Der Rundfunkrat des MDR hat zum sechsten Mal seinen im Zweijahresrhythmus vergebenen "Kinder-Online-Preis" verliehen. Der erste Platz ging an kirche-entdecken.de, ein Angebot der Evangelischen Kirchen Bayern und Hannover, das sich an Grundschulkinder richtet. Eine Analyse.
"Hallo, ich bin Kira, die Elster", wird man auf kirche-entdecken.de sogleich willkommen geheißen. Sie begleitet die Besucher der Seite durch die Kirche; Kinder sollen hier den christlichen Glauben und andere Religionen kennenlernen. Warum die Freunde der Gleichnisse dieses Tier ausgewählt haben, ist zwar nicht bekannt, Selbstironie wird aber wohl nicht der Grund gewesen sein.
Das Onlineportal ist eine Mischung aus Browsergame und Infoseite, man kann verschiedene Räume erkunden von der Küsterwerkstatt bis zum Dachboden. In jedem Raum kann man dort vorhandene Dinge anwählen, wodurch sich Infoboxen öffnen. Klickt man auf das Taufbecken, heißt es dort beispielsweise: "Mit der Taufe wird ein Mensch in die christliche Kirche aufgenommen und steht damit unter dem besonderen Schutz von Gott." Im Kindergottesdienst-Raum kann man es sich gemütlich machen und eine Reise in die Zeit der Bibel unternehmen, so die Elster. Da kann man dann einen Bibelfilm anschauen, eine Bibelgeschichte lesen oder ein Bibelspiel spielen.
Man kann basteln und musizieren, im Keller erfährt man etwas über christliche Feiertage, etwa zu Silvester ("Manche versuchen, die Zukunft vorauszusehen. Die Zukunft kennt aber nur Gott. Ihm dürfen Menschen vertrauen.") oder zum Karfreitag ("Er ist vom Gesetz streng geschützt und es dürfen keine lauten, ausgelassenen Veranstaltungen stattfinden"). Der grausame Foltertod, der den vermeintlichen Gottessohn ereilte, wird kindgerecht ausgespart. Was genau es mit dem Kreuz auf sich hat, das überall zu sehen ist, wird lieber nur vage umschrieben. Es ist auch stets leer abgebildet, man will ja keine zukünftigen Kirchensteuerzahler verschrecken. Das "Vaterunser" wird in "einfachen Worten" in einer abgewandelten Variante vorgestellt. Vom "Guten" ist da die Rede, das im Original gar nicht vorkommt.
Auf dem Dachboden bekommen Kinder von Ottmar der Eule Infos über Glaubensinhalte und Bräuche der anderen Weltreligionen: Das Judentum, den Islam, den Hinduismus und den Buddhismus. Dabei wird auch die Beschneidung erwähnt, ohne dass aber erklärt würde, was das ist. Um die Kinder nicht zu sehr zu verwirren, angesichts der vielen einzig wahren Glauben, ist bei der Beschreibung des Islams folgender Satz zu finden: "Einen anderen Gott gibt es nicht. Unser Gott und der Gott der Christen und Juden ist ein und derselbe." Über die Juden als auserwähltes Volk heißt es versöhnlich: "Wir sind deshalb keine besseren Menschen. Wir haben nur mehr Pflichten zu erfüllen."
Besucher können der Elster Kira Fragen zum Christentum stellen, die dann beantwortet werden. Immerhin wird einem fragenden Kind hier gesagt, dass es keine Angst vor der Hölle haben muss und dass "die Angst vor der Hölle (…) nicht Grund dafür sein [sollte], dass man an Gott glaubt". Erfreulich auch: "Ob Du an Gott glaubst oder nicht, das kannst nur Du selber entscheiden, dazu darf dich niemand zwingen." In der "aktuellen Frage zu den fünf Weltreligionen: Kann jeder glauben, was er will?" wird sogar die Möglichkeit gestreift, religionsfrei zu sein: "Manche Menschen verlieren im Laufe ihres Lebens ihre Überzeugung und treten aus ihrer Glaubensgemeinschaft wieder aus. Oder sie fühlen sich von einer anderen Religionsgemeinschaft angezogen. Dann können sie ihre Religion wechseln. Das nennt man konvertieren."
Überall ist von Gott die Rede. Was er ist und wieso es ihn geben sollte, wird nicht erklärt. Er, sie oder es wird als Selbstverständlichkeit behandelt. Glaubensdinge werden als Tatsachen behandelt – aber nur manche. Zu Ostern etwa heißt es: "An Ostern freuen sich Christen in aller Welt, dass Gott seinen Sohn Jesus Christus drei Tage nach dessen Tod wieder zum Leben auferweckt hat. (…) Und warum naschen wir all die leckeren Schokoeier, die der Osterhase für uns versteckt haben soll?"
Ausgezeichnet wurde die interaktive Seite von einer Jury aus sechs Personen: Der Vorsitz hat Heiko Hilker, Selbstständig mit dem Dresdner Institut für Medien, Bildung und Beratung. Früher hatte er nach eigener Aussage "Funktionen in den Massenorganisationen der DDR sowie der SED" inne und saß später als Parteiloser für die Linksfraktion im sächsischen Landtag. Außerdem sind Susanna Erbring vom Referat Kinder-, Jugend- und Familienhilfe des Caritasverbands für das Bistum Magdeburg und Sandro Witt, stellvertretender Bezirksvorsitzender des Bezirks Hessen-Thüringen des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) Teil des Entscheidungsgremiums. Alle drei sind Mitglieder des MDR-Rundfunkrats.
