Kommentar

Seyran Ateş als "islamophob" verunglimpft

Das queere "Soura Film Festival" zeigte am 22. Oktober die Filmdokumentation "Seyran Ateş: Sex, Revolution and Islam". Eine vorgesehene Podiumsdiskussion über den Film, der die Gründung und Arbeit der Ibn-Rushd-Goethe-Moschee zeigt, wurde kurzfristig abgesagt mit der Begründung, Seyran Ateş solle kein Podium für ihre "islamophoben" Auffassungen geboten werden.

Nachdem die Dokumentation vor ausverkauftem Haus (!) gezeigt worden war, distanzierten sich die Veranstalter zudem von der Filmvorführung, da man einer einseitigen Darstellung kein Sprachrohr leihen wolle. Sie bezeichneten das auf der Bühne abgegebene Statement, dass Seyran Ateş islamophob sei, als richtig, um sich deutlich von der Moscheegründerin zu distanzieren.

Die Kultureinrichtung "Oyun", in deren Räumen die Filmvorführung stattfand, unterstützte die Diffamierung von Seyran Ateş ausdrücklich.

"Islamophob" als Kampfbegriff der islamistischen Szene ist das gängige Totschlagargument, um Kritiker*innen des Islamismus und innerislamische Reformkräfte aus dem öffentlichen beziehungsweise innerislamischen Diskurs zu verbannen und zum Schweigen zu bringen. Diese Kritiker*innen – in islamischen Staaten mit Berufsverboten, Freiheitsentzug und auch der Tötung bedroht – sollen auch in Deutschland nicht zu Worte kommen. Der Arm des Islamismus ist lang und reicht weit in unsere freiheitliche und offene Gesellschaft hinein.

Zu den angeblichen "Verfehlungen" der muslimischen Frauenrechtlerin Seyran Ateş zählen unter anderem das gemeinsame Gebet von Frauen und Männern, der Einsatz von Frauen als Vorbeterinnen in der Moschee, vor allem vor Männern – nach Ansicht ultrakonservativer Islamgelehrter weltweit ein No-Go und gewissermaßen todeswürdig. Weitere "Verfehlungen" sind auch Seyran Ateş' Einsatz für die staatliche Neutralität in Schulen ohne religiöse Symbole, ihr vehementes Eintreten für das Verbot des Kinderkopftuches und anderes mehr.

Ein nicht unerheblicher Teil von Menschen aus der linken und linksliberalen Szene in Deutschland ist bei der Diffamierung von Seyran Ateş und anderen kritischen Muslim*innen sowie Islamreformer*innen stets fest an der Seite der Islamisten zu finden. Diese Leute haben eindeutig ihren politischen Kompass verloren! Sind sie zwar nicht "auf dem rechten Auge blind" – was deutsche Organisationen angeht, sind sie es aber stets auf beiden Augen, wenn es um die Beurteilung islamistisch-nationalistischer Organisationen wie Ditib, Millî Görüş und Ähnlicher geht oder um den Kontakt mit deren Moscheegemeinden. Als Kollaborateure der Islamisten maßen sie sich – als Nichtmuslim*innen – an, zu entscheiden, was islamisch ist und was unislamisch und positionieren sich damit in innerislamischen Auseinandersetzungen auf der Seite und zu Gunsten reaktionärer islamischer und islamistischer Kräfte.

Die Organisation, die die Podiumsdiskussion verhindert und Seyran Ateş und die von ihr vertretene Richtung im Islam verleumdet, die in diesem Fall das Geschäft der Islamisten betrieben hat, wird aus Mitteln des Landes Berlin, somit aus Steuermitteln finanziert. Das gehört überprüft!

Es zeigt sich eine skandalöse Struktur: Nachdem die Organisatoren gegenüber Tugay Saraç (dem Imam der Ibn-Rusdh-Goethe-Moschee) zunächst eine nicht näher beschriebene Bedrohungslage für die Diskussionsveranstaltung als Grund für deren Absage schilderten, mussten sie später dann einräumen, dass es keine Bedrohungen gegen Personen oder den Veranstaltungsort gegeben hatte, sondern Drohungen von Sponsoren der Veranstaltung, denen eine aufklärerische innerislamische Debatte ein Dorn im Auge ist.

Hier ist eine gründliche Aufklärung nötig: Um wen handelt es sich bei den dafür Verantwortlichen? Wer steckt dahinter? Führen die Spuren zu islamistischen Zentren in Ankara, Riad, Teheran und zu deren religiösen Filialen in Deutschland – oder führen sie in die Multi-Kulti-Szene Berlins beziehungsweise gar zu den Behörden, die für die Finanzierung zuständig sind?

Es ist nicht hinnehmbar, dass Diskussionen über einen säkularen und aufgeklärten Islam, in dem es auch veritable Frauenrechte gibt, von dubiosen Hintergrund-Figuren in Berlin unterdrückt werden.

Zum Verständnis: seitens der Al-Azhar-Fatwa-Behörde in Kairo wurde Seyran Ateş bereits vor einiger Zeit zur Nichtmuslimin erklärt. Das kann das Todesurteil bedeuten! Seyran Ateş steht wegen Todesdrohungen unter Polizeischutz. In Deutschland wird ihr gegenüber mindestens verleumderische Ausgrenzung praktiziert – und Teile der linken und linksliberalen Szene unterstützen dies.

Ein derartiges, den Menschenrechten Hohn sprechendes Verhalten gehört in einer freiheitlichen Gesellschaft in die öffentliche Diskussion. Den Feinden der Freiheit muss entschieden entgegengetreten werden, egal woher sie kommen und wer sie sind. Die Glaubens- und Gewissensfreiheit und die Meinungsfreiheit von säkularen und aufgeklärten Muslim*innen muss verteidigt werden. Jetzt und hier.

Eine Rezension zum Film "Seyran Ateş: Sex, Revolution and Islam" findet sich hier.

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