NRW-Kommission für islamischen Religionsunterricht

Kritik an DITIB ist lebensgefährlich

Seit Wochen hagelt es heftige Kritik an der Einrichtung einer Kommission für islamischen Religionsunterricht durch die schwarz-gelbe Koalition in Düsseldorf. Besonderer Stein des Anstoßes ist die Aufnahme von DITIB, der deutschen Außenstelle der türkischen Religionsbehörde Diyanet, in diese Kommission.

Zu den bekanntesten Kritikern gehören die beiden Grünen Cem Özdemir (MdB) und Berivan Aymaz (MdL NRW). Beider Vorfahren stammen aus der Türkei, Berivan Aymaz ist außderdem kurdischer Herkunft. Anders als bei Kritikern wie Volker Beck (Grüne) fackeln die türkischen Behörden und deren gleichgeschaltete Regierungsmedien nicht lange, wenn Politiker*innen mit Wurzeln in der Türkei Kritik an der Politik Erdoğans auch im Ausland üben. Menschen mit Wurzeln in der Türkei werden mit haltlosen Verleumdungen sogar in eine persönlich gefährliche Lage gebracht. Recep Tayyip Erdoğan gibt sie im Wortsinn zum "Abschuss frei". Ist Cem Özdemir für Ankara schon lange einer der bevorzugten "Staatsfeinde", so sieht es jetzt danach aus, dass auch Berivan Aymaz in diese Kategorie aufgenommen worden ist. Und das ist brandgefährlich.

Kritiker*innen mit Wurzeln in der Türkei werden zum Abschuss freigegeben

In einem Artikel der türkischen Zeitung Sabah vom 28. Mai wurde Cem Özdemir als "Türkeifeind" bezeichnet. In besonderem Maße wurde aber gegen Berivan Aymaz gehetzt. Auch sie wurde als "Türkeifeind" bezeichnet; damit aber nicht genug: sie wurde dem Publikum in der Türkei außerdem folgendermaßen vorgeführt: "… die PKK-Sympathisantin und grüne Landtagsabgeordnete Berivan Aymaz …" heißt es bei Sabah. Ein inhaltsgleicher Artikel erschien auch in der Zeitung Yeni Akit vom 30. Mai. Später titelte die Zeitung Sabah Europa mit drohendem Unterton: "Wir kennen dich, Berivan".

"Türkeifeind", "PKK-Sympathisantin" und "Wir kennen dich, Berivan" sind eindeutige Drohungen. Da braucht es nicht viel Fantasie, um zu begreifen, was diese Aufstachelung zum Hass in der politisch extrem polarisierten türkischen Bevölkerung bei den Anhängern von AKP und MHP bedeutet: nämlich "Fertigmachen".

Berivan Aymaz ist der türkischen Regierung ein besonderer Dorn im Auge, ist sie doch bereits in der Vergangenheit wiederholt als Kritikerin von DITIB, AKP und türkischer Regierung aufgetreten und hat sich gegen die Hexenjagd auf die HDP gewandt. Weitere Minuspunkte brachte ihr aus Sicht der türkischen Islamisten und Nationalisten wohl auch ein, dass sie Gründerin der Landesarbeitsgemeinschaft Säkulare Grüne NRW ist und sich für eine säkulare Politik einsetzt.

NRW: Säkulare Initiative verurteilt Hetze gegen Berivan Aymaz

Berivan Aymaz, die jetzt unter Polizeischutz steht, erhielt unterdessen Unterstützung aus linken und linksliberalen säkularen Kreisen in Nordrhein-Westfalen, darunter von Mitgliedern der Säkularen Grünen und der Säkularen Sozialdemokraten. Auch eine neugebildete säkulare Initiative setzt sich für Solidarität mit der grünen Landtagsabgeordneten ein und fordert die Politik zum Handeln auf: In einem Offenen Brief an den NRW-Ministerpräsidenten Armin Laschet sowie die Bildungsministerin und den Innenminister wird gefordert: "Der deutsche Rechtsstaat muss gewährleisten, dass unsere Politikerinnen und Politiker sich frei äußern können, ohne dass Medien anderer Staaten dies durch Diffamierungen und Einschüchterungsversuche zu verhindern versuchen."

