Diskriminierung

Ein Hund schafft es in die SPD, ein Religionskritiker nicht

schild.png

In der SPD nicht erwünscht: Religionskritiker

"Für eine offene, freie Gesellschaft" kann man auf der Startseite der SPD lesen. Dass diese Offenheit nicht unbedingt Religionskritik miteinschließt, zeigt ein Fall in Augsburg: David Farago wollte in die SPD eintreten und wurde abgelehnt – wegen kirchenkritischer Äußerungen im Internet.

"Bei Wahlen gibt man seine Stimme ab. Wörtlich heißt das für mich, alle vier Jahre darf der Bürger einmal mitbestimmen, dann ist die Stimme wieder weg. Dass es eine Partei gibt, in der der Bürger seine Stimme behalten darf, finde ich fantastisch", sagt David Farago, Mitarbeiter der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) und Initiator der Kunstaktion "11. Gebot". "Ich hatte schon länger überlegt, in eine Partei einzutreten, obwohl eigentlich keine Partei so richtig zu mir passt. Aber ich denke, nur durch die SPD wird es möglich sein, dass sich in Deutschland politisch etwas ändert". Das anstehende Mitgliedervotum gab den Ausschlag: Alle SPD-Mitglieder sind aufgerufen, bis zum 2. März über den Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD zu entscheiden.

Am 1. Februar suchte Farago die Geschäftsstelle der SPD in seinem Wohnort Augsburg auf und stellte einen Mitgliedsantrag. Der Stichtag, um an der Entscheidung über eine Neuauflage der Großen Koalition teilzunehmen, war der 6. Februar. Genug Zeit also, um rechtzeitig aufgenommen zu werden – sollte man meinen. Eine Woche später, am 8. Februar, erhielt David Farago ein Antwortschreiben der SPD. Allerdings nicht mit einer Aufnahmebestätigung, sondern einer Ablehnung:

"Die Geschäftsstelle Augsburg-Stadt hat uns als zuständigen Ortsverein über Ihren Wunsch informiert, der SPD beizutreten. Gemäß Organisationsstatut der SPD hat der Ortsvereinsvorstand über die Aufnahme zu entscheiden und kann binnen eines Monats die Aufnahme ablehnen. In diesem Fall hat der SPD-Ortsvereinsvorstand von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und Ihren Aufnahmeantrag abgelehnt.

Sollten Sie gegen diese Entscheidung des Ortsvereinsvorstandes Widerspruch einlegen wollen, so steht Ihnen der Weg binnen eines Monats offen. In diesem Fall müssten Sie sich an den SPD-Unterbezirksvorstand Augsburg-Stadt wenden."

Am 15. Februar besuchte David Farago den Auftritt von Andrea Nahles in Augsburg und kam dort mit Christian Gerlinger, dem Ortsvereinsvorsitzenden seines Unterbezirks – der Jakobervorstadt – ins Gespräch. Der gbs-Mitarbeiter wollte von ihm wissen, warum er eine Absage erhalten hatte. Die Antwort: Das Problem sind seine Ansichten über Religion im Allgemeinen und über die christliche Kirche im Besonderen. Das bestätigte Gerlinger gegenüber dem hpd. Er habe Faragos Namen gegoogelt und sei auf Facebook-Kommentare zur Kriminalgeschichte des Christentums gestoßen. Damit könnte beispielsweise folgender Post gemeint sein:

"‚Seit Konstantin wurden Heuchelei und Gewalt die Kennzeichen der Kirchengeschichte, wurde Massenmord zur Praxis einer Religion. EINEN zu töten war strikt verboten, Tausende umzubringen ein gottgefälliges Werk. Das Ganze heißt nicht Geisteskrankheit, das Ganze heißt Christentum.‘ Karlheinz Deschners letzten Zeilen in ‚einer der größten Anklageschriften, die je geschrieben wurden.‘ - Einzig das Wort ‚einer‘ stört mich an dieser Aussage."