Darüber hinaus waren auch drei externe Experten beteiligt: Sandra Fleischer von der DPFA Weiterbildung GmbH, die sich in zahlreichen wissenschaftlichen Publikationen mit dem Themenfeld Kinder und Medien auseinandergesetzt hat, sowie zwei Vertreter aus der Kindermedien-Branche: Franziska Ziege (Assistentin der Geschäftsführung bei MotionWorks) und Joerg Michel (Geschäftsführer von Kids Interactive).
Letztere Firma hatte für die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) bereits die Spiele-App "Martin Luthers Abenteuer" produziert, auf die gleich auf der Startseite des diesjährigen Gewinners verlinkt wird. Auch am Relaunch von kirche-entdecken.de in den vergangenen zwei Jahren war Kids Interactive beteiligt.
Der mit 2.700 Euro dotierte Preis soll "herausragende publizistische und künstlerische digitale Angebote (…) würdigen, 'die der Förderung des humanistischen Gedankenguts sowie der Würde des Menschen verpflichtet und dabei in besonderer Weise für Kinder und Jugendliche geeignet sind'", heißt es in einer Pressemitteilung der Siegerseite stolz. Die Preisgelder werden von den Gremienmitgliedern des MDR gestiftet, erklärt die öffentlich-rechtliche Medienanstalt.
Die Jury begründet ihre Wahl unter anderem damit, dass kirche-entdecken.de "auf spielerische Art und Weise Wissen über den christlichen Glauben und auch andere Religionen" vermittle und Kreativität und Medienkompetenz fördere.
Auf kirche-entdecken.de gibt es auch den "Träumhimmel". Hier kann jeder seine Wünsche aufschreiben und posten. Mein Wunsch wäre, dass Kinder ohne religiöse Beeinflussung aufwachsen dürfen, bis sie alt genug sind, sich selbstbewusst und kritisch mit Glaubenskonzepten auseinanderzusetzen.
11 Kommentare
Kommentare
Wolfgang am Permanenter Link
Grimms Märchen sind wenigstens Märchen, das Kirchengesülze eine Zumutung. Das ordne
ich ein als Vergewaltigung des kindlichen Geistes. Und er Staat unterstützt so einen Mist.
Thomas B. Reichert am Permanenter Link
Die Elite der religiösen Sozialstrukturen (Kirche) hat die Öffentlich-Rechtlichen schon vor Jahrzehnten unterwandert und sich in Rundfunkrat, Medienproduktion (Tellux Gruppe ...) festgesetzt.
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Und so wird die Grundlüge allen Glaubens, nämlich die Behauptung es gibt einen Gott, wieder in die Köpfe von Kindern gepflanzt.
Das einzige was passiert ist, dass der Mensch danach zum Kirchensteuerzahler gemacht wird.
Auf dieser Lüge, dass es Gott geben würde, und das Angst-machen vor dem ewigen Tod, mit der Lüge, es gäbe ein Leben nach dem Tod, basiert die ganze Macht der Kirchen.
Wie man sieht ist das gesamte Glaubenskonstrukt ein Sammelsurium von Lügen, mit dem einzigen Zweck, Macht über die Menschen zu bekommen und rücksichtslos Reichtum zu horten.
Radix am Permanenter Link
Vielen Dank für diesen informativen Bericht!
Und diese stellen verständlicherweise das eigene System raffiniert und demagogisch dar - Weglassen und Verzerren ist unehrlich, die für sich in Anspruch genommenen moralischen Werte werden konterkariert! Wenn wenigsten bei derlei Aktionen "in der Summe" das Bewusstseinsspektrum der Bevölkerung (unabhängig, ob es um die Anhänger verdummender oder aufklärender Inhalte geht) eine Chance hätte, in seiner prozentualen Verteilung wiedergegeben zu werden! - - - usw. - - -
Hans Trutnau am Permanenter Link
Ein weiterer Aspekt der ganz all-täglichen -gegenwärtigen Pfaffia.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Ich habe mich oft gefragt, wie es aussähe, wenn die Kirchen aufgeben und einsehen, dass ihr Kampf um die dummen Schafe einer Gesellschaft vorüber ist.
So könnte sie aussehen, die stille Kapitulation der Kirchen...
Wolfgang am Permanenter Link
Lieber Bernd
Sie sind ein Witzbold, eine Institution auf 2000 Jahren Lügen aufgebaut gibt doch nicht auf und sieht ein!
Ralf Fischer am Permanenter Link
Die Idee ist doch gut. Ich könnte mir vorstellen, dieser Seite eine Seite "Kirche-neu-entdecken.de" gegenüberzustellen und dabei selbstverständlich auch auf bibliche Geschichten einzugehen.
Epikur am Permanenter Link
Abgesehen von der Irrationalität des Glaubens, finde ich, dass die evangelische Religion gar nicht schlecht erklärt wird. Leider soll die Webseite neue Mitglieder und Kirchensteuerzahler anziehen.
Rene Goeckel am Permanenter Link
Es geht mir nicht in den Kopf, dass derartiges gesellschaftlich nicht geächtet wird. Verglichen mit unserer Elster arbeiten die anerkannten Verbrecherorganisationen wie etwa die Mafia offen und transparent.
Wolfgang am Permanenter Link
Sie sind und bleiben immer Kinder eines imaginären Gottes.