 Strafgesetzbuch Gläubigen aller Schattierungen das Rechts zu, durch Krawall den öffentlichen Frieden so zu stören, dass Kritiker von Religion dafür wegen angeblicher Störung des öffentlichen Friedens strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden können?
  • Wann unternimmt die Bundesrepublik endlich konkrete Anstrengungen, noch vor dem 90-jährigen Jubiläum des "Reichskonkordats" von 1933 zwischen der Regierung Hitler und dem Papst diesen schändlichen Vertrag zu annullieren?

Geht es mit der halbstaatlichen Sonderstellung der Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften so weiter, ziehen sich auch noch andere Religionsgemeinschaften Privilegien an Land. Ditib und die anderen reaktionären Lobbyverbände scharren schon lange vernehmlich mit den Hufen, um endlich wie die Kirchen hofiert und ausgestattet zu werden. Angesichts der weit verbreiteten Naivität westlicher Linker gegenüber dem Politischen Islam darf diese Gefahr niemals unterschätzt werden.

Wir erwarten von der neuen Bundesregierung, dass sie die im Koalitionsvertrag genannten Reformbaustellen sexueller Missbrauch, Ablösung der historischen Staatsleistungen und Ende der Diskriminierung kirchlicher Beschäftigter jetzt unverzüglich in Angriff nimmt und zugleich mit der Entsorgung des längst aus der Zeit gefallenen "Religionsverfassungsrechts" beginnt. Ein neues Religionsverfassungsrecht muss dafür sorgen, dass Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften ihren Platz in der Zivilgesellschaft finden und aufhören, sich als Staat im Staate zu gebärden.

Es macht Mut, dass endlich auch die Diskussion über das Ende des staatlichen Kirchensteuereinzugs an Fahrt aufnimmt. Das Beschlusspapier der BAG Säkulare Grüne wurde in einigen Medien aufgegriffen (Interview des Autors im Deutschlandfunk) und auch die Jungen Liberalen haben sich im gleichen Sinne geäußert. Es ist noch ein langer Weg, aber erste kleine Schritte sind getan.

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