Selbstbestimmungsgesetz

Wann ist eine Frau eine Frau?

Die Bundesregierung möchte das Transsexuellengesetz in Kürze durch ein neues Selbstbestimmungsgesetz ablösen. Mit ihm soll die Diskriminierung von Trans- und Intersexuellen beendet werden. Doch gegen das Gesetz regt sich Widerstand, weil hierdurch auch neue Probleme geschaffen werden.

Eigentlich scheint es doch ganz einfach zu sein: Eine Trans-Frau ist eine Frau, ein Trans-Mann ein Mann, schließlich muss jeder Mensch selbst am besten wissen, welchem Geschlecht sie oder er angehört. Wer kann einem in die eigene sexuelle Identität hineinreden? Wenn also jemand darauf besteht, eine Frau zu sein, lässt sich dem eigentlich nicht widersprechen – das sagt das Bundesverfassungsgericht und das meinen jene, die das geplante Gesetz der Bundesregierung zur Selbstbestimmung befürworten. Wenn es kommt, kann jeder Mensch das Geschlecht auf dem Standesamt eintragen lassen, dem sie oder er sich zugehörig fühlt, alle Jahre wieder.

Das Gesetz soll die Forderung transsexueller und intersexueller Menschen erfüllen, entsprechend ihrer sexuellen Identität behandelt zu werden, unabhängig vom biologischen Geschlecht. Diese Forderung klingt in einer Gesellschaft, in der die Würde und die Freiheit des Individuums zu den höchsten Werten gehören, selbstverständlich. Doch sie hat in Deutschland und anderen Ländern zu heftigen Diskussionen geführt. Diskussionen voller Missverständnissen, Fehlinformationen, Verständnislosigkeit, Ablehnung, sogar Hass.

Wenn eine Trans-Frau eine Frau ist, was ist dann eine Frau?

Das hängt damit zusammen, dass es um eine essenzielle Frage geht: Wenn eine Trans-Frau eine Frau ist (Trans-Männer und Männer sind ab hier mitgemeint), was ist dann eine Frau?

Die Befürworterinnen und Befürworter des geplanten Gesetzes finden die Antwort simpel: Ob jemand Merkmale trägt, die biologisch weiblich oder männlich sind – also primäre Geschlechtsorgane, eine Gebärmutter, Menstruation, Penis und Hoden – darf keine Rolle bei der Geschlechtsbestimmung spielen, weil sonst Trans-Frauen und Trans-Männer diskriminiert werden. Menschen, die menstruieren – was biologisch ein weibliches Merkmal ist – sind Männer, wenn sie sich dazu erklären. Und "ein Penis ist nicht per se ein männliches Sexualorgan", meint etwa die Trans-Frau und Bundestagsabgeordnete der Grünen Tessa Ganserer. Entscheidend soll also ausschließlich das "soziale Geschlecht" (Gender) beziehungsweise die sexuelle Identität sein.

Das führt zu der Frage, was die weibliche Identität dann eigentlich ist und wie sie sich von der männlichen unterscheidet. Wenn es nicht die Biologie ist, sind es dann etwa Geschlechterrollen, Geschlechtsstereotype, nach denen sich Menschen selbst und gegenseitig einem Geschlecht zuordnen? Gegen diese Vorstellung kämpfen Feministinnen seit Jahrhunderten an, und auch Befürworterinnen und Befürworter des geplanten Gesetzes haben vermutlich ein Problem damit.

Doch wenn jede und jeder sich selbst als das eine oder andere definieren darf, aber niemand mehr klar sagen kann, was gemeint ist – dann haben wir ein Problem. Denn dann wird das "Geschlecht" beliebig. Die Begriffe Frau und Mann verlieren ihre Bedeutung. Die Kategorien lösen sich letztlich auf.

Andererseits wollen Trans- und Intersexuelle sich selbst meist einem der zwei Geschlechter zuordnen. Damit stehen sie letztlich vor demselben Problem wie fast alle anderen Menschen in der Gesellschaft, die sich ebenfalls bewusst als Frauen oder Männer betrachten – ob nun heterosexuell, schwul, lesbisch. Die Frage ist nun: Wovon reden wir? Das ist ein Dilemma, das das Gesetz nicht löst, sondern das es über Paragrafen in neue Dimensionen verschiebt.

Zornige Feministinnen

Diese Entwicklung verärgert viele Menschen, gerade auch Frauen, die sich in ihrer eigenen sexuellen Identität als Frau infrage gestellt sehen, wenn biologisch männliche Menschen sich über eine Selbstdefinition zu Frauen wie sie selbst erklären können. Für sie stellt sich die Frage, für wessen Rechte sie eigentlich kämpfen, wenn nicht mehr klar ist, was eine Frau überhaupt ist.

