Forderungen an die Bundesregierung

Eine Ehe für Alle

BERLIN. (hpd) Manchmal kann man das Gefühl bekommen, dass sich die Geschichte schneller bewegt. Der Volksentscheid in Irland, die Ehe für Homosexuelle zu ermöglichen, hat eine Lawine verursacht, die auch Deutschland nicht verschonen wird. Jetzt fordern 150 Prominente Konsequenzen von der Bundesregierung.

Als am Pfingstwochenende die Iren in einem Volksentscheid erklärten, dass sie die völlige Gleichberechtigung auch für Ehen fordern, die homosexuelle Menschen miteinander schließen, wurde das nicht nur bei der Atheist Convention in Köln gefeiert. Weltweit - und nicht nur in der schwul-lesbischen Community - begriff man, welch einen vor einigen Jahren noch unvorstellbaren Erfolg man für die Menschenrechte errungen hat.

Zwar konnten bereits seit 2011 Schwule und Lesben in Irland eine eingetragene Partnerschaft eingehen. Damit hatten sie praktisch die gleichen Rechte und Pflichten wie in einer heterosexuellen Ehe, eine wirkliche Gleichstellung mit heterosexuellen Paaren blieb ihnen jedoch versagt. Wenn man dabei noch bedenkt, dass bis zum Jahr 1993 Homosexualität in Irland sogar noch unter Strafe stand und das Land weiterhin von den Moralvorstellungen der katholischen Kirche geprägt ist, ist dieser Volksentscheid ohne Übertreibung als revolutionär zu bezeichnen.

So wunderte es dann auch nicht, dass es zuerst die katholische Kirche war, die sich kritisch und abwertend über das Ergebnis des Entscheids äußerte. Kardinal-Staatssekretär Pietro Parolin nannte das Ergebnis des Volksentscheides nicht nur eine "Niederlage der christlichen Prinzipien", sondern gar eine "Niederlage für die Menschheit". Tatsächlich handelt es vor allem um eine Niederlage der christlichen Moralvorstellung, die eine menschenverachtenden Ausgrenzung homosexueller Menschen vorsieht.

Eine Quittung für die katholische Kirche

Möglicherweise hat die Abstimmung in Irland für die vollständige Gleichstellung der homosexuellen mit der heterosexuellen Ehe weniger mit dem tatsächlichen Hintergrund der Frage zu tun gehabt, sondern mehr mit dem Verhalten der katholischen Kirche in Irland in den vergangenen Jahrzehnten. Erst im Frühjahr des vergangenen Jahres wurde zum Beispiel bekannt, dass in einem irischen Kloster die Leichen von rund 800 Kindern gefunden wurden. Die Aufarbeitung der Mißbrauchsfälle wird ebenfalls ihren Anteil daran haben; die Aufdeckung der Verbrechen, die im Schatten des Kreuzes geschahen, haben das Land tiefgreifend erschüttert.

Bereits im Jahr 2011 begann Irland, sich gegen die Arroganz des Vatikan zur Wehr zu setzen. Seinerzeit forderte der Staat Milliarden von der katholischen Kirche, die mit diesen Summen zur Entschädigung der Mißbrauchsopfer beitragen sollten. Damals war bekannt geworden, dass Rom zur Vertuschung beigetragen hat und dass es Gruppen in der katholischen Kirche gibt, die sich Maßnahmen für den Schutz von Kindern widersetzen. Im Jahr 2012 geriet Irland ebenfalls in die Negativschlagzeilen, als einer Frau aus christlichen Moralvorstellungen heraus eine Abtreibung verwehrt wurde und diese daran starb.

Für all diese von der katholischen Kirche mitverantworteten Vorfälle könnte die Abstimmung der Iren die Quittung gewesen sein.

Petitionen in Deutschland

Es hat den Anschein, als würde die "eingetragene Lebenspartnerschaft" in Deutschland den Forderungen homosexueller Menschen gerecht werden, eine gesellschaftlich und rechtlich akzeptierte Ehe eingehen zu können. Doch es gibt gravierende Unterschiede, die nicht nur die Möglichkeit der Adoption betreffen. Beim Internationalen Tag gegen Homophobie und Transphobie wurde gefordert, dass die Bundesregierung endlich damit aufhöre, Gesetzes-Stückwerk zu produzieren und ganz einfach die (bürgerliche) Ehe nicht mehr vom Geschlecht der Partner abhängig zu machen. Das erst wäre die vollständige Gleichberechtigung.

