Ein Glaube bleibt ein Glaube

Jede Religion erhebt den Anspruch, den wahren Glauben zu vertreten. Doch ein Glaube kann nie wahr sein. Zum Glück.

Die Welt ist ein Flickenteppich aus religiösen Gruppierungen. Vom Mond aus betrachtet ist unser Planet nicht nur blau, sondern so richtig bunt. Denn alles, was Menschen sich wünschen und was sich denken lässt, können wir auf wundersame Weise in ein spirituelles oder religiöses Konzept gießen. Fast alles.

So entsteht eine bunte religiöse Vielfalt. Eine vielfältige Diversität! Für jede und jeden etwas. Da bleiben keine Wünsche offen, keine Sehnsucht muss ungestillt bleiben. Was für eine glückliche Menschheit, müsste man denken.

Die Verpackung ist reizvoller als der Inhalt

Doch wie so oft ist die Verpackung reizvoller als der Inhalt. Der Grund: Jede Glaubensgemeinschaft und jeder religiöse Führer nimmt für sich in Anspruch, Gralshüter des einzig wahren Glaubens zu sein. Da beginnt die Krux.

Da die Wahrheit bekanntlich nicht relativiert werden kann oder teilbar ist, liegen alle falsch. Mindestens fast alle. Denn es ist theoretisch möglich, dass eine Gruppe den Sechser im Lotto gezogen hat und richtig liegt. Doch auch die Wahrscheinlichkeit, dass eine Glaubensgemeinschaft den "richtigen Gott" gefunden hat, ist winzig.

Und wenn wir Pech haben, ist diese "wahre Glaubensgemeinschaft" ein kleines Splittergrüppchen aus (Recht-)Gläubigen. Das wäre dann eine sehr kleine Minderheit, gemessen an den rund acht Milliarden Erdenbürgern. Sollte dieses Grüppchen zu allem Überfluss eine Sekte in einer islamistischen Weltregion sein, könnte die Gemeinschaft verboten werden oder ihre Mitglieder umgebracht. Somit würde der wahre Glaube wieder verschwinden.

Fazit: So wie die Wahrheit nicht teilbar ist, ist auch unsicher, ob sie sich durchsetzen könnte.

Wie auch immer: Viele Gruppen mit unterschiedlichen Wahrheiten auf engem Raum vertragen sich erfahrungsgemäß schlecht. Das kann zu einem Dichtestress führen und Konflikte hervorrufen. Denn es liegt im Wesen von Glaubensgemeinschaften, dass sie für ihre "Wahrheit" kämpfen.

Was ja logisch und verständlich ist. Schließlich möchte man die gesamte Menschheit teilhaben lassen an der "Wahrheit".

Gäbe es die reine Wahrheit und würden alle Menschen diese erkennen, wäre die Welt friedlich. Es würde für alle reichlich Milch und Honig fließen. Da aber die Zehntausenden von religiösen und politischen Führern, Gruppen und Gemeinschaften einen erbitterten Wettbewerb um die wahre Wahrheit und die Vorherrschaft ausfechten, ist unsere Welt zum Tollhaus geworden. Dabei liefern sie den Beweis, dass die proklamierten religiösen Wahrheiten ein Mythos sind.

Deshalb wäre ein wenig Bescheidenheit der Religionsführer und Gläubigen angebracht und sinnvoll. Dann könnten sie eingestehen, dass Glaube nie wahr sein kann. Weil Glaube eben Glaube ist. Und bleibt. Sogar der Glaube an Gott bleibt ein Glaube. Wer sich dies eingestehen kann, wird tolerant und immun gegen die Radikalisierung. Und hilft, das Leid auf der Erde zu mildern.

Übernahme mit freundlicher Genehmigung von watson.ch.

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