Zudem verweisen sie auf praktische Probleme im Alltag. Dürfen biologische Männer, die sich zu Frauen erklären, nun Räume aufsuchen, von denen etliche biologische Frauen wollen, dass sie ihnen selbst vorbehalten bleiben? Frauenhäuser, Frauentoiletten, Frauenduschräume, Frauensaunen, Frauengefängnisse. Und was ist mit Frauenquoten?

Feministinnen, die die Bedeutung des biologischen Geschlechts nicht aufgeben wollen, werden von denen, die für mehr Rechte für Transsexuelle eintreten, als "transphob" und als "Terf" (Trans ausschließende Radikal-Feministinnen) diffamiert. Passiert ist das etwa Alice Schwarzer, die viel Hass auf sich gezogen hat. Auch die österreichische Grüne Faika El-Nagashi wird entsprechend beschimpft. Die britische Philosophin Kathleen Stock wurde aus ihrem Lehrstuhl an der University of Sussex gemobbt. Und die britische Harry-Potter-Autorin J. K. Rowling gilt manchen sogar als "Terf-Ikone". Sie hat auf Twitter abgelehnt, für biologische Frauen den Begriff "Menschen, die menstruieren" zu akzeptieren, damit Transsexuelle sich ohne Einschränkung als Frau bezeichnen können. Diesen Feministinnen wird sogar der Schulterschluss mit Rechten und Ultra-Religiösen vorgeworfen, weil aus deren Reihen ebenfalls Kritik an den Forderungen von Transsexuellen zu hören ist. Ein Vorwurf, der angesichts der politischen Grundpositionen nicht nur falsch, sondern unredlich ist.

Wer darf bestimmen, was eine Frau ist?

Letztlich wird hier um die Frage gekämpft, wer bestimmen darf, was es bedeutet, eine Frau zu sein. Wird es einer Minderheit und ihren Unterstützern überlassen, die bisher weitgehend akzeptierte Definition der Geschlechter vor allem anhand des biologischen Geschlechts abzuschaffen? Müssen biologische Frauen mit weiblicher sexueller Identität akzeptieren, dass letztlich biologische Männer festlegen, was es bedeutet, eine Frau zu sein – und dass es dazu keines weiblichen Körpers bedarf? Viele Feministinnen aber – und vermutlich die meisten Menschen, die ihre sexuelle Identität mit dem biologischen Geschlecht als kongruent erleben und das für relevant halten – wollen an der bisherigen Definition festhalten: Eine Frau ist eine biologisch weibliche Erwachsene.

Bislang ist es für die allermeisten Menschen in fast allen Fällen entsprechend einfach gewesen, zu entscheiden, was ein weiblicher oder männlicher Mensch ist, und ob sie selbst das eine oder andere sind. Schließlich ist das für eine Art, die sich geschlechtlich fortpflanzt, von einer gewissen Bedeutung. Und das wird in Zukunft ohne Zweifel so bleiben.

Aber um dem biologischen Geschlecht die Bedeutung zu nehmen, wird von manchen nun behauptet, die biologische Zweigeschlechtlichkeit des Menschen selbst sei nur eine fragwürdige Übereinkunft alter Biologen, die inzwischen von neuen Erkenntnissen überholt sei. Heute sei es Konsens in der Biologie, so heißt es, dass es mehr gebe als zwei biologische Geschlechter. Nachdem "Frau" also gesellschaftlich betrachtet ein Geschlecht sein soll, dem jeder Mensch sich nach dem eigenen Gefühl zuordnen kann, wird versucht, auch die biologische Kategorie "weiblich" verschwimmen zu lassen; dem biologischen Geschlecht soll seine Bedeutung genommen werden. Um das zu erreichen, werden biologische und medizinische Erkenntnisse teils verzerrt und teils sogar falsch dargestellt.

Wie viele biologische Geschlechter?

Die Aussage, der Mensch sei zweigeschlechtlich, ist auf biologischer Ebene nicht nur eine Übereinkunft zwischen Fachleuten. Es ist keine Übereinkunft oder eine Definitionssache, dass der Homo sapiens sich über genau zwei Geschlechter fortpflanzt. Genauso wenig wie es eine Übereinkunft ist, dass eine Evolution stattgefunden hat oder dass der Mensch Sauerstoff zum Atmen braucht. Das sind empirisch gewonnene Erkenntnisse, die nicht bezweifelt, sondern nur immer detaillierter erforscht werden.