Der Lesben-und Schwulenverband Deutschland (LSVD) hat bei Campact.de bereits eine - von der Giordano Bruno Stiftung (GBS) unterstützte - Petition gestartet. Auf der Plattform Change.org wurde ebenfalls eine Petition eingerichtet, die viel mediale Aufmerksamkeit erregt hat. Gehören doch zu den Erstunterzeichnern mehr als 150 prominente Personen aus Politik, Sport, Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft. Dazu gehören u.a. Künstler wie Til Schweiger, Moritz Bleibtreu, Udo Lindenberg, Jan Josef Liefers und Die Ärzte; aber auch Sportler wie Thomas Hitzlsperger und vor allem Spitzenpolitiker der Oppositionsparteien. Darunter Sahra Wagenknecht, Klaus Lederer, Katja Kipping (alle: Die LINKE), Cem Özdemir, Katrin Göring-Eckardt, Anton Hofreiter, Claudia Roth (alle: B90/Die Grünen) sowie Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Katja Suding, Dirk Niebel (alle: FDP). (Die komplette Liste der Erstunterzeichner findet sich unter dem Aufruf.)

In dem offenen Brief an die Bundeskanzlerin heißt es: "…die Forderung nach der Öffnung der Ehe ist eine der großen gesellschaftlichen Fragen unserer Zeit.

Schon lange geht es nicht mehr nur um die Rechte einer Minderheit, sondern um unser aller Verständnis von Gleichheit, Freiheit und Gerechtigkeit. Für immer mehr von uns, mittlerweile eine überwältigende Mehrheit unserer Gesellschaft, ist Gleichheit nur möglich, wenn die Liebe zwischen zwei Menschen nicht mit zweierlei Maß gemessen wird. Ist Freiheit nur erreicht, wenn Familie und Ehe, keine Frage des Geschlechts, sondern der gelebten Verantwortung füreinander sind. Und Gerechtigkeit nicht mehr nur heißt, Menschen ungeachtet ihrer Religion, Hautfarbe oder ihres Geschlechts gleich und respektvoll zu behandeln, sondern eben auch ungeachtet ihrer sexuellen Identität und Orientierung.

Wie schon bei der US-Bürgerrechtsbewegung oder dem weltweiten Einsatz für Frauenrechte befinden wir uns an einem historischen Wendepunkt. Wieder geht es darum, künstliche Barrieren, die uns voneinander trennen, einzureißen und das Menschsein gemeinsam zu feiern. Es gibt kein Zurück mehr. Das Licht der Aufklärung lässt sich nicht wieder verdunkeln.

Liebe Frau Dr. Merkel, wir sind überzeugt, die Frage der Eheschließungsfreiheit für gleichgeschlechtliche Paare ist schon lange in den Herzen und Köpfen der meisten Menschen in unserem Land beantwortet: Sie wollen die Gleichstellung. Und so laden wir Sie ein, das Mindeste zu tun: Lassen Sie eine freie Abstimmung zur Öffnung der Ehe im Bundestag ohne Fraktionszwang zu. Denn es geht um eine Gewissens- und keine Parteientscheidung."

Selbst wenn sich die christlich-sozial-demokratische Große Koalition derzeit noch nicht dazu äußert: der gesellschaftliche Druck ist immens geworden, die Gleichberechtigung auch in der Ehe einzuführen. Und das auch, wenn und obwohl die katholische Kirche von ihrem untergehenden Schiff weiterhin orakelt, dass dadurch "die Bedeutung von Ehe und Familie als 'Grundpfeiler der Gesellschaft' untergraben" würde.


siehe dazu im hpd auch:
Irland stimmt entschieden gegen seine Oberhirten
Volksabstimmung zur Homo-Ehe - Irischer Frühling!
Das irische Ja eine “Niederlage für die Menschheit”?
Giordano-Bruno-Stiftung unterstützt den Aufruf des LSVD - “Frau Merkel, öffnen Sie die Ehe für alle!”