Beleidigende Äußerungen über den Islam?

Veranstaltung mit Richard Dawkins abgesagt

Wegen angeblich verletzender Sprache gegenüber dem Islam sagt ein kalifornischer Radiosender eine Veranstaltung mit dem Evolutionsbiologen und Religionskritiker Richard Dawkins ab. Dawkins wehrt sich gegen die Vorwürfe.

Der Radiosender KPFA aus Berkeley (Kalifornien) hatte Richard Dawkins ursprünglich für den 9. August eingeladen, um im Rahmen einer öffentlichen Veranstaltung über sein neues Buch Science of the Soul zu sprechen. Am 20. Juli informierte KPFA die Öffentlichkeit jedoch darüber, dass die Veranstaltung storniert wurde. Als Grund hierfür nannte der Sender angeblich verletzende Aussagen von Dawkins über den Islam.

"Die Grundlage für diese Veranstaltung war ausschließlich sein ausgezeichnetes neues Wissenschaftsbuch. Wir wussten damals noch nicht, dass er – mit seinen Tweets und anderen Kommentaren zum Islam – so viele Menschen angegriffen und verletzt hat. KPFA billigt keine verletzenden Äußerungen", konnte man in der E-Mail an die Ticketkäufer lesen. Richard Dawkins veröffentlichte diese später auf seiner Website. "Auch wenn KPFA ausdrücklich die Redefreiheit unterstützt, unterstützen wir keine beleidigenden Äußerungen. Wir entschuldigen uns, dass wir nicht viel früher genauere Kenntnis über Dawkins‘ Ansichten hatten. Wir entschuldigen uns auch bei allen, denen wir durch diese Absage Unannehmlichkeiten bereiten."

Dawkins, einer der Vorreiter des sogenannten Neuen Atheismus, nannte die Entscheidung "wirklich erstaunlich" und nahm sie "mit persönlichem Bedauern" auf. Er habe das Bürgerradio "fast jeden Tag" gehört, als er zwei Jahre lang in Berkeley lebte, schrieb er, und er sei früher immer dankbar für dessen "objektive Berichterstattung und die menschlichen Kommentare" gewesen. "Ich erinnere mich, dass Sie bei KPFA ungewöhnlich genau waren, was den Fakten-Check angeht. Besonders bewundert habe ich Ihre Gewohnheit, immer die Quellen zu zitieren", schrieb er in einem offenen Brief an den Radiosender, den er auch auf seine Website stellte. "Auffällig ist, dass Sie keine Quelle genannt haben, als Sie mich beschuldigten, mich ‚beleidigend geäußert‘ zu haben. Warum haben Sie ihre Fakten nicht überprüft – oder die Höflichkeit besessen, mich zu informieren – bevor Sie einfach meine Veranstaltung absagen?"

Dawkins sagte, er habe sich "nie beleidigend über den Islam geäußert" und fügte hinzu, dass er Islamismus zwar als "niederträchtig" bezeichnet habe, Islamismus sei aber nicht gleichzusetzen mit dem Islam. "Ich habe die unerträgliche Frauenfeindlichkeit und Homophobie des Islam kritisiert, ich habe kritisiert, dass Abtrünnige ermordet werden, für kein anderes Verbrechen als nur ihren Unglauben. Ich bin weit davon entfernt, Muslime anzugreifen, ich verstehe – wahrscheinlich im Gegensatz zu Ihnen – dass die Muslime selbst die primären Opfer der unterdrückenden Gewalt des Islamismus sind, ganz besonders die muslimischen Frauen", schrieb der Autor in seiner Reaktion. "Man kennt mich als ständigen Kritiker des Christentums und ich bin deshalb noch nie ausgeladen worden. Warum bekommt der Islam von Ihnen einen Freifahrtschein? Warum ist es in Ordnung, das Christentum zu kritisieren, aber nicht den Islam?"

Dawkins verlangte von KPFA, ihm Beispiele für seine angeblichen Beleidigungen zu nennen. Sollte der Sender daran scheitern, welche zu finden, sagte er, so erwarte er eine öffentliche Entschuldigung.

Dawkins erhielt von mehreren Seiten Rückendeckung. Der Harvard-Professor und Autor Steven Pinker schrieb KPFA, die Entscheidung sei "intolerant, schlecht durchdacht und ignorant". "Dawkins ist einer der großen Denker des 20. Und 21. Jahrhunderts. Er hat Lehren des Islam zusammen mit den Lehren anderer Religionen kritisiert, aber Kritik ist keine ‚Beleidigung‘", so Pinker. "Es mag sein, dass sich Leute durch ehrliche Kritik angegriffen und verletzt fühlen, aber das kann doch nicht wirklich eine Rechtfertigung dafür sein, die Kritik zu zensieren. Sonst würde wohl auch KPFA geschlossen, wegen all der Leute, die der Sender in den letzten Jahrzehnten verletzt und angegriffen hat." Pinker sagte, die Maßnahme habe der politischen Rechten ein wertvolles Geschenk gemacht, da diese jetzt sagen könne, dass linksgerichtete Medien hirnlose Konformität als engstirniges Dogma durchsetzten und nicht mehr länger in der Lage seien, grundlegende intellektuelle Unterschiede zu erkennen".

Das säkulare Bildungsinstitut Center for Inquiry, das letztes Jahr mit der Richard-Dawkins-Stiftung für Vernunft und Wissenschaft fusionierte und in dessen Vorstand Dawkins sitzt, nannte die Absage "unzumutbar" und "grundlos".

KPFA antwortete auf Twitter: Es nutze sein "Recht auf Redefreiheit nicht dazu, sich daran zu beteiligen, dass jemand eine solch hasserfüllte Sprache gegen eine Gemeinschaft verwendet, die sowieso schon unter Beschuss steht".

In einem Bericht über die Absage hieß es von dem Sender, er sei von Aktivisten kontaktiert worden, die Dawkins als einen "wohlbekannten Islamophoben" beschrieben, der Muslime verleumdet habe. KPFA zitierte Tweets von Dawkins, unter anderem das Folgende: "Ich denke, der Islam ist die größte Kraft des Bösen in unserer heutigen Welt." Außerdem verwies es auf einen kürzlich erschienenen Artikel im Telegraph, in dem Dawkins so zitiert wurde: "Wenn man sich den tatsächlichen Einfluss ansieht, den die verschiedenen Religionen auf die Welt haben, ist es ziemlich offensichtlich, dass die böseste Religion der Welt im Moment der Islam sein muss."

KPFA brachte das Telegraph-Zitat jedoch nicht in voller Länge. Dawkins fuhr dort nämlich fort: "Es ist unglaublich wichtig, das näher zu bestimmen, denn natürlich heißt das nicht, dass alle Muslime böse sind, es ist weit davon entfernt. Die einzelnen Muslime leiden mehr unter dem Islam als irgendjemand sonst."