Stand des biologischen Wissens ist: Menschen benötigen zur natürlichen Fortpflanzung ein männliches Geschlecht, das kleine Gameten (Spermien), produziert, und ein weibliches für große Gameten (Eizellen). Dieses System, das bei den meisten Eukaryonten (Mehrzeller mit Zellkern) vorkommt, wird als Anisogamie bezeichnet.

Wer heute in der Biologie oder Medizin von "mehr" als zwei biologischen Geschlechtern spricht, meint nicht, dass es weitere Geschlechter gibt. Es gibt aber Menschen, die sich keinem der beiden biologischen Geschlechter eindeutig zuordnen lassen, weil sie aufgrund von Abweichungen in der komplizierten Geschlechtsentwicklung mehr oder weniger weit ausgebildete Geschlechtsorgane beider Geschlechter tragen. Geschlechtlich gesehen sind diese Individuen Mischformen, die fast immer unter Unfruchtbarkeit leiden. Können sie doch Kinder bekommen, können sie nur entweder die Rolle des weiblichen oder männlichen Geschlechts übernehmen. Diese als "Intersexuelle" bezeichneten Menschen stehen also innerhalb des binären Systems, sie sind ein Teil davon, sie lösen es nicht auf. Das hat selbst die Wissenschaftsjournalistin Claire Ainsworth bestätigt, auf deren berühmten Artikel in Nature aus dem Jahre 2015 häufig hingewiesen wird, um zu belegen, dass es "mehr" als zwei biologische Geschlechter gebe.

Männliche Frauen, weibliche Männer?

Häufig wird jedoch von einem Spektrum bei den Geschlechtern gesprochen. Dabei müssen allerdings zwei Ebenen getrennt betrachtet werden: Weibliche und männliche Menschen unterscheiden sich zum einen in einer Reihe von Merkmalen, die für die geschlechtliche Fortpflanzung essenziell sind: Sie besitzen entweder Eierstöcke und eine Gebärmutter oder aber Hoden. Diese primären Geschlechtsmerkmale zeigen nach einer ungestörten Entwicklung eine gewisse Vielfalt in ihrer jeweiligen Ausprägung, lassen sich aber eindeutig einem der zwei Geschlechter zuordnen. An der Anisogamie kommt niemand vorbei.

Es gibt außerdem etliche Merkmale, die aufgrund evolutionärer Anpassungen eher typisch für das eine oder andere biologische Geschlecht sind, aber nicht ausschlaggebend für die Fortpflanzung. Dazu gehören etwa das Verhältnis der Breite von Becken- zu Schultergürtel, Körpergröße, Gesichtsbehaarung, Unterhautfett, Muskelmasse. Innerhalb des jeweiligen Geschlechts können diese Merkmale stark variieren, so dass es große Überschneidungen zwischen den Geschlechtern gibt. Frauen können größer sein als der durchschnittliche Mann, Männer können schmale Schultern haben. Die Ausprägung dieser Merkmale jeweils für sich genommen lässt sich deshalb nicht zur Geschlechtsbestimmung nutzen. Aber auch eine große biologische Frau ist eine Frau, ein Mann mit schmalen Schultern ein Mann. Es gibt also zwei Geschlechter, es gibt Intersexuelle, die keine eigene Kategorie bilden, und es gibt ein Spektrum auf der Ebene der jeweiligen Ausprägungen der Merkmale. Das ist der biologische Stand der Erkenntnis.

Menschen sind weder Clownfische noch Wimpertierchen

Um weitere Zweifel an den biologischen Grundlagen der Definition von weiblich und männlich zu säen, wird immer wieder darauf hingewiesen, dass es angeblich auch andere Formen gibt. Zwitter zum Beispiel. Allerdings bilden auch diese kein drittes Geschlecht. Sie besitzen lediglich primär männliche und weibliche Geschlechtsorgane nebeneinander (keine Zwischenformen davon). Das heißt, sie vereinen das binäre System in sich, ohne es zu verlassen. Eingeschlechtliche Fortpflanzung kommt vor, dabei sind es allerdings immer Weibchen, die Nachwuchs produzieren. Auch ein Geschlechtswechsel wie beim Clownfisch sprengt das System nicht. Männchen wechseln unter bestimmten Bedingungen ins andere biologische Geschlecht und bleiben dann Weibchen. Auch Clownfische kennen also nur zwei Geschlechter.