Offener Brief an Laschet: Zusammenarbeit mit DITIB sofort beenden

In dem Offenen Brief (siehe Anlage unter diesem Artikel), der auf viel Zustimmung von Menschen mit Migrationshintergrund stieß, heißt es weiter: "Wir fordern die Landesregierung auf, die Zusammenarbeit mit DITIB auf allen Ebenen und in allen Bereichen sofort zu beenden und damit ein klares Signal in die Türkei zu senden. Deutschland ist weltoffen und wir akzeptieren keinen Fundamentalismus, der unsere Demokratie zu untergraben versucht."

Die Initiator*innen des Offenen Briefes schreiben Klartext, was die politisch gefährliche Dimension von DITIB angeht: "Wer die nationale Gefahr durch die AfD bekämpft, jedoch mit einem ähnlich gefährlichen Verband wie DITIB paktiert, nimmt wohlwissend eine Gefahr für unsere Demokratie in Kauf. Wir verlangen von der Landesregierung DITIB aus der Kommission zu entlassen und nicht mehr in künftige Kommissionen oder sonstige Strukturen mit aufzunehmen."

Alle demokratischen Parteien auf dem islamistischen Auge blind?

Sind es nach landläufiger Meinung im Allgemeinen und im Besonderen die Grünen und die Linke, die islamistische Gefahren verharmlosen oder gar leugnen sowie die konservativ-orthodoxen Spielarten des Islam in Deutschland gegen die große Mehrheit der hier lebenden Muslim*innen zu einer Art Staatsislam befördern, so zeigt sich in NRW, dass es bei CDU und FDP nicht grundlegend anders aussieht. Auch bei diesen beiden Parteien sind Beschwichtigungen und Verharmlosungen gegenüber dem Erdoğan-Regime und seinen Helfershelfern in Deutschland an der Tagesordnung. Laschet will gar wissen, dass es jetzt eine "Staatsferne" von DITIB gebe, da der nordrhein-westfälische Landesverband und seine Regionalverbände durch eine Satzungsänderung eine Unabhängigkeit von Ankara sichergestellt hätten. Volker Beck hat dem Kanzlerkandidaten der Union zu Recht "völlige Naivität" attestiert.

Seit Jahren wird Nordrhein-Westfalen wie kein anderes Bundesland von Lobbyisten der AK-Partei und den Grauen Wölfen gezielt unterwandert. Laschet selbst ignoriert beharrlich diese Entwicklung und befördert sie mit seiner jetzigen Entscheidung sogar.

Laschets Kotau vor Erdoğan

Die Entscheidung der Landesregierung, mit dem Verein DITIB für einen Islamunterricht in den Schulen zusammenzuarbeiten, ist nichts anderes als ein Kotau vor dem türkischen Präsidenten.

Armin Laschets Haltung lässt befürchten, dass er als Bundeskanzler einen unkritischen Appeasement-Kurs gegenüber der türkischen Führung und ihren Paladinen hierzulande fahren wird. Dabei wäre es höchste Zeit, dass sich die deutsche Außenpolitik gegenüber der Türkei neu aufstellt und damit aufhört, sich beständig erpressen zu lassen. Laschets Demutsgehabe gegenüber Erdoğan ist eine politische Geisterfahrt in die falsche Richtung.

In NRW aber muss dieses Konstrukt für die konservativ-orthodoxe und islamistische Einflussnahme auf den islamischen Religionsunterricht umgehend aufgelöst werden. Damit muss endlich Schluss sein.

Trotz staatlicher Unterstützung: islamistische Indoktrination kommt nur bei Minderheit an

Von fast 440.000 muslimischen Schüler*innen in Nordrhein-Westfalen nehmen lediglich etwa 20.000 am islamischen Religionsunterricht teil. Dies ist ein gutes Zeichen, gelingt den Verbänden damit ganz offensichtlich kaum der Zugriff auf die Kinder. Den politischen Parteien sollte klar sein, dass hier gewissermaßen eine Abstimmung "mit den Kinderfüßen" stattfindet und die Kungelei von Laschet & Co. mit den reaktionären Islamverbänden an der Lebensrealität der großen Mehrheit der Muslim*innen in NRW vorbeigeht.

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