Der Nachteil, für die Kirche zu arbeiten

Die Arbeitnehmerrechte in von kirchlichen Trägern geführten Krankenhäusern werden weiter geschwächt. Davor warnt der Marburger Bund, die Vertretung von Ärztinnen und Ärzten.

Er ist alt und verhallt doch immer wieder ohne Reaktion: Der Ruf nach Geltung der allgemeinen arbeitsrechtlichen Regelungen auch für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von kirchlich geführten Unternehmen. Mit dem Ende der Ampel-Koalition ist nun auch der ohnehin schon schwächliche Vorsatz aus dem Koalitionsvertrag Geschichte. Heißt es dort doch: "Gemeinsam mit den Kirchen prüfen wir, inwiefern das kirchliche Arbeitsrecht dem staatlichen Arbeitsrecht angeglichen werden kann." Aber nicht mal zu einer solchen ernsthaften Prüfung ist es bei der jetzt zerbrochenen Koalition gekommen. Derweil verschärft sich das Problem für die Arbeitnehmerseite. Für den Bereich kirchlich gelenkter Krankenhäuser warnt der Marburger Bund, die Gewerkschaft der angestellten Ärztinnen und Ärzte, vor einer sich verschärfenden nachteiligen Entwicklung. Und diese Warnung gilt auch für das gesamte übrige Personal in kirchlich gelenkten Kliniken.

Die sich im kirchlichen Bereich abzeichnende Entwicklung zu überregionalen und zum Teil länderübergreifenden kirchlichen Krankenhauskonzernen (z. B. Alexianer GmbH, Gesellschaft der Franziskanerinnen zu Olpe, Marienhaus GmbH, v. Bodelschwinghsche Stiftungen Bethel, Ev. Johanneswerk) drohe die ohnehin schon bestehende arbeitsrechtliche Diskriminierung der Mitarbeiter zu verschärfen, warnt der Marburger Bund. Die Ärztevertretung sieht, dass durch die Schaffung großer kirchlicher Krankenhauskonzerne die Position der Träger in arbeitsrechtlichen Belangen gestärkt werde, wenn sie ihre eigenen Regeln in Arbeits- und Mitbestimmungsangelegenheiten beibehalten.

Hintergrund: Konfessionelle Arbeitgeber dürfen das kirchliche Arbeitsrecht anwenden, das es ihnen etwa erlaubt, Betriebsräte durch interne Mitarbeitervertretungen zu ersetzen. Diese kirchliche Selbstverwaltung – als "Dritter Weg" bezeichnet – begrenzt den Einfluss der Gewerkschaften und stellt kirchliche Werte und Loyalitätspflichten in den Mittelpunkt. Und ermöglicht eine stärkere Kontrolle der Arbeitnehmer. Der von den Kirchen für sich reklamierte "Dritte Weg" bedeutet, dass die Arbeitsrechts- und Tarifregelungen weder durch einseitige Arbeitgeberbeschlüsse ("Erster Weg") noch durch mit Gewerkschaften abgeschlossene Tarifverträge ("Zweiter Weg") geregelt werden, sondern eben auf einem "Dritten Weg": Kommissionen, in denen Vertreter von Arbeitgebern und Arbeitnehmern sitzen, beraten und entscheiden unter Beteiligung von kirchlichen Vertretern über die Arbeitsbedingungen. Rechtlich berufen sich die Kirchen dabei auf ihr durch Artikel 140 Grundgesetz in Verbindung mit Artikel 137 Absatz 3 der Weimarer Reichsverfassung garantiertes sogenanntes "Selbstbestimmungsrecht". Danach kann jede Religionsgesellschaft ihre Angelegenheiten selbstständig innerhalb der Schranken der für alle geltenden Gesetze ordnen und verwalten.1

Der Marburger Bund warnt, dass in durch Fusionen entstehenden größeren kirchlichen Krankenhauskonzernen die Betriebsführung zentralisiert und die Entscheidungswege vereinheitlicht werden. Regelungen und Richtlinien, die bislang lokal oder regional festgelegt wurden, gelten dann zentral für alle unter das Unternehmen fallenden Kliniken. In einem größeren, konzernähnlichen Zusammenschluss wird dieser "Dritte Weg" auf mehr Mitarbeiter ausgedehnt. Auf Arbeitgeberseite entsteht eine größere Verhandlungsmacht. Der ohnehin schon geringe Einfluss der Gewerkschaften wird weiter geschwächt.

