Polen hat – trotz gegenteiliger Versprechungen der neuen Regierung – noch immer eines der rigidesten Abtreibungsgesetze Europas. Seit 1993 fahren Frauen, die eine ungewollte Schwangerschaft beenden wollen, auch nach Deutschland, um sich ärztliche Hilfe zu holen. Das könnte durch die aktuelle Entwicklung jetzt gefährdet werden.
Wie der rbb berichtet, wird im polnischen Szczecin (Stettin) gegen die Leiterin der Gynäkologie im Krankenhaus Prenzlau (Uckermark) ein Gerichtsverfahren am Amtsgericht eröffnet. Hintergrund ist, dass die Ärztin Maria Kubisa in diesem Krankenhaus auch polnische Frauen betreut. Das ist für die Staatsanwaltschaft in Stettin Grund genug, Kubisa nach Paragraf 152 des polnischen Strafgesetzbuches bis zu drei Jahre Haft anzudrohen.
Die Ärztin soll für Taten, die sie in Polen begangen haben soll, vor Gericht kommen: "Die Staatsanwaltschaft wirft Maria Kubisa sechs Straftaten vor, die darin bestehen, dass sie aufgrund finanzieller Vorteile den schwangeren Frauen beim Schwangerschaftsabbruch geholfen hat..."
Die Ärztin bestreitet die Vorwürfe der Bereicherung. Laut rbb habe es mehrere Situationen in der Pandemiezeit gegeben, in denen schwangere Frauen in Polen wegen geschlossener Apotheken und Krankenhäuser kaum Hilfe bekommen hätten. "Sie schwebten in Lebensgefahr."
Polen – ein Staat, dessen Gerichte Strafen verhängen, weil man Zugriff auf die "Pille danach" gewährt, der 14-Jährigen Mädchen nach einer Vergewaltigung die Abtreibung verwehrt und bewusst den Tod von Frauen in Kauf nimmt, damit religiös determinierte Gesetze Bestand haben; solch ein Staat hat kein Problem damit, Ärztinnen und Ärzte vor Gericht zu zerren, die das Leid von Frauen mildern wollen.
So verfolgt die Stettiner Staatsanwaltschaft auch den Mediziner Janusz Rudzinski, der aus Schwedt/Oder unter anderem auch polnische Frauen über Schwangerschaftsabbrüche informiert und Termine im Krankenhaus Prenzlau vermittelt. "Nirgendwo in Europa gibt es solche Gesetze, nur in Polen. Die Polen halten sich für sehr fortschrittlich, modern usw. Aber das ist nicht wahr", sagte der 85-jährige Arzt dem rbb. Er bezeichnet das seit 1993 geltende polnische Abtreibungsverbot, das 2020 von der Vorgängerregierung unter der rechtsnationalen PiS-Partei verschärft wurde, als "mittelalterlich".
4 Kommentare
Kommentare
G.B. am Permanenter Link
Genau so mittelalterlich wie es heute noch die Kirchen sind, müssen die Frauen in Polen darunter leiden, daß es keine freiheitliche Entscheidung für den eigenen Körper gibt, so wird Freiheit unterdrückt, im Namen eine
Wie lange muss sich die Menschheit diese Gängelei noch gefallen lassen??
Tim Mangold am Permanenter Link
Unfassbar was sich hier mitten in Europa abspielt. Dass man wirklich glaubt man könne Frauen die Abtreibung verbieten ist eine reine Schande. Für einen imaginären Gott werden Menschen real geschädigt.
==warrior_of_re... am Permanenter Link
Es ist doch bemerkenswert, wie sehr man sich ueber Abtreibungsgegner in den USA aufregt, waehrend in Teilen Europas Abtreibung noch sehr erschwert, erst seit diesem Jahrhundert ueberhaupt legal oder sogar nach wie vor
In vielen Laendern Lateinamerikas, aber auch in auch Ungarn, laesst man sich von den Amerikanern inspirieren und macht das Thema zum Teil eines Kulturkampfes. Unglaublich daemlich, und dafuer bekommt man auch mehr Verbote bei anderen wichtigen Themen wie Leihmutterschaft, Embryo-Selektion oder In-Vitro-Fleisch.
Rene Goeckel am Permanenter Link
Unerwünschte Kinder haben schlechtere Aussichten auf Bildung und somit auf ein zufriedenes, sorgloses Leben. Genau das ist die Geschäftsgrundlage der Kirche. Zufriedene Menschen brauchen keine Kirche.