Polen beschwert sich über Tilly-Wagen

Am Rosenmontag fuhren pandemiegerecht acht gewohnt provokante Mottowagen diesmal ohne jubelndes Publikum und einzeln durch Düsseldorfs Straßen. Einer davon thematisierte die De-facto-Abschaffung des polnischen Abtreibungsrechts, was eine Beschwerde des polnischen Konsulats nach sich zog. Wagenbaukünstler Jacques Tilly verteidigt sein Werk.

"Zusammen mit vielen unseren Landsleuten im Rheinland, wissen wir die besondere Karnevalstradition zu schätzen und respektieren den besonderen, auch sozialkritischen Charakter der fünften Jahreszeit am Rhein. (…) Es bleibt klar, dass der Karneval auch in Düsseldorf stets Themen aus der Tagespolitik und der globalen politischen Debatte aufgreift, so will auch die närrische Freiheit, dennoch sollte man stets auch mitbedenken, wen man dadurch auch verletzen könnte."

So heißt es in einem offiziellen Schreiben des Generalkonsulats der Republik Polen in Köln an den Geschäftsführer des Comitees Düsseldorfer Carneval und den Oberbürgermeister von Düsseldorf, das dem hpd vorliegt. "Der katholische Glaube, seine Werte und Symbole spielen nicht nur in meiner Heimat Polen, sondern für viele Menschen weltweit eine besondere Rolle im Leben, insbesondere in unsicheren Zeiten, wie wir sie alle während der Pandemie erleben. (…) Nicht nur in Polen könnten solche Bilder, wie wir sie heute in Düsseldorf erlebten, als verletzend angesehen werden. Bitte bedenken Sie es künftig mit. Wir sind der festen Überzeugung, dass die fünfte Jahreszeit weltweit positive Aufmerksamkeit erregen kann und einfach Spaß machen darf, ohne wiederholt Kontroversen zu suchen."

Der Karnevalswagen zeigt eine das Recht auf Abtreibung symbolisierende Frau, welcher Jarosław Kaczyński, polnischer Vize-Regierungschef und Vorsitzender der PiS-Partei, mit einem Kreuz als Hammer einen Holzpflock ins Herz schlägt. Ende Januar war in Polen eine Verschärfung der Gesetzgebung zum Schwangerschaftsabbruch in Kraft getreten. Der Neuregelung war eine Entscheidung des dortigen Verfassungsgerichts im Oktober vorausgegangen, wonach eine Abtreibung schwer kranker Föten unkonstitutionell sei, da sie unvereinbar mit den Prinzipien der "Würde des Menschen" und des "Schutzes des Lebens" sei. "Selbst Ungeborene mit schwersten Fehlbildungen müssen ausgetragen werden, weil die Ideologie der katholischen Kirche meint, es wäre besser, sie auf die Welt zu bringen, zu taufen und dann zu begraben. Ich finde das menschenfeindlich", sagte Jacques Tilly, Schöpfer des Unmut erregenden Kunstwerks, der Deutschen Presse-Agentur (dpa). "Die Gefühle von Kaczyński hat er [der Wagen, Anm. d. Red.] vielleicht verletzt. In Polen haben sich Thron und Altar wieder zusammengefunden, um Frauen und Frauenrechte zu unterdrücken. Die Abtreibung ist in Polen faktisch abgeschafft." Auf Anfrage der NRZ ergänzte er: "Verletzt werden eher die Frauen in Polen, denen das Recht auf eine Abtreibung genommen wird".

Seine Darstellung sei in der polnischen Presse umfangreich aufgegriffen worden, so Tilly gegenüber dem hpd. Durch die heftigen Reaktionen sieht er sich bestätigt: "Dieser Wagen sollte ja auch treffen, der sollte die Regierung treffen, sollte das Verfassungsgericht treffen und wenn die sich aufregen, dann ist das ein Zeichen, dass das gelungen ist", zitierte der WDR den Künstler. Es sei gut, dass die Karikaturen "da gesehen werden, wo sie gebraucht werden" (NRZ).

Es ist nicht das erste Mal, dass Jacques Tilly sich mit der polnischen Regierung anlegt: "Seit 2016 protestieren wir gegen den Demokratieabbau in Polen durch die Regierungspartei PiS mit inzwischen fünf Wagen", erläuterte der Bildhauer der dpa. Vor fünf Jahren hatte sich sogar der polnische Außenminister empört, der deutsche Regierungssprecher nahm daraufhin die Kunstfreiheit in Schutz. Einige der 3D-Karikaturen fuhren nach dem Karneval als Kundgebungsmittel bei Demonstrationen auch auf Polens Straßen. Auch diesmal ist wieder eine Weiterverwendung durch polnische Bürgerrechtler im Gespräch.

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