Was ist mit dem häufigen Hinweis auf die sieben "Geschlechter" bei Wimpertierchen? Es handelt sich hier um Einzeller, die sieben "Mating Types" (Paarungstypen) aufweisen – sieben Typen, deren Vertreter bei einer sogenannten Konjugation über eine Plasmabrücke untereinander Erbgut austauschen, und sich danach, jeder für sich, durch Zellteilung vermehren. Wer das vergleicht mit der geschlechtlichen Fortpflanzung der Mehrzeller, macht sich lächerlich. Wer versucht, aus solchen Beispielen Schlüsse auf die Flexibilität im menschlichen Fortpflanzungssystem zu ziehen, um die Rechte von Transsexuellen zu stärken, betreibt nichts anderes als Biologismus.

Aber manche Fachleute sagen doch...

Unter den wenigen Fachleuten, die in der Diskussion um die Zweigeschlechtlichkeit immer wieder zitiert werden, sticht die US-Biologin Anne Fausto-Sterling hervor, die bereits in den 90er Jahren auf die komplexe Entwicklung des Geschlechts hingewiesen hat. Ihre daraus abgeleitete Forderung, intersexuelle Personen in drei weitere "Geschlechter" einzuteilen, hat sich in der Fachwelt allerdings nie durchgesetzt, es scheitert an der biologischen Realität der Anisogamie. In Deutschland werden gelegentlich der Sexualwissenschaftler Heinz-Jürgen Voß, ein diplomierter Biologe, und die promovierte Biologin und Geschichtsprofessorin Kerstin Palm zitiert. Beide vermischen in ihren Beiträgen allerdings konsequent Gender und sexuelle Identität mit dem biologischen Geschlecht und Intersexualität.

Über die Medien allerdings gelingt es Aktivistinnen und Aktivsten, unterstützt eher von sozialwissenschaftlichen als von naturwissenschaftlichen Fachleuten, Druck auf Universitäten und Fachjournale auszuüben. Diese wollen inzwischen unbedingt vermeiden, als transphob oder frauenfeindlich dazustehen. So kommt es, dass selbst in manchen wissenschaftlichen Veröffentlichungen bei Tieren von "Gender" geschrieben wird, wenn es um Sexualverhalten geht und eigentlich "Sex" gemeint ist. Manche Fachzeitschriften deuten außerdem in jüngster Zeit über Editorials und Richtlinien ebenfalls darauf hin, dass es mehr als zwei Geschlechter gebe, wobei es hier allerdings darum geht, niemanden wegen der sexuellen Identität zu diskriminieren, und nicht um das biologische Geschlecht. Die Studien, die sie veröffentlichen, weisen dagegen immer häufiger ausgerechnet auf die Bedeutung der zwei biologischen Geschlechter hin – etwa weil weibliche und männliche Körper große Unterschiede aufweisen und deshalb medizinisch getrennt studiert und unterschiedlich behandelt werden sollten.

Neben diesen grundsätzlichen Punkten gibt es noch weitere Aspekte in der Diskussion um die Rechte von Trans- und Intersexuellen.

Problematische Altersregelungen

Das von der Bundesregierung geplante Gesetz sieht vor, dass Kinder unter 14 Jahren sich selbst auf ein Geschlecht festlegen können, das Sorgeberechtigte dann beim Standesamt eintragen lassen können. Ab 14 Jahren kann der Nachwuchs das selbst erledigen. Sind die Sorgeberechtigten dagegen, entscheidet ein Familiengericht (!). Nach einem Jahr lässt sich der Eintrag erneut ändern. Diese Regelungen sollen dem Nachwuchs entgegenkommen, denn die sexuelle Identität entwickelt sich über die Jahre, und welchem Geschlecht sich ein Kind zugehörig fühlt, kann sich ändern. Aber braucht es tatsächlich ein so weitgehendes Gesetz?

Genderdysphorie – also das Gefühl, in einem Körper mit dem falschen Geschlecht zu stecken – ist kein Hirngespinst. Das muss vielen Kindern in unserer Gesellschaft – und auch vielen Erwachsenen – vielleicht noch beigebracht werden. Kritik gibt es jedoch daran, dass Kindern der Eindruck vermittelt wird, das Geschlecht wäre etwas, das man sich einfach aussucht. Gerade das geplante Gesetz unterstützt diese Vorstellung. Aber so einfach ist es nicht. Am Ende der Entwicklung stimmt die sexuelle Identität fast immer mit dem biologischen Geschlecht, das bei der Geburt identifiziert wird, überein. Darüber sollte mit den Kindern dann auch gesprochen werden.