Der Marburger Bund fordert daher nun: Soweit konfessionelle Krankenhäuser von den rechtlichen Möglichkeiten der handelsrechtlichen Konzernbildung Gebrauch machen, müssen sie sich aber auch den allgemeinen säkularen Rahmenbedingungen unterwerfen. Das sind:

  1. Einführung einer Konzernmitbestimmung unter Anwendung der für weltliche Konzerne geltenden Bestimmungen.
  2. Unmittelbare und uneingeschränkte Anwendung der Vorschriften des Betriebsverfassungsrechtes einschließlich der konzernweiten betrieblichen Mitbestimmung, der Einrichtung von Wirtschaftsausschüssen etc.
  3. Aufgabe des sogenannten "Dritten Weges" bei der Findung kollektiven Arbeitsrechts bei gleichzeitiger, uneingeschränkter Anwendung des Tarifvertragsgesetzes.
  4. Keine Anwendung der für den kirchlichen "verkündungsnahen" Bereich gültigen arbeitsrechtlichen Grundsätze im Individualarbeitsrecht (z. B. beim Kündigungsschutz).

Gegenüber dem hpd bekräftigte Hans-Jörg Freese, Pressesprecher des Marburger Bundes, die Nachteile, die sich aus den jetzt schon im Bereich kirchlicher Träger geltenden Regelungen ergeben und die sich durch wachsende Konzernstrukturen noch verstärken: "Es gibt keine Tarifverträge. Es gibt kein Streikrecht. Es gibt erhebliche individualrechtliche Einschränkungen, z.B. hinsichtlich etwaiger Loyalitätsobliegenheiten. Und zu guter Letzt ist die betriebliche Mitbestimmung im kirchlichen Arbeitsrecht erheblich eingeschränkt.
Wir wollen eine Abschaffung des Dritten Weges. Gehälter und Arbeitsbedingungen von angestellten Ärztinnen und Ärzten dürfen nicht länger ohne Transparenz und ohne Beteiligungsmöglichkeiten der Betroffenen in kircheninternen Arbeitsrechtlichen Kommissionen festgelegt werden. Wir brauchen echte Tarifverhandlungen und die Gewährleistung des Streik-rechts. Es müssen überall die Grundrechte aus Art. 9 Abs. 3 des Grundgesetzes zur Anwendung kommen."

Mit diesem Grundrecht meint Freese das Recht zum Streik. Doch Streiks haben kirchliche Träger bislang nicht zu befürchten. Die Gerichte gestehen ihnen diese Sonderstellung zu. Darüber hat der hpd noch kürzlich berichtet.

Längst nicht nur Ärztinnen und Ärzte sind von der Schlechterstellung im Arbeitsrecht betroffen, was der dort beschriebene Fall zeigt. In dem Zusammenhang klagte Krankenpfleger Mathias Korn: "Wir wollen für unsere belastende und wichtige Arbeit angemessen bezahlt werden." Insbesondere Beschäftigte der unteren Entgeltgruppen seien in den kircheneigenen Regelungen der Diakonie Mitteldeutschland deutlich schlechter gestellt als im Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD). So verdiene beispielsweise eine einjährig ausgebildete Pflegehilfskraft mit langjähriger Erfahrung bis zu 900 Euro monatlich weniger. Es gehe aber auch um demokratische Mitbestimmung, betonte Korn. "Wir wollen, dass über unsere Arbeitsbedingungen nicht länger in Kommissionen hinter verschlossenen Türen entschieden wird, sondern dass wir selbst Einfluss nehmen können."

Eben das fordert auch der Marburger Bund. Doch mit solchen Forderungen wird sich nun frühestens eine neu gewählte Bundestagsmehrheit und die von ihr getragene Regierung beschäftigen können. Und das kann dauern.„“

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1Hinweis der Redaktion: Das Grundgesetz spricht von "Selbstverwaltung" – im Laufe der Zeit wurde dies in "Selbstbestimmung" umgedeutet. ↩︎