Solche Äußerungen seien "sehr pauschal und sehr abwertend", findet der SPD-Ortsvereinsvorsitzende. Da seien "Bedenken aufgekommen", ob sich das mit dem decke, was im Programm der SPD stehe. Es habe im Vorfeld des Mitgliedervotums viele Anträge gegeben, in seinem Unterbezirk drei bis vier, in ganz Augsburg um die 100. Darunter seien auch "diffuse Sachen" gewesen. Seine Internetrecherche habe einen Fragebedarf geweckt und er habe beschlossen, dass er den säkularen Aktivisten nicht einfach "durchwinken", sondern erst persönlich kennen lernen wolle. Denn: Er habe schon schlechte Erfahrungen gemacht und ein "missionarisches Auftreten" befürchtet. Prinzipiell sei jeder willkommen und er habe keine grundsätzlichen Vorbehalte. Aber der Vorstand habe in der Kürze der Zeit bis zur Aufnahmedeadline für das Mitgliedervotum eine Entscheidung treffen müssen. David Farago hätte sich das mit dem Beitritt ja früher überlegen können, meint Gerlinger. Die Frage, ob eine Kontaktaufnahme innerhalb dieser Zeit nicht telefonisch möglich gewesen wäre, verneint er. 

SPD-Mann Gerlinger findet Offenheit wichtig, um Mehrheiten zu bekommen und dann gemeinsam Politik machen zu können. "Ich möchte nicht, dass wir als Speerspitze der Kirchenkritik in der SPD wahrgenommen werden." Die Kirchen seien Partner, mit denen die SPD vor Ort zusammenarbeiten müsse, sonst gebe es in der Jakobervorstadt kaum Vereine und damit Anknüpfungspunkte, an denen Menschen zusammenkämen. "Da geht es ja nicht um Glaubensüberzeugungen." Außerdem seien zahlreiche SPD-Ortsvereinsmitglieder auch ehrenamtlich in der Kirche aktiv und könnten "empfindlich reagieren" und das würde die Zusammenarbeit stören. Zur ehemals kirchenkritischen Haltung der Sozialdemokratie erwidert Christian Gerlinger, die Kirche habe sich gewandelt und sei nicht mehr "die Kirche der Besitzenden", gegen die die Arbeiterbewegung einst vorgegangen sei. Im Gegenteil: Kirche sei wertvoll.

David Farago ist schockiert. Er komme sich vor, als wolle er in die CSU eintreten und nicht in die SPD. "Was soll ich in einer Partei, in der religiöser Glaube höher gestellt wird als politisches Engagement? Ich habe gedacht, die wären an der Basis moderner als oben, das ist nicht der Fall. Das ist nicht die SPD, von der ich gedacht habe, dass es sie gibt." Wenn sich jemand beleidigt fühle, sei das eine persönliche Sache, das habe nichts mit der Partei zu tun, findet er. Er werde vorsätzlich diskriminiert.

Diesen Vorwurf kann der SPD-Ortsvereinsvorsitzende nicht nachvollziehen. Man habe sich gut unterhalten und sich darauf geeinigt, dass Farago Widerspruch gegen die Ablehnung einlegen werde. Dann müsse der Ortsvereinsvorstand noch einmal über seinen Beitritt beraten. Von dieser Möglichkeit will der säkulare Aktivist jetzt Gebrauch machen.

"Hätte ich mich Max Müller genannt, hätte Herr Gerlinger mich im Internet nicht finden können. Dann wäre ich jetzt SPD-Mitglied, auch wenn es diesen Menschen gar nicht gibt, das wird ja nicht kontrolliert", empört sich David Farago. Damit bezieht er sich auf einen Vorfall, der vergangene Woche bekannt geworden war: Der Bild-Zeitung war es gelungen, Hund "Lima" in die SPD einzuschleusen. Damit wollte das Blatt beweisen, wie leicht es sei, das Mitgliedervotum zu manipulieren. Dafür ist Farago seine Stimme genommen, selbst wenn sein Widerspruch erfolgreich sein sollte.