Gerade die Unsicherheit in der Geschlechtsidentität bei Kindern macht den Einsatz von sogenannten Pubertätsblockern attraktiv, die die Entwicklung des Körpers bremsen können, bis jemand alt genug ist für eine endgültige Entscheidung. Das klingt vernünftig, vor allem, wenn jemand erwägt, mit Hormonen und Operationen den Körper weiblicher oder männlicher zu machen. Die Mittel selbst sind aber auch nicht ohne Nebenwirkungen. Auch das ist ein Grund, nicht den Eindruck zu vermitteln, Genderdysphorie wäre ein häufiges Phänomen. Wie häufig es tatsächlich ist – und ob die bisherigen Zahlen zu niedrig angesetzt waren, weil viele Menschen sich nicht dazu bekannt haben – ist nicht klar. Es lässt sich aber auch nicht einfach abtun, dass Kinder und Jugendliche unter dem Eindruck der Peer Group, der Medien oder bestimmter Vorbilder zu der festen Überzeugung kommen können, im falschen Körper zu stecken, während sie tatsächlich noch in der Entwicklung ihrer sexuellen Identität stecken.

Schutzräume und Sport

Das Gesetz führt auch zu praktischen neuen Problemen, wenn biologischen Männern der Zugang zu Räumen erlaubt wird, die eigentlich Frauen (nach dem bisherigen Verständnis) vorbehalten waren. Das ist kein hypothetisches Problem: Es gibt bereits seltene Fälle, in denen Trans-Frauen in Frauengefängnissen in den USA und Großbritannien Frauen vergewaltigt haben. Die Sorge der "Terfs" ist demnach kein reines Hirngespinst.

Kompliziert wird es, wenn biologische Frauen im Sport in Konkurrenz mit Trans-Frauen treten sollen. Es war bisher schon schwierig, zu entscheiden, wie körperliche Vorteile von Intersexuellen, die sich als Frauen identifizieren, durch bestimmte Behandlungen auf ein faires Niveau verringert werden können. Nun kommen Trans-Frauen dazu. Und es gibt erste Fälle, wo Trans-Frauen, die als Männer im Leistungssport zuvor nicht besonders aufgefallen sind, im Wettkampf mit biologischen Frauen Siege einfahren. In den USA wird dazu etwa der Fall der Schwimmerin Lia Thomas diskutiert. So wichtig es Trans-Frauen ist, als Frau im Sport nicht gegen andere biologische Männer antreten zu müssen, sondern gegen biologische Frauen, so unfair dürfen es auch biologische Frauen finden, wenn die Konkurrenz nun auch aus biologischen Männern besteht – auch wenn diese mit Hormonen behandelt wurden und werden. Das ist noch kein Zeichen für Transphobie oder Hass.

Und nun?

Das neue Gesetz soll Trans- und Intersexuellen das Recht verschaffen, als die Menschen akzeptiert zu werden, die sie sind. Das sollte in einer modernen Gesellschaft selbstverständlich sein. Aber die Politik hinter dem geplanten Gesetz gibt die Definitionshoheit darüber, was eine Frau oder ein Mann ist, in die Hände einer kleinen Minderheit, während die Mehrheit vor dem Problem steht, dass ihre nach wie vor gut begründete biologische Definition nicht mehr gelten soll.

Es wäre schön, wenn es die einfache Lösung gäbe, die das Gesetz vortäuscht, um die Diskriminierung von Transsexuellen zu beenden. Aber die gibt es nicht. Die Gesellschaft kann es nicht ändern, dass Transsexuelle "im falschen Körper" stecken – auch nicht, indem sie behauptet, es gebe keinen Zusammenhang zwischen biologischem Körper und sexueller Identität. Es gibt – aufgrund der menschlichen Evolution – diesen Zusammenhang. Es gibt nur eben – wie immer in der Evolution – auch Ausnahmen von der Regel.

Es ist selbstverständlich, dass diese Gesellschaft Transsexuellen das Recht auf ihre sexuelle Identität nicht einschränken darf. Es ist auch weitgehend Konsens, dass es leichter sein muss, medizinische Eingriffe zur Geschlechtsangleichung vorzunehmen, wenn die Betroffenen alt und reif genug für eine solche extrem folgenreiche Entscheidung sind. Aber so bitter es für die Betroffenen ist: Der Konflikt lässt sich wahrscheinlich nur überwinden, wenn sie dort weiterhin Einschränkungen akzeptieren, wo andere Frauen sich in ihren Rechten und Ansprüchen auf sexuelle Identität und auf Schutz verletzt fühlen: Frauen, für die zum Frau-Sein die entsprechende Biologie dazugehört. Beide Seiten empfinden es als Zumutung, was die andere Seite fordert. Aber ohne den Versuch, beide Seiten zu verstehen, und vor allem ohne Kompromisse wird es keine Lösung geben.

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