Kommentar

Kardinal Marx kritisiert Island wegen Verbot der Knabenbeschneidung

Kardinal Reinhard Marx hat sich wieder einmal in Dinge eingemischt, von denen er nichts versteht. Dieses mal kritisierte er Island dafür, dass dort die Beschneidung von männlichen, unmündigen Kindern verboten werden soll.

In einer am Dienstagabend in Brüssel veröffentlichten Erklärung forderte der Präsident der EU-Bischofskommission COMECE, Kardinal Marx, die EU auf, diese "Bedrohung der Grundrechte" zu verhindern. Denn schließlich sei der Gesetzentwurf "ein gefährlicher Angriff auf die Religionsfreiheit".1

Hintergrund seiner Empörung ist, dass isländische Parlamentsmitglieder einen Gesetzentwurf vorgelegt haben, in dem eine Freiheitsstrafe von bis zu sechs Jahren für Personen vorgesehen ist, die einem Kind einen körperlichen Schaden oder eine sonstige gesundheitliche Beeinträchtigung durch "das ganzheitliche oder teilweise Entfernen von Sexualorganen" zufügt.

Herrn Marx, der offensichtlich ein sehr eigenwilliges Verständnis von Grund- und Menschenrechten hat, kommt schon allein der Gedanke, dass die männliche Beschneidung Unrecht sein könnte, wie Blasphemie vor. "Die Gesundheit von Kindern zu schützen, ist ein legitimes Ziel einer jeden Gesellschaft", gibt Marx laut domradio immerhin zu. Um dann gleich darauf kundzutun, dass in diesem Fall die Bedenken "ohne jegliche wissenschaftliche Grundlage instrumentalisiert" würden und "um bestimmte Religionsgemeinschaften zu stigmatisieren".

Ohne jegliche wissenschaftliche Grundlage? Im Ernst Herr Marx?

Nun, es ist wahrscheinlich, dass die Theologie, die Herr Marx mit Sicherheit zu den Wissenschaften rechnet, darauf keine Antworten hat. Echte Wissenschaften haben sehr wohl und sehr viele Argumente, die gegen die Beschneidung von Minderjährigen sprechen. Vielleicht sollte sich Kardinal Marx einmal eingehend mit diesen befassen. 

Schlimmer ist jedoch, dass er den Isländern (und auch den Dänen, die er aber nicht erwähnt) unterstellt, aus niederen Beweggründen gegen Juden und Muslimen zu agieren. Diese Totschlagargumente bestimmten auch in der Debatte in Deutschland seinerzeit den Ton der Befürworter des "Gesetzes zur Beschneidung des männlichen Kindes" (§ 1631d BGB), das am 12. Dezember 2012 vom Bundestag beschlossen wurde. Auch damals bereits gegen alle vernünftigen und belegbaren Gründe. Und auch damals schon mit Zustimmung der katholischen Kirche.

Als würde sich der Missionarsverein, der sich katholische Kirche nennt, tatsächlich um die Belange anderer Religionsgemeinschaften kümmern. Nur weil den Religionen die Gläubigen in Scharen weglaufen, wird versucht, ein einigendes Band der Religionen (und Religiösen) gegen den säkularen Staat zu flechten. Und so besteht "Religionsfreiheit" für Marx und die Seinen nur immer in dem Recht, die Hände in die Geldtöpfe des Staates zu stecken und sich in alles einzumischen, auch wenn es ihre Kompetenz überschreitet. 

Laut domradio sagte Marx sogar: "COMECE betrachtet jeden Angriff auf das Grundrecht der Religionsfreiheit als inakzeptabel" und verschweigt dabei nicht nur die Religionsfreiheit des Kindes, sondern auch das Recht auf die Unversehrtheit des Körpers, welches in jedem Falle höher zu werten ist als die Religionsfreiheit der Eltern.

Noch schlimmer kann es nicht werden? Doch, kann es! Denn Marx legt nach: "Die Kriminalisierung der Beschneidung ist eine sehr schwerwiegende Maßnahme, die tiefe Besorgnis hervorruft."

Besorgniserregend sollte vielmehr sein, mit welcher Selbstverständlichkeit das leibliche Wohl und die Rechte von Kindern missachtet werden. Jede Beschneidung, die nicht aus medizinischen Gründen notwendig ist, ist eine zu viel.

Wenn ein Junge oder junger Mann verständig genug ist, darüber selbst zu entscheiden; Bitteschön! Niemand nimmt ihm das Recht, mit seinem Körper anzustellen, was er möchte. Ob Tatoos, Piercing oder Vorhautamputation: Wer erwachsen ist, kann mit seinem Körper tun und lassen, was ihm gefällt.

Doch gut, wissen wir doch, dass Kinderrechte der katholischen Kirche generell ziemlich gleichgültig waren und sind: Die tausendfachen Mißbrauchsfälle zeigen es. Und ausgerechnet eine solche Institution spielt sich hier als Bewahrer der Grundrechte auf?


  1. FunFact: Island ist nicht einmal Mitglied der EU. ↩︎